Das ist natürlich auch immer eine Mentalitätsfrage. Nach einem so starken Trainer wie Klopp und einer so durchschüttelnden Saison ist nicht alles auf Null, aber natürlich ändern sich Hierarchien, es entstehen neue Chancen für Spieler, die besonders in der Kritik standen, andere müssen evtl um ihre Höfe bangen. Da liegt es an der Persönlichkeit oder der persönlichen Verfassung, wie und ob man das nutzt.
Und da gab es beim BVB ja einige Spieler, die auch so ein bisschen am Scheideweg standen oder noch stehen:
1. Weidenfeller : schwache Saison, aber ein bisschen auch eine tragische Figur, finde ich. Denn er ist der einzige, wo klar direkt ein Nachfolger mit
Vertrauensvorschuss geholt wurde. Klar, es wurde offiziell ein offenes Rennen ausgerufen, aber das gab es so ja nicht. Von daher ist es latte, ob er gegen Odds jetzt gut oder schlecht gehalten hat. Startet so gesehen außer Konkurrenz.
2. Subotic/Sokratis/Ginter : Subotic hatte bei Klopp einen Bonus, der nicht immer mit dem Leistungsprinzip zu rechtfertigen war. Ich denke, dass sehen auch viele Borussen so. Ginter hatte ein desaströses erstes Jahr - klar ist es schwer als junger Spieler aus einem kleinen Verein, wenn das Team nicht funktioniert, aber als Nationalspieler war das natürlich um Lichtjahre zu wenig. Auf der Position habe ich schon den Eindruck, als ob bei Tuchel da prinzipiell Chancengleichheit herrscht und noch keine endgültige Entscheidung. Bis jetzt würde ich sagen: alle mit Licht und Schatten, Ginters Licht brennt eher auf der RV-Position.
3. Schmelzer/Durm : Durm hatte als Nationalspieler einen derben Absturz und ist jetzt verletzt. Bitter für ihn, denn Schmelzer hatte auch alles andere als ein gutes Jahr, rechts hat Piszczek immer wieder mal Probleme. Hatte daher bis jetzt keine Chance und ich fürchte, dass er sie auch nicht so schnell bekommen wird, denn die beste Zeit zur Empfehlung hat er verpasst und die Mannschaft funktioniert - ohne ihn.
Schmelzer dagegen hatte auch dadurch und dadurch, dass Konkurrent Dudziak nach der U20-WM später einstieg, eine echte Chance zum kompletten Neuanfang: und er hat sie bis jetzt auch komplett genutzt.
Ja, Tuchels System liegt ihm auch ganz gut, aber das Entscheidende ist für mich, dass er realisiert hat: das ist meine Chance, gleich beim neuen Trainer zu punkten. Wenn ich jetzt sofort Vollgas gebe, sind die letzten 1-2 Jahre schnell vergessen und ich bin links die klare Nr.1...und fahre vielleicht auch noch zur EM16 (er war ja im vorläufigen Kader für 2014 und Hector ist sicher nicht unerreichbar). System ist eine Sache, Mentalität und totaler Willen, sich seinen Platz zu erobern, ist mMn viel wichtiger- Und das tut er momentan. Und ich sehe es nicht so, dass er schon immer ein tolles Stellungs- und Verschiebespiel hatte: in den letzten1-2 Jahren war das eben nicht mehr gut, da waren ganz viele Nachlässigkeiten, wo Hummels aus dem Zentrum nach links rücken musste, um Schmelzer zu helfen (und das Zentrum war dann entsprechend entblößt). Auch weil der linke Winger nicht mehr so nach hinten gearbeitet hat, wie zu Meisterzeiten. Aber auch zu guten Teilen, weil Schmelzer selbst auch unsicher, fahrig und nachlässig agiert hat.
Das ist alles weg, weil die Mentalität jetzt anders ist, weil er wieder komplett bissig ist. Und natürlich kommen dann auch die Flanken, ist doch kein Wunder.
4. Weigl : er wurde als Perspektiv- und probierenwirmalSpieler geholt. Natürlich kann einer was, der U-Nationalspieler ist und mit 18 zum Kapitän bei 60 gemacht wurde (auch wenn das eine komplette Kackidee war). Aber natürlich war er nicht wirklich für die Stammelf vorgesehen. Aber: Sahin war und ist verletzt, Bender nicht bei 100% (wie immer), Gündogans Wechselirrungen und -wirrungen und Castro so neu wie er, Weigl, selbst. Wenn es einen Zeitpunkt gab, gibt und geben wird, richtig beim neuen Trainer zu punkten, dann jetzt. Und das macht er herausragend, kann man nicht anders sagen. Taktisches Talent hat er, keine Frage, trotzdem wurde er als Nummer 18-23 eingekauft, hat aber seine plötzliche Chance gesehen und genau dann gebissen und voll konzentriert seine beset Leistung gebracht. Das Talent ist wichtig, das Raumgefühl auch - aber das sind bei einem so jungen Spieler auch ein bisschen Perspektivtugenden. Aber er hat zugebissen, als er seine Chance gesehen hat - das ist mMn entscheidend. Den Stammplatz wird er vielleicht auch wieder los, aber das ist kein Problem. Der Junge will - mehr als es z.B. Sarr oder Günter wollten, sonst wären deren Karrieren bisher anders verlaufen.
Wie z.B. Emre Can, das ist auch so einer. Spielt nicht immer gut, aber diesen Weg mit 20 Jahren (Bayernjugend-Leverkusen-Liverpool) schaffst du nur mit totalem Willen. Und darum werden diese Jungs wie Can und irgendwann auch Weigl (Thomas Müller als Paradebeispiel) Nationalspieler und Koray Günter oder Max Meyer vielleicht nicht so richtig.
5. Mikhitaryan : ganz schlimmes Jahr, von vielen verwunschen und weggewünscht. Für ihn war/ist es die letzte Chance, in Dortmund noch was zu werden. Und er nutzt sie. Auch da ist für mich Tuchels System nur ein Teil des Erfolgs, Mikhy spielt einfach viel konzentrierter und entschlossener. Eben wie einer, der seine Chance nutzen will, der nochmal zeigen will, dass er mehr kann. Und das kann er natürlich - wenn er weiter so konsequent spielt, nachlassen gilt natürlich nicht. Diesen Mikhitaryan kann man gut brauchen, auch für viel Geld und hohes Gehalt. Einen, der einen tollen Zwischensprint mit schöner Ballführung hinlegt, um dann beim finalen Pass am 16er den Kopf unterm Arm statt oben zu haben oder einen, der im 16er dann plötzlich denn Spannstoß aus dem Repertoire streicht und mit der Innenseite zaghaft sonstwohin schießelt, brauch kein Mensch - egal in welchem System.
6. Kuba/ Großkreutz : und da ist man dann bei den Negativbeispielen. Auch die hatten eine schwache Saison, auch körperlich. KG war in der Vorbereitung verletzt, dafür kann er nichts. Aber anstatt in Ruhe zu arbeiten, kommen dann patzige Facebookposts, die dem Trainer ganz sicher nicht gefallen - und den Verantwortlichen bei der momentanen positiven Grundstimmung auch nicht. So gilt er nicht nur als sportlich eher verzichtbar, sondern auch noch als potentieller fauler Apfel. Nach den immer-wieder-mal Vorkomnissen in der Vorgschichte von Großkreutz sehe ich für ihn keine Zukunft beim BVB.
Kuba dagegen ist eigentlich ja fit und gesund. Auch er hätte die Chance beim neuen Trainer nutzen könne, ja müssen. Wenn man es bei einem neuen Trainer in der Anfangsphase nicht schafft, ihn zu überzeugen, ist es eigentlich schon vorbei. Und so sehe ich es bei Kuba, das Ding ist eigentlich durch, eine wirkliche Rolle wird er nicht mehr spielen und ein Wechsel spätestens im Winter wäre wohl für alle das Beste. In Freundschaft und voller Respekt, aber eben ein Wechsel. Bei ihm habe ich eben gerade nicht den Eindruck, dass dieser totale Wille, sich den eigenen Platz im Team zu erobern, noch da ist.