Diese super "Akribiker" neigen sicher alle ein bisschen zu autistischen Zügen und das ist ja auch die Gefahr: wenn System zum Selbstzweck wird. Bei LvG ist das im Lauf der Jahre so geworden, früher bei Ajax war es ja noch nicht so, da war sein Fußball weitaus dynamischer. Ich bin bei ihm nicht immer objektiv, weil er für Bayern halt Gold wert war: genau der richtige Mann zum richtigen Zeitpunkt, um überhaupt mal eine spielerische Identität zu etablieren (die bis heute zum guten Teil wirkt) und auf junge Spieler zu setzen. Ich denke aber auch, dass Tuchel zum Zeitpunkt seiner Verpflichtung haargenau der richtige Mann für euch war. Klopps Umschaltmaschine hatte sich ebenso totgelaufen wie das ewige Buddyteambuidling (ganz normal nach der Zeit). Da musste es klar neue Akzente geben, auf dem Platz Richtung mehr Ballbesitzfußball und neben dem Platz mussten auch die alten Teamstrukturen etwas aufgebrochen werden (was ihm bekannterweise aber letztlich doch nicht so gelang). Das hatte Klopp ja auch selbst erkannt, indem er sagte (sinngemäß) "wäre ich geblieben, hätte es einen größeren Umbruch geben müssen".
Im Nachhinein kann man vielleicht sagen, dass man auch mit neuem Trainer einen noch härteren Hierarchiebruch hätte vollziehen müssen - oder aber eben einen Trainer holen müssen, der nicht ganz so viele Welten weg von Klopps Art der Teamführung ist. Im zweiten Jahr haben da sicher alle Seiten (Trainer, Vereinsführung, Spieler) ihre zwischenmenschlichen Fehler gemacht, da lohnt ein erneutes Diskutieren ja auch nicht mehr. Fakt ist: es hat am Ende nicht mehr funktioniert, die Art und Weise , wie es zu Ende ging, schwankt bei allen Parteien zwischen unnötig und unwürdig. Ist wohl leider in einer extremen Alphatierbranche manchmal so. Ich kenne es ja gut genug von meinem Verein: da habe ich ein paar Entlassungen miterlebt und finde bis heute bei jeder einzelnen, dass Art und Weise und Zeotpunkt völlig unnötig und unwürdig waren (danke, Uli). Außer Sören Lerby.
Das erste Jahr unter Tuchel aber fand ich bei euch fantastisch. Da hatte er genau die Grundumstellungen in der Spielweise angelegt, die es auch brauchte, die Lethargie der ewigen Gewohnheit auf dem Platz rausgespielt und wirkte auf mich auch extrem überzeugend, wenn er vor die Kameras trat. Diese Saison war in meinen Augen, wenn man das gesamte Bild anschaut, die beste nach euren Meisterspielzeiten, auch besser als die CL-Finalsaison. Irgendwann kam halt irgendwo wohl der Bruch zwischen allen mit allen, ich finde es bis heute schade. Ich persönlich glaube ja, dass das nicht in der Transferperiode passierte, sondern irgendwann in der Zeit zwischen dem EL-Ausscheiden gegen Liverpool und dem Pokalfinale der Saison. Ab da passte es nicht mehr so wie davor und ich denke auch, dass ab da Tuchels eigener Perfektionismus ihm selbst ein Stück weit im Weg stand. Trotzdem waren die Jahre für euch gut, denke ich. Ein Übergang Klopp-Bosz wäre weit schwieriger gewesen als Tuchel-Bosz.