Axel Witsel (29) wechselte für 20 Mio Ablöse aus China zum BVB. Für die Rückkehr nach Europa verzichtet der Belgier auf rund 10 Mio Euro Gehalt. In BamS spricht Dortmunds neuer Mittelfeld-Stratege erstmals ausführlich über den Transfer und seine Rolle beim BVB
BILD am SONNTAG: Herr Witsel, herzlich willkommen in der Bundesliga. Warum haben Sie sich für Dortmund entschieden?
AXEL WITSEL (29): Nach dieser unglaublichen Weltmeisterschaft, die wir mit Belgien gespielt haben, war es mein Ziel, unbedingt nach Europa zurückzukehren. Und als Dortmund kam, haben mir die Verantwortlichen gezeigt, dass sie mich unbedingt wollten und voll hinter mir stehen. Für mich war es definitiv die richtige Entscheidung, weil Dortmund zu den besten Vereinen Europas gehört.
In China sollen Sie 18 Mio Euro im Jahr verdient haben, in Dortmund sind es fast zehn Mio weniger. Schwer für Sie, auf Geld zu verzichten?
(lacht) Schön, dass Sie glauben, alle Zahlen zu kennen! Aber im Ernst: Ich wollte nur zurück nach Europa, und das hat nichts mit dem Geld zu tun. Ich bin sehr glücklich, jetzt hier zu sein.
Gab es auch Angebote anderer Klubs?
Ich hatte ein paar Angebote, aber ich wollte nicht lange warten. Wie ich schon gesagt habe: Dortmund hat mir sofort gezeigt, dass sie mich wollten, und ich hatte ein gutes Gefühl bei den Gesprächen. Deswegen war der Klub sofort meine Wahl.
Ist es richtig, dass Bayern München Sie vor einem Jahr verpflichten wollte?
Ja, das stimmt. Sie haben nicht mich angerufen, sondern meinen damaligen Trainer Fabio Cannavaro. Und er hat dann ganz nett und höflich zu Carlo Ancelotti gesagt, dass es nicht möglich ist. (lacht)
Auch jetzt sollen die Verhandlungen mit Ihrem Ex-Klub Tianjin sehr kompliziert gewesen sein. Warum?
Das weiß ich nicht genau. Ich war während meines Urlaubs wie in einer Blase und habe trainiert und mich sehr intensiv auf die neue Saison vorbereitet. Was für mich zählt: Ich bin jetzt hier.
Aber Tianjin wollte nicht sofort die Ausstiegsklausel von 20 Mio Euro akzeptieren und Sie auch nicht wirklich verkaufen ...
Das lag vielleicht auch daran, dass sie keinen neuen Spieler mehr kaufen konnten, weil das Transferfenster in China schon geschlossen ist. Aber am Ende war es eine klare, vertragsgerechte Geschichte.
Sie haben dennoch einen Brief an Ihren Ex-Klub geschrieben. Können Sie uns verraten, was dort drinstand?
Nein, das bleibt lieber privat. Jeder kennt die Geschichte, dass ich eine Ausstiegsklausel hatte – und das wusste natürlich auch Tianjin.
Manager Michael Zorc hat gesagt, dass Dortmund Sie gekauft hat, weil sie noch einen Leader im Mittelfeld brauchten. Sind Sie so ein Spieler-Typ?
Ja! Ich gebe immer mein Bestes, versuche, mit jedem Mitspieler zu sprechen und ihn zu motivieren. Ich bin aber nicht der Typ, der auf dem Platz schreit – das mag ich nicht. Dennoch will ich mit 29 Jahren meine Erfahrung zeigen und weitergeben. Ich versuche, ein Leader in der Mannschaft zu sein. Jetzt muss ich aber erst mal Deutsch lernen, damit es einfacher für mich wird.
Können Sie Ihren Charakter beschreiben?
Ich bin fokussiert und ehrgeizig. Aber auch relaxed, ruhig und mache keinen Stress.
Sind das auch Ihre Stärken auf dem Platz?
Ja, klar. Ich versuche natürlich, mich auf dem Feld so zu zeigen, wie ich auch in meinem Privatleben bin. Ein bisschen Ruhe auf dem Platz ist wichtig ...
Wie fit sind Sie nach der langen WM mit Belgien in Russland?
Ich fühle mich gut, habe auch schon in meinem Urlaub intensiv trainiert. Drei Wochen ausruhen – das ist gar nichts für mich. Aber natürlich werde ich erst mal ein, zwei Spiele brauchen, um dann hoffentlich bei 100 Prozent zu sein.
Erwarten Sie, dass Sie zum Liga-Start in zwei Wochen gegen Leipzig schon dabei sein werden?
Ja, ich habe noch genug Zeit und denke, dass ich dann bereit sein werde.
Wie gut kannten Sie denn den BVB?
Ich habe Dortmund häufig im TV verfolgt. Und wir haben auch 2014 mit meinem Ex-Klub Zenit St. Petersburg im Champions-League-Achtelfinale im Signal Iduna Park mit 2:1 gewonnen. Trotzdem sind wir damals ausgeschieden. Das ist aber schon lange her, und leider hatte der BVB im letzten Jahr mit Platz 4 keine ganz so gute Saison. Dortmund ist ein Verein, der normalerweise immer an der Spitze mit dabei ist. Jetzt gibt es einen echten Neustart. Neuer Trainerstab, neue Spieler, auch neue zusätzliche Führungskräfte. Das oberste Ziel in der neuen Saison ist es deshalb, wieder die Qualifikation für die Champions League zu erreichen!
Haben Sie sich bei jemandem über den Verein erkundigt, bevor Sie gewechselt sind?
Ich habe mich mit Michy Batshuayi über den BVB unterhalten. Er hat mir gesagt: Wenn ich die Wahl habe, sollte ich nach Dortmund gehen und nicht lange zögern.
Und was wissen Sie über Ihren neuen Trainer Lucien Favre?
Ich weiß, dass er in Gladbach und auch in Nizza war. Deswegen habe ich mich mit meinem Nationalmannschafts-Kollegen Thorgan Hazard (spielte in Gladbach unter Favre; d. Red.) über ihn unterhalten.
Was er hat er Ihnen erzählt?
Nur positive Dinge. Er ist ein sehr guter, detailversessener Trainer, der versucht, seine Mannschaft immer im Training zu pushen und der auch mit jedem einzelnen Spieler in der Sache hart, aber eben auch sachlich und fair umgeht. Am Ende ist es das, was wir brauchen, um als Team hoffentlich erfolgreich zu sein.
Haben Sie schon mit ihm gesprochen? Und hat er verraten, was er von Ihnen erwartet?
Ich bin ein Spieler, der sich auf der „6“ und auf der „8“ wohlfühlt. Das weiß man natürlich auch beim BVB. (lacht)
In der vergangenen Saison waren die deutschen Teams nicht sehr erfolgreich im Europapokal. Was denken Sie über die Bundesliga?
England, Spanien, Deutschland und Italien haben die vier besten Ligen in der Welt.
Haben Sie sich auch darüber mit Ihren Nationalmannschafts-Kollegen aus der Premier League unterhalten?
Für mich ist das Level in der Bundesliga nicht schlechter als in England – es ist das gleiche. Vielleicht haben Sie eine größere mediale Aufmerksamkeit in England, aber das Niveau ist das gleiche.
Wie war das Niveau in China?
Natürlich nicht so hoch wie in Europa. Aber es war auch nicht so schlecht, wie jeder vielleicht denkt. Was dennoch in der chinesischen Liga fehlt, ist die hohe Intensität. Deswegen muss man härter an sich selbst arbeiten, um das Level zu halten. Ich habe dort jeden Tag mehr trainiert als ich musste. Für die WM war es wichtig, dass ich komplett fit bin.
Also werden Sie keine Anpassungsschwierigkeiten in der Bundesliga haben?
Nein, überhaupt nicht. Ich habe die WM gespielt und das ist der beste Fußball-Wettbewerb der Welt.
Zum Abschluss noch ein paar haarige Fragen. Hatten Sie schon immer diese Afro-Frisur?
Nein, nicht immer. Als ich jünger war, hatte ich sehr kurze Haare. Aber dann habe ich mich dazu entschieden, sie länger wachsen zu lassen. Es hat fünf, sechs Jahre gedauert bis meine Frisur so aussah.
Brauchen Sie deshalb jetzt mehr Zeit im Bad am Morgen?
Das geht schnell. Es ist nicht komplizierter als vorher.
Was sagt Ihre Frau Rafaella dazu?
(lacht) Sie hat mir damals dazu geraten. Dann habe ich gesagt: Okay, wir versuchen es.