Ich bin der Meinung, dass die Aussage von UH zu einem ganz großen Teil eine Ego-Aktion ist. Er steht halt nach 30 Jahren operativem Alltagsgeschäft nun mehr in der Frühstücksdirektor/Grüßaugust-Position, kann sich damit noch nicht richtig anfreunden und muss daher ein bißchen Existenznachweise und -berechtigungen bringen. Van Gaal hingegen wird so ein bißchen als der Vater des Erfolges gesehen und mit dieser Zurückstufung kommt Uli nicht klar.
Das sehe ich sehr ähnlich. Die Aussage "ein moderner Fußballverein ist keine one man show" klingt bei Ulis Werdegang fast trotzig: wenn ich das nicht mehr sein darf, darf es auch kein anderer.
Uli hat zwar seinerzeit entschieden, kürzer treten zu wollen und aus dem Tagesgeschäft wegzubleiben. Das war der vernünftige Teil in ihm, sicher haben ihm nach 30 Jahren Totalstress an der Front auch Familie, Freunde oder Hausarzt dazu geraten. Ich habe aber nicht den kleinsten Eindruck, dass er das auch wirklich möchte. Uli will doch gar nicht Präsident im Hintergrund sein, er will auch keine neuen Methoden, starke Trainer etc. . Am liebsten wäre er immer noch in vorderster Front,
vor allem ohne den machtgeilen Kalle im Nacken und am allerliebsten mit Jupp Heynckes als Trainer. Seine innere Glückseligkeit sprang ihm nach der Wiedervereinigung mit Don Jupp und der Entlassung Klinsmanns doch aus jeder Pore. Dazu kann er es überhaupt nicht haben, wenn Spieler, die er ins Herz geschlossen hat, rasiert werden sollen: Luca Toni (für dessen Verpflichtung er nicht lange vorher noch gefeiert wurde und der Weltstarglanz verbreitete), Rensing (den er jahrelang als neuen Kahn platzierte), Ribery in der Nuttensache oder jetzt Demichelis (der schon in den guten alten Zeiten da war).Egal ob von Trainer oder Medien.
Im Vorjahr war für ihn doch das Zerwürfnis mit Toni ein schlimmeres Vergehen LvGs als die schwachen Ergebnisse im Herbst. Das ist super, wenn ein Spieler wirklich Unterstützung brauch (z.B. Scholl oder Kahn während ihrer privaten Krisen, Zickler nach seinen schweren Verletzungen), aber nicht gut, wenn es der Autorität des sportlich Verantwortlichen schadet.
Das ist auch nicht grundfalsch, den irgendeiner muss ja die Seele des Vereins und vor allem sein Lebenswerk verteidigen - den Killerkalle geht beides am Popo vorbei. Dafür hat dieser kein Problem mit neuen Strukturen und starken Trainern, solange der Erfolg da ist. Zwei Pole im Verein sind wichtig, auch wenn es Neuland für Uli ist, wenn man dauerhaft erfolgreich sein will. Nur müssen sich diese ergänzen, anstatt sich aufzuheben - was sie aber tun.
Ich denke, ein gutes Stück weit ist die LvG-Kritik auch ein Stellvertreterkrieg um die tatsächliche Macht im Verein...und damit meine ich eben nicht die Macht des Trainers. Der jeweilige Trainer ist aber am Ende der Leidtragende.
Das ging bei Hitzfeld II los. Da war es Kalle, der Hitzfeld das genaue Gegenteil von dem vorwarf, was jetzt Uli van Gaal anlastet. Hitzfelds Autorität war dahin. Dann holte man dem meinetwegen naiven Erneuerer Klinsmann, ohne hinter dessen Konzepten zu stehen und dessen medialer Demontage ab Tag 1 tatenlos zuzusehen. Dann wollte man als Gegenentwurf einen "echten Fußballlehrer mit "Softwarekenntnissen" "...und beklagt sich, dass dieser sich in der Unterrichtsgestaltung nicht vom Direx reinreden lässt.
Nur: die Zeiten, in denen Vorstände den Trainern Aufstellungen, Taktik oder Transfers diktieren, sind längst vorbei... wie Malte es ja in einer Reihe von vorzüglichen Posts heute schon dargelegt hat :thumb: .
Wenn unsere hohen Herren mit ihrem eitlen (und es ist viel, viel zu viel Eitelkeit dabei) Hahnenkampf bei Ferguson oder Mourinho ankommen, werden die doch mit ner eingeschweissten Packung HoWe-Würstchen die Treppe runtergeprügelt. Und zwar zu Recht.
Wer bleibt denn übrig, wenn das Projekt van Gaals auch noch scheitert? Welcher Trainertyp, den wir nicht schon in den letzten fünf Jahren hatten? Ein Altmeister wie Jupp, der dann mit Uli in alten Zeiten schwelgt und sich mit ihm gemeinsam über harmlos-unbedachte Beckenbaueräusserungen lustig macht? Ein Volkstribun a la Klopp, dessen Beliebtheit nach spätestens einem Jahr auch wieder "da oben" sauer aufstösst?
Es geht mir
brutalst auf den Sack, dass wir jetzt vor exakt der gleichen Diskussion stehen wie vor der JHV 2008. Es ist unfassbar, dass sich offensichtlich im Denken der Verantwortlichen, besonders bei Uli, rein gar nichts geändert hat. Nichts, ü-ber-haupt nichts. Es war - und das ist jetzt klarer als je zuvor - keine Vernunfts- oder gar Überzeugungsentscheidung, LvG letzten Herbst nicht zu entlassen. Keine Folge von Lernfähigkeit, es war purer Zufall, es war ein einziges Spiel in Turin. Mit der Siegesserie im Anschluss war es dann schlicht nicht mehr möglich. Von wegen "wir sind sehr zufrieden mit dem Trainer" und "es zahlt sich aus, Ruhe zu bewahren und dem Trainer zu vertrauen, wie wir es im Gegensatz zu den Medien immer getan haben". Alles Quatsch.