Dann möchte ich einmal bei einem Berufenen nachfragen. Woran liegt deiner Meinung die schwache Qualität der Sportjournalisten begründet. Gibt es keine besseren? Ist das so eine protegierte Elitengemeinschaft, in die man trotz Talent und Leistung kaum aufsteigen kann? Ist die Frauenquote schuld? Will der "normale" Massenzuschauer kein besseres Infotainment oder ist die TV Konkurrenz zu schwach?
Naja, da muss man schon differenzieren zwischen Print- und Fernsehjournalismus einerseits, und der Übertragung von Randsportereignissen und Fußball andererseits. Bei Randsportereignissen kann es durchaus an der fehlenden Expertise des Kommentators liegen. Wer regelmäßig Boxsport im deutschen Fernsehen verfolgt, kann davon ein Liedchen singen. Da sind mitunter die einfachsten Begrifflichkeiten nicht geläufig (aus einem sauberen Leberhaken wird da gelegentlich ein "wilder Schwinger"). Das halte ich im Fußball für ausgeschlossen. Sportjournalisten sind ja nicht nur Kenner der Materie, sondern darüberhinaus mit der Sozioökonomie des Sports vertraut, also wirklich sehr umfassend ausgebildet. Leider sind derartige Exkurse, erst recht bei einem Live-Kommentar, nicht immer erwünscht. Womöglich will der Zuschauer tatsächlich nur unterhalten und nicht belehrt werden.
Im Fußball ist es also eher ein Klüngel an Problemen, die weniger mit fehlender journalistischer "Grundqualität" zu tun haben. An erster Stelle steht da der Quotendruck der Macher. Das Produkt "muss" verkauft werden (ein Grund übrigens, warum das Thema 'Doping im Fußball' weitgehend sportjournalistisch bei den entsprechenden Medien tabuisiert ist). Daneben ist es in den Neunzigern zu einer wahnsinnigen "Boulevardisierung" der Berichterstattung gekommen. Du hast da schon Recht mit: Es hat diesen Paradigmenwechsel gegeben; von der reinen Übertragungspragmatik hin zum Infotainment. Bedingt auch durch den Vorstoß privater Formate, etwa "ran", die diesen Imagewechsel bewusst vollzogen haben, sozusagen in Abgrenzung zum "Alten".
Letztlich schlägt sich das auch auf die Art nieder, wie ein Spiel kommentiert wird. Der traditionell eher sachliche Stil wird - provoziert durch die Maßgabe, zu unterhalten - zunehmend mehr versetzt mit hispanischen Elementen der Berichterstattung, etwa der narratologischen Ausschmückung des Geschehens, Erzählungen über den Spieler oder das Umfeld, die rein sprachliche Abbildung des Spiels. Sporttheoretische Erwägungen spielen dort bezeichnenderweise so gut wie keine Rolle. Und das rückt auch bei uns leider zunehmend in den Hintergrund. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die verantwortlichen Leute vor Ort (abgesehen von KMH o.ä.) durchaus in der Lage sind, ein Spiel zu lesen. Aber der Druck, etwas zu erzählen, ist so groß, dass letztlich auch der Kommentar fast nichts anderes mehr ist als bloße Erzählung (über Schweinsteigers Rolle, den Reifeprozess und dergleichen mehr). Dass ein Spiel richtig mies ist, merkt man schließlich daran, dass der Kommentator niemals müde wird zu wiederholen, es lebe von seiner Spannung (Verkaufsrhetorik). Der Zuschauer
soll ja nicht abschalten.
Hier mal ein offener und sehr bekannter Brief einiger Sportjournalisten an den VDS, die bringen das zum Ausdruck, was ich damit sagen will:
http://www.sportnetzwerk.eu/wp-content/uploads/Offener-Brief-VDS-21012006.pdf