Die DDR-Sportler durften eh starten. Aber sowohl die DDR als auch Putins Russland sind Unrechtsstaaten und Diktaturen. Aufmucken ist (war) bei beiden leichter gesagt als getan. Darum bin ich zurückhaltend, von denen zu verlangen, dass sie Statements gegen Putin machen. In Russland regiert die Angst - vor allem vor der eigenen Regierung. So wie eben damals im Ostblock. Und da hätte es viel zu sagen gegeben. Nur darauf wollte ich hinaus.
BTW: die Ostblockstaaten sind z. B. 1968 in der Tschechoslowakei einmarschiert. Die DDR nicht, aber nur deswegen, um die Tschechen nicht noch mehr zu irritieren, schließlich wars erst ca. 30 Jahre her als Deutsche dort eingefallen sind. Der DDR-Staatsführung hat das aber überhaupt nicht gepasst und natürlich wurde der Einmarsch gutgeheißen.
Der von dir erwähnte Jens Weißflog in dem Haufen Ostblocksportler (um dich zu zitieren) war allerdings zur Zeit der Invasion einiger Ostblockländer in der Tschechoslowakei gerade mal 4 Jahre alt. Daher ist dies für seine sportliche Karriere vollkommen irrelevant und unterscheidet sich von der momentanen Diskussion. Und das war meine Kritik an deinem gewählten Beispiel/Vergleich. Als Weißflog 1984 Olympiasieger wurde, war er 19 Jahre alt. Also, mit 19 habe ich mich für vieles interessiert, das politische Weltgeschehen war es jedoch weniger. Was Weißflog bis dato vom tatsächlichen Leben in der DDR wusste, kann ich nicht beurteilen, von daher kann ich mir auch kein Urteil darüber erlauben, ob er bewusst geschwiegen hat, um seine Sportkarriere nicht zu gefährden oder ob er tatsächlich durch den Staat indoktriniert wurde und es einfach nicht besser wusste.
Wir gehen wir ja konform, dass wir von den Sportlern keine Positionierung erwarten sollten. Wir wissen nicht, wie beispielsweise andere russische Skispringer neben Jevgenij Klimov zum Krieg stehen, auch wenn sie in einem Outfit mit dem Z abgelichtet wurden. Es ist leicht vom friedlichen Wohnzimmer aus ein Urteil abzugeben, wieviel es mit der Realität zu tun hat, kann ich für mich nicht beantworten.
Weiterführend finde ich aber auch, dass eine Trennung nur in Ost und West zu einfach ist. Man könnte sich fragen, warum sich keine chinesischen Sportler eindeutig gegen die Unterdrückung der Uiguren positionieren - warum haben wir als Zuschauer die Olympischen Spiele dennoch verfolgt, obwohl wir es besser wissen sollten? Warum nehmen Fußballspieler dennoch an der WM in Katar teil, obwohl Menschenrechtsverletzungen bekannt sind - und warum wird die WM dennoch von Millionen hier verfolgt werden? Auch hier muss ich mich wohl an die eigene Nase fassen und mich fragen, warum ich nicht konsequent bin.
Der Tennisspieler Andrej Rublev hat sich im Februar positioniert, für mich immer noch ein Gänsehautmoment. Aber es ist keine Selbstverständlichkeit.
Es wird nie eine 100%ige Einigkeit darüber geben, ob russische/belarussische Athleten starten sollen oder nicht. Ich ringe ja auch mit mir, ob das richtig ist oder falsch. Die jetzige Situation wird wohl auch den wenigsten Sportler gerecht werden. Wenn wir allerdings jetzt ein konsequentes Handeln einfordern, müssen wir es zukünftig aber ebenso einfordern, auch wenn es dann nicht Russland sein sollte.