Rafael Nadal hat ein kompliziertes Jahr hinter sich. Platz eins in der Welt musste er an Novak Djokovic abgeben, vor allem die Finalniederlagen in Wimbledon und bei den US Open taten dem Spanier weh. 2012 will der 25-Jährige aber vor allem eines: wieder mehr Spaß am Tennis haben.
Die Saison 2011 war nicht Ihre beste. "Nur“ ein Grand Slam-Turnier gewonnen und das Jahr als Weltranglisten-Zweiter abgeschlossen - welche Rolle haben dabei Ihre körperlichen Probleme gespielt?
Nadal: In den vergangenen Jahren ist viel über meine Verletzungen gesagt worden. Es stimmt natürlich, dass ich körperliche Probleme gehabt habe. Hätte ich aber ein ernstes physisches Problem gehabt, hätte ich nicht sieben Jahre hintereinander einer der zwei Besten der Welt sein können.
Aber Ihr Spiel ist sehr kräfteraubend. Lassen Sie da nicht mehr Kräfte als andere Spieler?
Nadal: Nein, es geht um das Mentale. Jeder hat seinen Stil, aber ich muss mich vielleicht mehr konzentrieren als ein Federer, ein Murray oder ein Djokovic.
Also ist Ihr Verschleiß doch größer als der von anderen?
Nadal: Es gibt einen mentalen Verschleiß. Ich habe aber auch die Hoffnung, die vergangenen Monate hinter mir zu lassen. Die waren nicht gut. Ich habe gut trainiert, aber in den Turnieren hat mir etwas mehr Leidenschaft für das Spiel, Kraft in meinen Schlägen und in meinen Beinen und mentale Stärke gefehlt. Und daran hängt alles andere.
Stört es Sie, wenn man sagt, ihr Kopf sei ihr bester Schlag?
Nadal: Es stört mich nicht. Es ist ein großer Irrtum zu glauben, ich sei ein körperbetonter Spieler. Es gibt viele, die mehr rennen als ich.
Aber die mentale Stärke ist ein Vorteil....
Nadal: Wenn Du müde im Kopf bist, macht sich das bemerkbar. Das ist klar. Ich muss mental stark sein. Das ist eine der Stärken gewesen. Und ich muss daran arbeiten, dass es wieder so wird.
Sie betonen sehr den mentalen Aspekt. Haben Sie je daran gedacht, sich einen Psychologen zu nehmen?
Nadal: Das habe ich noch nie gemacht und werde es auch nicht tun. Natürlich respektiere ich die Arbeit eines Psychologen. Aber nicht beim Tennis. Einen Psychologen kann man für wichtigere Dinge einsetzen.
Ist die Saison 2012 die bislang größte Herausforderung Ihrer Karriere?
Nadal: Neeeeeiiiiiin.
Es stehen Olympische Spiele an, Sie wollen im Tennis zu ihrer alten Stärke zurückfinden und im Duell mit Djokovic das Blatt wenden. Das ist eine ganze Menge.....
Nadal: Nein, so viel ist das gar nicht. Es ist das Jahr, in dem ich in meinem Inneren besser werden muss. Es geht nicht darum, Djokovic zu schlagen, sondern persönlich weiterzukommen. Alles andere ist zweitrangig. Das Wichtigste ist, wieder mit der nötigen Leidenschaft und Intensität zu spielen. Ob das dann reicht, werden wir sehen. Ich möchte wieder einen Schritt vorankommen, auch wenn ich dafür leiden muss.
Roger Federer hat kürzlich gesagt, ein Boykott des Spielbetriebs mache keinen Sinn. Sie wollen eine Zweijahres-Rangliste, er hält davon nichts. Gibt es zwischen Ihnen an der Spitze der Spielergewerkschaft Meinungsverschiedenheiten?
Nadal: Nein. Er hat als Vorsitzender der Spielergewerkschaft seine Ideen, ich als Stellvertreter habe andere. Auch ich möchte keinen Boykott, den wird es auf absehbare Zeit nicht geben.
Aber es gibt Differenzen zwischen Ihnen und Federer.
Nadal: Ich bin nicht der einzige, der für eine Zweijahres-Rangliste eintritt. Das Ziel ist, alle Spieler zu schützen, nicht nur die, die oben sind, wie es jetzt dargestellt wird. Es schützt die Spieler davor, wegen einer Verletzung ihre Karriere aufgeben zu müssen. Es stimmt, dass man mit einer Einjahres-Rangliste schneller an die Spitze zurückkommt. Aber man muss dies beispielsweise von der Position 700 aus machen, wie etwa Juan Martin del Potro. Wichtiger wäre, nicht so stark zu fallen und dann mit weniger Druck spielen zu können.
Federer hat mal darüber gesprochen, wie schwierig es ist, sich auf Turnieren frei zu bewegen, wenn man so bekannt ist. Ist das für Sie auch ein Problem?
Nadal: Dass wir so weit gekommen sind, haben wir letztendlich denen zu verdanken, die uns kennen, unterstützen und begrüßen. Ihnen haben wir unseren Job zu verdanken. Ich schäme mich oft, von Leibwächtern umgeben zu sein. Es stimmt, manchmal brauchst du Leute, die Dich beschützen. Das ändert aber nichts daran, dass ich es übertrieben finde und es mir peinlich ist.
Ist Ihre Beziehung zu Federer nur eine Tennis-Freundschaft?
Nadal: Wir haben viele gemeinsame Momente erlebt, die wichtig für unsere Karrieren waren. Gekennzeichnet war das immer von gegenseitigem Respekt. Wenn jemand so viele Jahre dein Rivale gewesen ist und du so viele wichtige Momente mit ihm geteilt hast, gewinnst du ihn lieb. Mir geht es so. Und ich glaube, ihm auch. (Interview: dpa;