Nachdem der Tenor kürzlich dann doch ganz positiv war, will ich mal mit der Drittliga-Vorschau starten. In elf Tagen geht die Saison los, ich hoffe, dass ich bis dahin alle Vereine schaffe. Garantieren kann ich das nicht. Da es gerade mal Mitte Juli ist, fallen die Prognosen ohnehin noch wahnsinnig schwer und es wird sicher noch reichlich Transfers geben.
TSV Havelse
32 Jahre ist es her, dass der TSV Havelse zum ersten Mal auf der Landkarte des deutschen Profifußballs auftauchte. 1989/1990 stiegen die Garbsener nahezu sensationell in die 2. Bundesliga auf, Trainer war damals ein gewisser Volker Finke. Das Intermezzo war jedoch nur von kurzer Dauer: Sang- und klanglos ging es für den TSV als Tabellenvorletzter mit 19 Punkten wieder runter. Schlechter war in der Saison 1990/1991 nur der 1. FC Schweinfurt, und der fungiert hier wunderbar als Verknüpfungspunkt zur Gegenwart.
Gerade einmal dreieinhalb Wochen ist es her, dass sich die Havelser in den Aufstiegsspielen zur 3. Liga gegen eben jene Schweinfurter durchsetzen konnten und überraschend in den Profifußball zurückkehrten. Schweinfurt galt eigentlich als Favorit, doch in beiden Spielen siegten die Niedersachen mit 1:0. Somit sorgte der TSV wohl für ein Novum in der Geschichte des deutschen Fußballs: Denn in der regulären Saison, die coronabedingt nur bis zum vergangenen Herbst ging, absolvierte Havelse lediglich neun Spiele - 20 Punkte reichten aus für den ersten Platz, der letztlich zur Teilnahme an den Playoffs berechtigte.
Die Realität für den kleinen Verein aus dem Hannoveraner Speckgürtel heißt nun nicht mehr BSV Rehden, Atlas Delmenhorst oder SSV Jeddeloh II, sondern 1. FC Kaiserslautern, TSV 1860 München und Eintracht Braunschweig. Und da kommen wir auch zur sportlichen Prognose: Havelse dürfte unzweifelhaft einer der krassesten, wenn nicht sogar der krasseste Außenseiter der bisherigen Drittliga-Geschichte sein. Nach dem Aufstieg machten Gerüchte die Runde, wonach der Etat für die Profis auch in der 3. Liga bei nur rund einer Million Euro liegen soll, in jedem Fall ist er vom Rest der Liga um Welten entfernt. Drittliga-Erfahrung im Aufstiegskader? Nahezu nicht existent. Erik Henschel bringt es auf exakt eine Minute Spielzeit in der 3. Liga (für den Halleschen FC), Noah Plume auf 69 Minuten (für Lotte). Das wars.
Immerhin kennen zwei Neuzugänge die Liga: Julius Düker (SV Meppen) ist so etwas wie der "Königstransfer". Der Stürmer lief für Meppen, Eintracht Braunschweig und den 1. FC Magdeburg 99 Mal in der 3. Liga auf (14 Tore, 11 Vorlagen). In Meppen hat er aber ein Jahr zum Vergessen hinter sich und verzeichnete bei nur zwölf Einsätzen keine Torbeteiligung. Fynn Arkenberg, der einst in der Jugend bereits in Havelse spielte, kommt vom SV Rödinghausen und lief für Halle 17 Mal in der 3. Liga auf. Ebenfalls neu dabei ist Linus Meyer. Der Offensivmann ist seit Jahren ein starker Regionalliga-Spieler und erzielte für die VSG Altglienicke in sechs Spielen sechs Tore sowie drei Assists. Zudem ist die Leihe von Rostocks Oliver Daedlow offenbar nur noch Formsache.
Auf der Gegenseite schmerzen zwei Abgänge: Kevin Schumacher, der das Siegtor im Rückspiel gegen Schweinfurt schoss, zog es nach Rostock. Und Leon Damer, der in den Relegationsspielen der auffälligste Havelser Spieler war, verlässt den Verein ebenfalls. Er wurde zuletzt immer wieder mit Hannover 96 in Verbindung gebracht - zum wohl bittersten Verlust der Havelser in diesem Sommer. Denn Aufstiegstrainer Jan Zimmermann hat sich aus Havelse in Richtung Hannover verabschiedet. Seine Nachfolge tritt Rüdiger Ziehl an. Der 43-Jährige trainierte zuletzt mehrere Jahre den VfL Wolfsburg II, scheiterte aber am Aufstieg in die 3. Liga. Ziehl soll nun das Unmögliche möglich machen. Dabei dürfen die Havelser übrigens auch nicht im eigenen Stadion spielen: Das charmante Wilhelm-Langrehr-Stadion fasst lediglich 3500 Plätze, deshalb wird in der Hannoveraner HDI-Arena gespielt.
Fazit:
Es ist nicht zu leugnen: Ein Klassenerhalt des TSV Havelse wäre eine unfassbare Sensation. Ja, es hat in der Vergangenheit auch in der 3. Liga immer wieder Fälle gegeben, bei denen angeblich kleine und chancenlose Mannschaften die Liga überrascht haben. In Mannschaften wie Sonnenhof Großaspach oder auch dem SC Verl steckte jedoch wesentlich mehr Potential und die Teams waren letztlich klar besser besetzt, als es die Namen der Vereine suggerierten. Das sehe ich in Havelse nicht. Das Ausweichen nach Hannover, die nahezu nicht existente Drittliga-Erfahrung, die unfassbar kurze Pause zwischen Relegations-Rückspiel und Drittliga-Start und der Abgang von Zimmermann, von dem ich eine Menge halte, sind eine deutlich zu große Bürde. Havelse wird die Erfahrung 3. Liga gerne mitnehmen, sich am Ende der Saison aber sogar recht deutlich als Tabellenletzter aus der 3. Liga verabschieden müssen. Platz 20