Würzburger Kickers
"Chaosklub" - bei dieser Bezeichnung denkt man eher an Schalke 04 oder den Hamburger SV. Mit Blick auf die vergangenen zwölf Monate haben sich aber auch die Würzburger Kickers dieses Prädikat eindrucksvoll verdient. Nach dem (überraschenden) Zweitliga-Aufstieg im vergangenen Sommer, ging danach nahezu alles schief, was schiefgehen kann. "Head of Global Soccer" von flyeralarm, Hauptsponsor der Kickers, Felix Magath, machte das, was Felix Magath seit einigen Jahren am besten kann: Scheinbar wahllos Spieler aus der halben Welt zusammenkaufen. Lange Zeit war sogar unklar, ob Aufstiegstrainer Michael Schiele bleiben darf, letztlich wurde er Ende September nach zwei Saisonspielen entlassen. Sein Nachfolger Marco Antwerpen machte es jedoch ebenfalls nicht lange: Nach nur einem Punkt aus fünf Spielen musste er wieder gehen. Mit einem Zähler aus sieben Spielen waren die Würzburger bereits frühzeitig abgeschlagen.
Wenigstens wurde es unter dem dritten Trainer der Saison (am achten Spieltag!) etwas besser. Die Kickers feierten gegen Hannover 96 gleich bei Trares' Debüt den ersten Saisonsieg. Eine Serie konnte aber nicht gestartet werden. Der Kader der Franken war einfach viel zu schwach, so dass auch Trares das Ende der Spielzeit nicht mehr erlebte. Nach knapp fünf Monaten folgte Anfang April seine Entlassung. Eine interne Lösung bestehend aus Ralf Santelli und Vereinsidol Sebastian Schuppan brachten die im Prinzip ohnehin längst gelaufene Spielzeit schließlich zu Ende, Würzburg holte insgesamt 25 Zähler. An 33 von 34 Spieltagen (Ausnahme: der dritte Spieltag) waren die Würzburger Tabellenletzter. Einen verdienteren Absteiger gab es selten - somit endete auch das zweite Zweitligajahr für die Kickers nach einer Spielzeit. Immerhin: Auch Magath ist nicht mehr da - das kann für den Verein nur gut sein.
Wie so oft bei Absteigern, blieb in Würzburger in diesem Sommer kaum ein Stein auf dem anderen. 19 (!) Spieler haben den Klub verlassen. Was Magath dabei für Knaller unglaubliche Knaller eingetütet hat, zeigt durchaus der Aspekt, dass gerade einmal fünf dieser Spieler - Stand 20. Juli 2021 - einen neuen Verein gefunden haben (plus die beendete Leihe von Marvin Pieringer). Rolf Feltscher (MSV Duisburg) und Dominic Baumann (FSV Zwickau) wurden hier bereits in den vorherigen Beiträgen erwähnt, zudem wurde Patrick Sontheimer gestern bei Viktoria Köln vorgestellt. Zwei Spieler konnten derweil in der 2. Bundesliga bleiben: Ridge Munsy, mit sieben Saisontoren bester Angreifer der Kickers im Vorjahr, geht nun für Hansa Rostock auf Torejagd, Frank Ronstadt konnte sich für einen Vertrag beim SV Darmstadt bewerben. Die übrigen 13 (!!!) Abgänge sind noch vereinslos, als da wären: Chris David, Martin Hasek, Ewerton, Arne Feick, Umut Ünlü, Douglas, Rajiv van La Parra, Eric Verstappen, Stefan Maierhofer, Fabian, Giefer, Luke Hemmerich, Hendrik Hansen und Lion Schweers.
Auffällig bei den bisherigen acht externen Neuzugängen: Würzburg setzt auf die Jugend. Fanol Perdedaj ist mit seinen 30 Jahren der mit Abstand älteste Transfer, der Rest ist maximal 23. Der zentrale Mittelfeldspieler kam vom 1. FC Saarbrücken, sammelte früher aber auch schon einige wenige Spiele Erfahrung in der Bundesliga bei Hertha BSC. Ansonsten kamen zahlreiche Spieler aus den Talentschmieden der Profiklubs - wie zum Beispiel Linksverteidiger Alexander Lungwitz (Greuther Fürth, im Vorjahr an Bayern II ausgeliehen), Innenverteidiger Leon Schneider per Leihe (1. FC Köln II, im Vorjahr an den KFC Uerdingen ausgeliehen), Rechtsverteidiger Dennis Waidner (Bayern II), Ryan Adigo (Borussia Mönchengladbach II) oder Angreifer Dildar Atmaca aus der U19 von Arminia Bielefeld. Zudem wechselte Moritz Heinrich, der mit 23 Jahren schon etwas Drittliga-Erfahrung besitzt, von der SpVgg Unterhaching an den Dallenberg. Spannend ist auch die Rückkehr des Eigengewächses Maximilian Breunig. Der Mittelstürmer war in der Vorsaison an Admira Wacker Mödling ausgeliehen und schoss immerhin fünf Tore in der österreichischen Bundesliga. Würzburg hat nach den Zweitvertretungen die jüngste Mannschaft der Liga.
Nachdem sich Santelli und Schuppan nach dem Saisonende wieder von der Profi-Trainerbank verabschiedeten, mussten die Kickers natürlich auch hier (wieder einmal) nach einer neuen Lösung suchen. Die Wahl fiel schließlich auf Torsten Ziegner. Der 43-Jährige kennt die 3. Liga bestens, war er doch von 2012 bis 2018 Trainer beim FSV Zwickau und danach bis 2020 beim Halleschen FC. Zumeist erzielte er bei seinen Vereinen gute Ergebnisse, doch nach einer beispiellosen Talfahrt in Halle Anfang 2020 wurde Ziegner dort von seinen Aufgaben entbunden. Ein Zweitliga-Engagement kam in der Folge nicht zustande, dementsprechend ist Ziegner nun zurück in der 3. Liga. Dort muss er den neuen Haufen erst einmal zusammenwürfeln - aber immerhin steht ihm dabei auch eine solide Achse zur Verfügung, die schon im Vorjahr dabei war - um Torhüter Hendrik Bonmann, Innenverteidiger Christian Strohdiek und Lars Dietz sowie den offensiveren David Kopacz.
Fazit: Die Kickers haben im letzten Jahr ein katastrophales Bild auf nahezu allen Ebenen abgegeben, was auch in der Stadt, in der der Klub seit Jahren um größere Anerkennung kämpft, der öffentlichen Meinung nicht wirklich zuträglich war. Die Transferaktivitäten dieses Sommers legen allerdings nahe, dass der Verein begriffen hat, dass er sich auf alte Stärken besinnen und mit einem anderen sportlichen Konzept an die Arbeit gehen sollte. Der direkte Wiederaufstieg kann nach einem derartigen Seuchenjahr nicht das Ziel sein und ist es auch nicht. Vielmehr sollen die jungen Spieler eine Mannschaft bilden, die es auch vermag, das Umfeld wieder begeistern zu können. Dass Ziegner ein guter Trainer ist, hat er über Jahre in der 3. Liga bewiesen. Damit sollte es möglich sein, dass die Kickers sich sorgenfrei wieder akklimatisieren können. Mehr als Platz 9 ist aber nicht drin.