Vega
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TSV 1860 München
Vor einem Jahr hatte ich die Münchner Löwen zum Titel in der 3. Liga geschrieben. Nach einem starken vierten Platz 2020/21 sowie einem kaum veränderten Kader mitsamt des zuvor überragenden Torschützenkönigs Sascha Mölders galt 1860 für viele Drittliga-Beobachter als Topfavorit auf den Aufstieg. Doch wie es häufig so ist: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Der Traditionsverein aus Giesing legte einen äußerst stotternden Start in die Saison hin, an den ersten zwölf Spieltagen gewann man lediglich zweimal, stattdessen gab es gleich sieben Punkteteilungen. Nach dem 13. Spieltag war an einen Aufstieg nicht mehr zu denken - 1860 lag auf Platz 15. Trainer Michael Köllner durfte dennoch weitermachen, zum großen Knall kam es trotzdem: Kurz vor der Winterpause wurde Publikumsliebling Mölders suspendiert.
Eine Entscheidung, die sich im Nachhinein wohl als goldrichtig erweisen sollte. Denn ohne Mölders, der sich offenbar auch ein paar Freiheiten zu viel herausgenommen hatte, kam die Mannschaft endlich ins Rollen und startete zum ersten Mal in der Saison eine Siegesserie. Die weitestgehend guten Ergebnisse setzten sich auch in der Rückserie fort. So konnten die Löwen eine Aufholjagd in der Tabelle starten - weil es zwischendurch aber auch immer mal wieder eine Niederlage setzte, war der Rückstand des Saisonstarts eine zu hohe Bürde. Aber immerhin: 1860 rückte noch auf den vierten Platz vor und der ist in der 3. Liga alles andere als undankbar, weil er zur Qualifikation für den DFB-Pokal berechtigt - den die Löwen sonst verpasst hätten. Maßgeblichen Anteil an der starken Rückserie hatte Marcel Bär, der nach dem Mölders-Aus in die Bresche sprang und mit 21 Toren Torschützenkönig der 3. Liga wurde. Allein 15 Treffer gelangen in der Rückserie. Gemeinsam mit Stefan Lex (sechs Tore, 15 Vorlagen) bildete er in der Endphase ein herausragendes Duo.
Ich hatte bereits die deutlich ausgesprochenen Aufstiegs-Ambitionen von Waldhof Mannheim angesprochen. In diese Reihe fügen sich in diesem Sommer auch die Löwen ein, denn Köllner machte im Sommer klar: Der Aufstieg soll her. Und dafür hat sich der Verein erneut einen guten Kader zusammengebastelt, auch wenn einige Abgänge schwer wiegen. Zu nennen wäre da insbesondere die Schaltzentrale im Mittelfeld: Sowohl Richard Neudecker (1. FC Saarbrücken) als auch Dennis Dressel (Hansa Rostock) haben den Verein verlassen. Dressel war 20/21 überragend und wollte den Verein eigentlich damals schon verlassen - 1860 legte aber aufgrund höherer Ablöseforderungen ein Veto ein. Nun hat es für den 23-Jährigen doch mit dem Sprung in die 2. Liga geklappt. Der Abgang von Neudecker zu einem direkten Konkurrenten verwunderte indes schon. Durchaus vermerkbar sind auch die Abgänge von Innenverteidiger Stephan Salger, der nun beim 1. FC Köln II kürzer tritt, und Merveille Biankadi, dessen Leihe vom 1. FC Heidenheim ausgelaufen ist. Dass Johann Ngounou Djayo (Wacker Burghausen), Tim Linsbichler und Keanu Staude (beide vereinslos) sowie Kevin Goden, Maxim Gresler und Marco Mannhardt (alle zweite Mannschaft) nicht mehr zum Kader gehören, ist verkraftbar. Goden hat andere Ansprüche, ist aussortiert worden und trainiert deshalb nicht mehr mit den Profis.
Zugleich hat 1860 aber auch selbst ordentlich auf dem Transfermarkt zugeschlagen. Ins Auge fallen dabei vor allem die bereits angesprochenen Verpflichtungen aus Mannheim: Vom Waldhof kamen Offensivmann Joseph Boyama und Innenverteidiger Jesper Verlaat, der zu den besten Abwehrspielern der vergangenen Saison gehört. Auch sonst schlugen die Münchener vorrangig bei letztjährigen Drittligisten zu: Christopher Lannert (SC Verl) gehört zu den besseren Rechtsverteidigern der Liga, von Türkgücü München kamen Tim Rieder, der bereits 2019/2020 in Giesing spielte, sowie Albion Vrenezi. Einer der besten Fußballer der Liga dürfte seit Jahren Martin Kobylanski sein, der sich aber auch gerne mal allzu sehr auf sein Talent verlässt oder nachlässig auftritt. Er spielte zuletzt bei Eintracht Braunschweig. Im Sturm sicherten sich die Löwen die Dienste von Meris Skenderovic (Schweinfurt 05) und Fynn Lakenmacher. Der 22-Jährige war heiß umworben, nachdem er wohl der beste Spieler in der Vorsaison bei Absteiger TSV Havelse war. In 36 Spielen erzielte er fünf Tore, präsentierte sich regelmäßig sehr auffällig. Neben Talenten aus der eigenen Jugend wurde zudem noch Torhüter Julius Schmid (VfB Lübeck) verpflichtet, Marco Hiller ist aber unzweifelhaft weiterhin die Nummer eins.
Der Kader der Löwen hat weiterhin reichlich Qualität, die Transfers finde ich fast ausnahmslos sehr gut. Es bleibt lediglich abzuwarten, wie die Abgänge von Neudecker und Dressel kompensiert werden, hier sehe ich das größte Fragezeichen. Nicht ganz sicher bin ich, ob Bär noch einmal eine solche Halbserie wiederholen kann: Zuvor war er immer ein guter und fleißíger Drittliga-Stürmer, aber dieser Torriecher der Rückrunde war schon neu. Kobylanski ist in Form und Lust ein absoluter Unterschiedsspieler und kann ebenfalls mit Toren aushelfen wie auch Vrenezi oder Boyamba. Ich lehne mich nicht so weit aus dem Fenster wie im Vorjahr, dennoch spielt 1860 23/24 in der 2. Bundesliga. Denn nach Platz 3 wird die Relegation gewonnen.