Los geht's!
SpVgg Bayreuth
Rückblick: 4. September 2018. Die SpVgg Bayreuth legt in der Regionalliga Bayern einen katastrophalen Saisonstart hin, nach neun Spieltagen stehen die Oberfranken mit vier Zählern abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz. Wenige Monate zuvor gelang nur mit Ach und Krach der Klassenerhalt in der Relegation gegen den TSV Aubstadt - dank der Auswärtstorregel nach zwei Unentschieden. Diesmal scheint es noch deutlich enger zu werden. Als Reaktion auf den verkorksten Start entlässt der Verein Trainer Josef Albersinger - Nachfolger wird der ehemalige Bundesliga-Profi Timo Rost (Energie Cottbus). Eine Entscheidung, die sich als goldrichtig erweisen sollte.
Unter Rost gelingt Bayreuth die Wende - und wird im Laufe der Zeit eine Spitzenmannschaft. Das Team legt eine Serie hin und beendet die Spielzeit auf dem neunten Tabellenplatz, der Klassenerhalt ist frühzeitig eingetütet. In der Doppelsaison 2019/2021 spielt Bayreuth bereits oben mit und wird schließlich Tabellenvierter. Die Krönung folgte in der vergangenen Saison. Bayreuth legte eine furiose Saison hin, wurde am Ende hochverdient Meister und kehrte zurück in den Profifußball, wo man zuletzt 1990 in der 2. Bundesliga gespielt hatte. Kurz ein paar Daten zur bemerkenswerten Saison: In 38 Spielen holte die Mannschaft 93 Punkte, der Tabellendritte Wacker Burghausen hatte am Ende 29 (!) Zähler Rückstand. Zwischen Oktober und April blieb das Team sechs Monate ungeschlagen. Die erste Auswärtsniederlage gab es am wertlosen letzten Spieltag (2:5 in Buchbach), zuvor gewann man 16 Spiele und holte zwei Unentschieden auf fremdem Terrain. Dennoch war der Meisterschaftskampf lange offen, denn auch die zweite Mannschaft von Bayern München spielte eine starke Saison. Ein klarer 4:0-Erfolg vor über 10.000 Zuschauern im Spitzenspiel am Ostermontag sorgte aber für deutliche Verhältnisse. Eine beeindruckende Kulisse - zur Wahrheit gehört aber auch, dass sich ansonsten oft nicht einmal 1000 Zuschauer im Hans-Walter-Wild-Stadion einfanden. Am Abend des Kantersieges kam es noch zur schlimmsten Geschichte der Saison, als drei Bayreuther Spieler in der Innenstadt brutal ins Krankenhaus geprügelt wurden. Auch dadurch war wohl die anschließende 0:4-Niederlage gegen Schlusslicht Rosenheim zu erklären - am Ende ließ sich Bayreuth aber auch von diesem schockierenden Zwischenfall nicht mehr ausbremsen.
Wie so oft kam nach der Party allerdings auch der große Kater. In den letzten Wochen der Saison mehrten sich bereits die Gerüchte, dass Timo Rost den Verein am Saisonende verlassen würde, und das wurde schließlich nach dem Aufstieg auch bestätigt. Rost ist zwar nun ebenfalls in der 3. Liga unterwegs, steht aber bei Zweitliga-Absteiger Erzgebirge Aue an der Seitenlinie. Und zur Krönung nahm der Nun-Ex-Trainer auch noch zwei Leistungsträger der abgelaufenen Spielzeit mit nach Sachsen: Tim Danhof und Ivan Knezevic taten es Rost gleich. Danhof, der auf der rechten Seite unterwegs ist, steuerte in der letzten Saison 20 Scorerpunkte (fünf Tore, 15 Vorlagen) bei, Knezevic, der in der Offensive nahezu alle Positionen spielt, war sogar an 22 Treffern unmittelbar beteiligt (neun Tore, 13 Vorlagen). Die Vorgehensweise von Rost sorgte in Bayreuth für wenig Verständnis, der Geschäftsführer kritisierte den Ex-Trainer sogar deutlich. Dem Vernehmen nach wollte Rost auch Mittelfeldspieler Benedikt Kirsch und Topscorer Alexander Nollenberger (13 Tore, 14 Vorlagen) mit ins Erzgebirge nehmen, beide konnten jedoch gehalten werden. Weniger ins Gewicht gefallen sind dagegen die Abgänge von Routinier Anton Makarenko (in die Landesliga), David Pfeil (vereinslos) und Chris Wolf (Karriereende), so dass der Kern des Aufstiegs-Kaders doch zusammengeblieben ist.
Aufmerksamen Lesern dieses Textes dürfte aufgefallen sein, dass Bayreuth im Sommer einen neuen Trainer benötigte. Diesen fand der Verein schließlich etwas überraschend in Thomas Kleine. Der ehemalige Innenverteidiger, der vor allem viele Jahre für Greuther Fürth spielte, aber auch bei Bayer Leverkusen, Borussia Mönchengladbach und Hannover 96 unter Vertrag stand, war zuletzt fünf Jahre Co-Trainer bei Fortuna Düsseldorf. Erfahrung als Cheftrainer einer Herrenmannschaft sammelte Kleine zwischen 2015 und 2017 bei der zweiten Mannschaft von Fürth, die dritte Liga ist für ihn aber wie für den Großteil der Mannschaft ebenfalls Neuland.
Den Abgängen stehen Bayreuth bis dato sieben Neuzugänge gegenüber. Während Stürmer Felix Landgraf aus der eigenen Jugend aufrückte, suchte der Verein offensichtlich nach Akteuren, die zumindest etwas Drittliga-Erfahrung mitbringen. Für die rechte Seite - als Danhof-Ersatz - kamen Moritz Heinrich (Würzburger Kickers) und Luke Hemmerich (Preußen Münster). Heinrich ist dabei eher der offensivere Part, während Hemmerich in der Regel als Rechtsverteidiger spielt. Mit 129 Einsätzen (13 Tore) ist Heinrich in jedem Fall mit deutlichem Abstand der Spieler im Bayreuther Kader mit der meisten Drittliga-Erfahrung, Hemmerich lief hier 49 Mal auf. Ebenfalls neu im Team sind Martin Thomann (1. FC Schweinfurt), der mit muskulären Problemen allerdings fast die ganze letzte Saison verpasste, Youngster Patrick Scheder (Carl Zeiss Jena) und Eroll Zejnullahu. Der offensive Mittelfeldspieler galt einst bei Union Berlin als großes Talent, stand immerhin auch schon 79 Mal in der 2. Bundesliga auf dem Rasen. In den letzten Jahren konnte er seine Vorschusslorbeeren aber nicht mehr bestätigen, nach einer Station beim Berliner AK in der Regionalliga Nordost könnte das nun seine letzte Chance im Profifußball sein. Außerdem wechselte Tim Latteier vom 1. FC Nürnberg nach Oberfranken, der Mittelfeldmann gehörte zwar offiziell zum Profikader des Clubs, spielte im Vorjahr aber nur in der Regionalliga-Reserve.
Was hat der Kader sonst zu bieten? Innenverteidiger Felix Weber war einst Kapitän bei 1860 München und stieg mit den Löwen in die 3. Liga auf. Nicolas Andermatt, im zentralen/defensiven Mittelfeld zu Hause spielte zwei Jahre für den SV Meppen, kam aufgrund seiner eklatanten Geschwindigkeitsdefizite in der 3. Liga trotz aller fußballerischer Qualität regelmäßig an seine Grenzen. Qualität bringt Offensivmann Daniel Steininger mit, der in Fürth, Magdeburg und Regensburg rund 50 Mal jeweils in der 2. und 3. Liga auflief. Bekanntester Spieler aus dem bisherigen Kader dürfte aber Markus Ziereis sein. Der 29-jährige Angreifer ist in der Regionalliga Bayern schon fast eine Art Legende, knipst er dort doch Jahr für Jahr herausragend. Er stieg mit Regensburg, 1860 und nun Bayreuth auf, in 126 RL-Bayern-Spielen schoss er 78 Tore, auch im Vorjahr war er mit 21 Treffern der beste Knipser Bayreuths. Es gibt nur ein Problem: In der 3. Liga konnte Ziereis seine Torjäger-Qualitäten noch nie unter Beweis stellen. In immerhin 58 Einsätzen steht ein jämmerliches Tor zu Buche, natürlich viel zu wenig für einen typischen Angreifer wie er es ist. Doch wer weiß: Vielleicht platzt ja der Knoten, wenn er weiterhin das unumstrittene Vertrauen genießt.
Kleiner Randaspekt: Die Kapazität des Hans-Walter-Wild-Stadion wird derzeit noch mit 21.000 Zuschauern angegeben - ist aber deutlich veraltet. Das Stadion war bis dato nicht komplett drittligatauglich, der Verein muss(te) einige Bedingungen erfüllen. Der Klub zeigte sich zuletzt zwar optimistisch, dass die nötigen Voraussetzungen rechtzeitig geschaffen sein werden. Sollte der DFB allerdings nicht sofort grünes Licht geben, müsste Bayreuth zunächst ausweichen - und zwar in das fast 200 Kilometer entfernte Steigerwaldstadion von Rot-Weiß Erfurt.
Ich freue mich auf die Spielvereinigung Bayreuth, weil der Verein einen neuen Farbtupfer in die Liga bringt und die wenigsten Teams in den letzten 30 Jahren auch nur ansatzweise Berührungspunkte mit den Oberfranken hatten. Bleibt zu hoffen, dass auch wirklich dauerhaft in Bayreuth gespielt werden kann. Der Klub spielte eine beeindruckende Aufstiegs-Saison, musste aber in Danhof, Knezevic und natürlich allen voran Rost drei wesentliche Eckpfeiler des Erfolges ziehen lassen. Kleine als neuer Coach ist für mich schwer einzuschätzen, immerhin bringt er reichlich Erfahrung als Spieler mit. Dennoch bin ich vom Team auf Drittliga-Niveau nicht wirklich überzeugt, die RL Bayern gehört ja auch tendenziell zu den schwächeren Ligen in der Breite - auch wenn die Aufsteiger aus Bayern eigentlich zumeist gute Ergebnisse erzielt hatten. Wenn Ziereis nicht plötzlich zum guten Drittliga-Stürmer wird, dann könnte es in der Offensive eng werden, auch Nollenberger muss sich an das Niveau erst einmal gewöhnen. Weber und Andermatt kennen zwar die Liga, haben aber Tempodefizite. Bayreuth ist für mich ein klarer Abstiegskandidat, nach einem Jahr ist wieder Schluss. Platz 20.