nirgendwo sonst im deutschen Fernsehen werden aktuelle Ereignisse und gesellschaftliche Entwicklungen so pointiert einem Millionenpublikum nahegebracht wie im von RTL angemieteten australischen Dschungel. Stand die Staffel des vergangenen Jahres noch ganz im Zeichen der durch soziale Netzwerke ausgelösten Identitätsdebatte (Wie echt sind Menschen und deren Gefühle auf Bildschirmen?) ist vom diesjährigen Dschungelcamp nicht weniger zu erwarten als ein Anstoß für die stagnierende Debatte um den Bundespräsidenten. Naja, möglicherweise.
Anknüpfungspunkte gäbe es wahrlich genügend: Bei der Mehrzahl der diesjährigen Kandidaten handelt es sich um Menschen, die trotz durchschnittlicher Fähigkeiten nach höchsten Weihen streben und dafür jede Peinlichkeit in Kauf nehmen. Sie sind strauchelnde Aufsteiger, die vom bürgerlichen Glück träumen. Allesamt befinden sie sich in finanziell prekärer Lage und könnten kompetent über Probleme des Kreditwesens Auskunft geben. Und sie werden von der Öffentlichkeit schon lange nicht mehr für voll genommen - kämpfen jedoch verzweifelt um ihre Würde, beziehungsweise um deren Anschein.
Zweifellos werden sich die Dschungel-Insassen vor laufender Kamera um Kopf und Kragen reden, Versprechen abgeben und diese nicht einhalten, Privates preisgeben und verheimlichen und sich mehr oder weniger spannenden Prüfungen in der Öffentlichkeit unterziehen.
Klar, es kann sein, dass im australischen Dschungel kein einziges Wort über Wulff fallen wird. Durchaus möglich, dass die Zuschauer sich diesmal mit einer schrecklich langweiligen Ansammlung schrecklich langweiliger Menschen konfrontiert sehen, die einfach nur um ein Lagerfeuer hocken, wenig reden und nichts tun. Falls es anfangs so aussehen sollte: Lassen Sie sich nicht abschrecken! Denn höchstwahrscheinlich wird sich auch diesmal wieder eine vollkommen unabsehbare Handlung ergeben - eine echte Tragödie im falschen Urwald.