Dass die Balance noch nicht richtig stimmt, ist zweifellos richtig. Einige Dinge in dem Artikle passen für mich aber nicht so wirklich zusammen:
Erst wird moniert, dass Deutschlands Gruppenphase 2014 nicht überzeugend war (wobei da für mich das 4:0 zum Auftakt gegen Portugal als "looked more convincing than it was" hingestellt wird, um die eigene Grundthese zu stützen. Wenn man zum Auftakt einen stark eingeschätzen Gegner so wegfidelt, gibt es rein gar nichts zu beanstanden, das ist für mich ziemlicher Quark). Danach schreibt man
"It wasn’t until the quarter-final that Germany found the way of playing that would take it to the crown," Jonathan Wilson wrote for Sports Illustrated after the Poland match. "The oddity, though, is that having found the solution then, it seems to have been misplaced again at some point over the past two years."
. Das passt nicht wirklich zusammen.
Denn schaut man sich mal die Gruppenphasen der späteren Turniersieger allein der letzten 10 Jahre an, so ist die logische Schlussfolgerung eher eine andere: Aufstellungen, Spielweise und Leistung der Gruppenphasen haben mit den KO-Spielen einfach nicht so wahnsinnig viel zu tun. Ausgenommen 2008 hat der Turniersieger kein einziges Mal von der Gruppenphase an dominiert. Da wurde sich grundsätzlich durchgemogelt und sehr pragmatisch auf Platzierung gespielt, dazu weiß zu Beginn eines Turniers eh kein Team, wo es so wirklich steht. Gegner stehen ärgerlicherweise auch noch auf dem Platz.
Gerade wenn man sich D anguckt, sowohl 2014 als auch bei anderen Turnieren, weiß man doch ziemlich genau, dass Gruppenphasen eigentlich immer ähnlich ablaufen wie auch aktuell. Es ist in meinen Augen auch kein Anzeichen von großer Kenntnis, wenn man sich darüber wundert, dass die Spielweise der KO-Runden 2014 nicht beibehalten wurde. Die war extrem auf die Bedingungen in Brasilien und die eigene Personalsituation ausgerichtet - als Blaupause für die Jahre danach war das doch völlig untauglich.
Die aktuellen spielerischen Probleme werden ja richtig angesprochen. Dass die Balance Defensive/Offensive noch nicht stimmt, ist ja offensichtlich: entweder ist die Rückwärtsbewegung nicht in Ordnung oder aber das Offensivspiel ist zu träge. Klar muss das besser werden, es sind aber eben auch erst zwei Matches gespielt. Man wird sehen, ob das Team das noch hinbekommt.
Der Querverweis auf 2014 ist aber Unsinn. Das hat im Falle D einfach nichts miteinander zu tun, weder im positiven Sinn (wurde da ja noch recht prima), noch im negativen. Die Ausgangs- und Auftragslagen sind einfach nicht vergleichbar. Und es ist eben auch nicht sinnvoll, aus den ersten Spielen einer Gruppenphase auf den Turnierverlauf zu schließen. Bei D nicht und bei anderen Teams auch nicht. Solche Schlüsse haben noch nie gestimmt.
So etwas wie
it's highly questionable whether Germany can keep the ball should they face a Spain side that looks frighteningly comfortable so far, or whether it would be enough to break down a solid defensive side such as Italy.
sind doch auch Binsenweisheiten. Das könnte man Wort für Wort genau so anbringen, hätte D jetzt zweimal 4:0 gewonnen. Die letzten Spiele gegen ESP und ITA wurden zudem gewonnen, gegen Italien sogar erst kürzlich und ziemlich klar - waren aber nur Testspiele. Und nu? Sagt genau so viel oder wenig über die Chancen in einem etwaigen KO-Spiel aus, wie die ersten Turnierspiele aller drei Teams, nämlich nichts.