Gehört es nicht auch zu den Fähigkeiten eines Spitzentrainers mit divenhaften Stars umzugehen? Diese Frage haben Kovac-Skeptiker ja schon bei seiner Verpflichtung gestellt, seine Zeit als kroatischer Nationaltrainer scheint ja genau daran gescheitert zu sein. Große Trainer können die Stars bei Laune halten, hat man ja letztes Jahr bei Heynckes gesehen.
Die Eskalation in der Causa James hat aber nicht nur Kovac zu verantworten. Schon letzte Saison war Heynckes der einzige, der einen Zugang zum Kolumbianer hatte. Von der Vereinsführung (Hoeneß!) war da mehr Misstrauen als Unterstützung zu spüren. Da hatte ich schon das Gefühl, dass der Verein nicht alles tut, um den Spieler in die Bayern-Familie zu integrieren.
Ich versteh das einfach nicht, nicht nur sportlich scheint mir James ein Spieler zu sein, der diesen Schuss Genius hat, den man sehen will, wenn man sich Bayern München anschaut. Wir sind ein Weltverein und sollten mit schillernden Figuren (nicht nur Spieler) umgehen können. Wenn ich Malocherfußball sehen will, kann ich auch woanders hingehen. Dazu kommt, dass James auf dem amerikanischen Kontinent einer der populärsten Spieler überhaupt ist. Warum nutzt man dieses Potential nicht, wo doch Amerika eines unserer strategischen Hauptziele auf den internationalen Märkten ist?
Weder sportlich noch kaufmännisch ist für mich der Umgang mit James nachvollziehbar. Schon letzte Saison hätte man voll auf ihn setzen sollen, und ihm eine Perspektive für eine glänzende Karriere bei uns aufzeigen. Heynckes hat das geschafft und auch auf dem Platz, trotz Flügeldogma, eine tragende Rolle für ihn gefunden. Kovac kann oder will das nicht und leider kommt von der Vereinsspitze auch nicht die Unterstützung, wie sie andere, sportlich schwächere, Spieler bekommen.
Man hat den Spieler ohne Not demotiviert, jetzt zickt er rum, was mich auch nervt, klar. Für die Kohle soll er seinen Job machen, aber das sind nun mal junge Menschen aus verschiedenen Kulturen, alle mit einem großen Ego ausgestattet. Menschenführung gehört zu den Kernkompetenzen eines Chefs. Leider geben da weder Kovac, noch Brazzo, noch Hoeneß eine gute Figur ab. Sammer hat man nicht mehr, Hermann und Gerland wirken außen vor oder haben zu wenig Einfluss.
Der Fall James zeigt auch den Mangel an Vision des FCB auf. Will man sich als Weltverein behaupten oder gibt man sich mit der nationalen Dominanz zufrieden? Aber wozu braucht man dann all das Geld und die weltweite Vermarktung, wenn einem Spieler wie James zu divenhaft sind (geht nicht an Dich persönlich Solomo, Deine Ansicht teilen ja viele Fans), der Verein ist doch keine Bank, oder wie war das?
Zwei Aeren (Aerae?
) des FCB gehen zu Ende. Die einer großen Mannschaft mit CL-und WM-Siegern und die überaus erfolgreiche Ära Hoeneß. Es braucht neue Leute in der Führung, mit einer breiten Basis im Verein, um eine neue Vision aufzubauen, wohin man als Bayern München will. Zwar sehe ich da momentan aus der Ferne niemand, potentielle Kandidaten hat man ja vergrault, bin mir aber sicher, für einen so großen Club wird es kein Problem sein, geeignete Leute für alle Jobs zu finden. Aber dazu muss Hoeneß seinen Stuhl räumen. Das macht er aber nicht, weil er sieht, dass er es versäumt hat, rechtzeitig die Nachfolge zu regeln. Er hat Sorge, dass ein sofortiger Rücktritt von ihm ein Machtvakuum und Chaos zur Folge hätte, ohne ihn geht's nicht. Und so taumelt der Verein weiter, bis es vielleicht zu einem großen Knall kommt.
Aber selbst wenn, auch ein Hoeneß ist nicht größer als der Verein. Dann wählen halt die Mitglieder einen neuen Vorstand, der holt einen kompetenten Sportmanager, gibt ja genug gute Leute, Eberl, Lahm, meines Erachtens kann man sich da auch international nach Fachleuten umschauen. Ein neuer "Board" sucht dann einen Trainer und passende Spieler aus. Rummenigge könnte diesen Prozess als Präsident mitgestalten, Hoeneß traue ich das nicht mehr zu. Wir benötigen wieder mehr sportliche Kompetenz und Professionalität.