Wenn ich mir Brazzos bisherige Transferbilanz anschaue, finde ich die Bilanz relativ durchwachsen. Die ersten Transfers für die Saison 2017/18 wurden ja schon Monate vor seiner Berufung zum SD finalisiert, die zähle ich nicht mit (Tolisso, Gnabry, Rudy, Süle). Ich würde unter Berücksichtung der Ablösen und Erwartungen an die Spieler die Einkäufe ungefähr so benoten:
2017:
James - 4
Wagner - 3
2018:
Davies - 1
Goretzka - 1
2019:
Hernandez - 3,5 (Leistungen ok, aber viel zu teuer)
Pavard - 3 (letzte Saison stark, diese eher mau, insgesamt für den Preis ok)
Cuisance - 4
Coutinho - 4
Perisic - 2
Arp - 6
Odriozola - 5
2020:
Sané - 3
Roca - 4
Nianzou - ohne Wertung
Sarr - 5
Costa - 5
Nübel - 3
Choupo Moting - 3
Dantas (Trainerwunsch) - 4
Macht insgesamt eine 3-4, nimmt man öffentlich gemachte, aber dann nicht geschehene Transferwünsche wie Hudson Odoi und Dest dazu, ist es eine 4.
Bei den Verkäufen kann man nicht meckern. Die erzielten Summen waren jeweils marktgerecht, bei Bernat sicher zu niedrig, dafür bei Costa klar über Wert. Ansonsten passte das soweit. Bei den Ausleihen junger Spieler wurden zu dem jeweiligen Zeitpunkt sinnvolle Clubs ausgewählt.
Da würde ich eine 2,5 geben. Keine Sensationen dabei, aber völlig in Ordnung.
Vertragsverlängerungen:
Kimmich, Müller, Lewa, Coman und Musiala wurden rechtzeitig und geräuscharm verlängert, die Gehälter scheinen dem Standing zu entsprechen. Thiago war nicht machbar, der wollte nunmal gehen. Neuer hat geklappt, Alaba nicht, das öffentliche Tohuwabohu war unwürdig. Gilt auch aktuell für Boa.
In der Sache ok, wobei auch da keine Sensationen dabei waren, aber solide. Von mir eine 3. In Sachen Diskretion und Außendarstellung eine 4- .
Jugendarbeit
Mit ihm fing ja auch Sauer an, Neppe wurde zeitgleich mit Brazzos Amtsantritt zum Chefscout befördert. Das NLZ hat ja auch schon vorher seinen Dienst aufgenommen und trägt mittlerweile ja auch Früchte. Trotzdem ist der SD oder Sportvorstand ja am Ende verantwortlich und da muss man sagen, dass es unter Brazzo gut läuft. Es werden mehr ausländische Talente geholt und wirklich enttäuscht hat eigentlich keins davon. Und wenn z.B. ein Zirkzee dann 10 Mio oder so an Ablöse bringt, hat sich die Arbeit schon ganz gut refinanziert.
Ist sicher nicht alles Brazzos Verdienst, aber die Jugendarbeit läuft und da gebührt ihm als "Head of Sports" dann auch Lob. Er scheint auch offen für neue Ansätze und verändertes Scouting zu sein und stützt da Kreativität durchaus. An sich Note 2.
Manko: das Transfermanagement samt Trainerfindung bei den Amas letztes Jahr. Das lief gar nicht und da wurde leichtfertig die wichtige Dritligazugehörigkeit aufs Spiel gesetzt. Darum am Ende 2,5.
Öffentlichkeitsarbeit
Die viel zu öffentlichen Vertragsgespräche, das viel zu öffentliche eigene Interesse an Spielern, die mangelnde Kommunikation mit den Clubs begehrter Spieler, die allgemeine Darstellung des Clubs, jetzt das eiserne Schweigen während der medialen Diskussion um Flick als neuen Bundestrainer ... das ist eines internationalen Top 5 Clubs und nationalen Branchenführers nach wie vor in allen Belangen unwürdig. Das kann man leider nicht netter sagen. In dieser Beziehung agiert Brazzo auch im vierten Jahr eher auf KFC Uerdingen, denn auf Real Madrid Niveau.
Note 5 -. Brazzo hat in Sachen PR und Außendarstellung noch keine einzige Situation für den Verein gerettet, begradigt oder auch nur effektiv beruhigt, dafür aber eine ganze Menge verschuldet oder verschlimmert.
Insgesamt ist das nicht mehr als ein "ausreichend" im Zeugnis. Für einen Verein, der eigentlich immer eine "1", mindestens aber eine "2" in ausnahmslos allen relevanten Bereichen für sich beansprucht, ist das in einer Vorstandsposition für mich einfach nicht gut genug. Und nach fast 4 Jahren kann es auch keinen Welpenschutz mehr geben (den es in unserer Position eigentlich auf den von ihm bekleideten Position von Tag 1 an nicht geben darf).
Und darum sage ich bei allem Respekt für seine Verdienste um den Verein: Salihamidzic hat weder die fachliche, noch die soziale und medienkommunikative Kompetenz und bei der Bewertung seiner bisherigen Arbeit auch nicht die notwendige Performance im Tagesgeschäft (strategisch durch den Teilaspekt Nachwuchsarbeit gerade eben so), um in einem Verein wie dem FC Bayern Sportvorstand oder Sportdirektor zu sein.
Darum bin ich, selbst wenn Flick bleibt, der festen Überzeugung, das Brazzo auf seiner jetzigen Position letztlich nichts beim FCB verloren hat. Es reicht am Ende einfach hinten und vorne nicht, um ein (branchenspezifisch) Weltunternehmen in so prominenter Funktion mit zu führen. Und ich glaube, dass es auch nie dafür reichen wird.