Warum werde ich das Gefühl nicht los, dass du leicht Vettel-Pro bist? Wieder hat Vettel einen Start verbockt, wieder hat seine Strategie trotz taktischer Vorteile nicht hingehauen. Wie Webber schon selbst im Interview sagte: Er wusste nach dem ersten Stop ganz genau, was zu tun war. Warum kann das die Vettel-Crew nicht auch? Für mich ist diese Bewertung wieder viel zu rosa - sorry.
Mit dem Gefühl liegst du nicht richtig.
Ich mag Vettel nicht besonders, mit seinem Dauergrinsen geht er mir mittlerweile schon leicht auf die Nerven. Wobei er allerdings keine Schuld darin hat, dass man bei RTL versucht ihn als Schumacher-Nachfolger aufzubauen und ihn an allen Ecken und Enden glorifiziert. Dass RTL wieder die "Die gehen mir grad unheimlich auf den Sack"-Schiene fährt ist nicht Vettels Schuld.
De facto sieht es vielmehr so aus, dass ich einer derer bin, die Mark Webber anfeuern (der Platz in den Punkten damals im Minardi in Melbourne ... das war großartig), weswegen ich mich über sein Podium und sein abschneiden vor Vettel sehr gefreut hab.
Andererseits hab ich mich geärgert, dass Vettel noch vor Massa gekommen ist. So langsam hätte ich es der Ferrari-Truppe gegönnt einen Lohn für die Arbeit einzufahren. Nun haben sie am Ende doch wieder einen Rüffel für ihre Pannen gekriegt.
Dennoch, ich bin nicht der Ansicht, dass Vettel "den Start verbockt" hat. Barrichello neben ihn ist fantastisch gestartet. So exzellent, dass er auch Button schnupfte. Vettel ist nicht fantastisch gestartet ... klar ... aber auch nicht mies, wie Glock beispielsweise. Button ist "normal" gestartet, war aber auf der sauberen Seite. Ein vorkommen war da für Vettel also sowieso nicht drin. Und gegen Barrichello auf der sauberen Seite sah es für Vettel auch nicht gut aus. Um vor diesem zu bleiben hätte er auch fantastisch starten müssen. Aber nur weil er das nicht tat, hat er den Start verbockt? Seh' ich nicht so.
Und gegen Massa ... tja ... der ist ähnlich gut weggekommen wie Vettel. Aber im gesamten Rennkalender war der Weg bis zur ersten Kurve in Barcelona der längste der Saison. Ohne KERS wäre Massa wohl nicht an Vettel vorbeigezogen. Räikkönen und Kovalainen beispielsweise haben sich ja auch ordentlich nach vorne gesetzt.
Beschweren darf man sich da von Red Bull Seite aus natürlich nicht. Schließlich verfügt man auch über die Möglichkeiten das KERS einzusetzen, man hat es im Winter ja auch zu genüge getestet. So muss man halt in den sauren Apfel beißen.
Ok, Webber wusste nach dem ersten Stop mehr als Vettel. Obwohl ... nein vielleicht wusste er genauso viel. Nämlich, dass man länger draussen bleiben muss. Der Unterschied zu Webber mag natürlich sein, dass man bei Vettel nicht soooo lange tanken wollte, um noch die Hoffnung zu wahren den Massa während des Boxenstops überholen zu können.
Hier ist dann die Überlegung: Tanke ich kurz und komme so vielleicht vor Massa? Tanke ich kurz und hänge ich vielleicht doch hinter Massa? Will ich meine harten Reifen früher los werden?
Die Vettel-Crew steckte da halt mehr oder weniger in einem Dilemma, dass sie nicht so recht wusste, wie sie an Massa vorbei kommen mag. Kurz tanken aber das Risiko doch hinter Massa zu hängen? Lange tanken und hoffen, dass Massa eher rein kommt?
Die ganzen Überlegungen haben mehr oder weniger nen Kompromiss zusammen gefriemelt. Vettel ist zum zweiten Stop früher reingekommen als z.B. das Brawn-Team erwartet hat und passenderweise in der gleichen Runde wie Massa. Denn Ferrari hat beim ersten Stop auch nicht übermäßig lange getankt ... man wollte ja vor Vettel bleiben.
Und Webber? Am Anfang zählte er nicht zu den schnellsten. Er war nicht im direkten Kampf mit Massa und Webber. Da erübrigten sich halt Überlegungen wie "Tanke ich kurz, dann kann ich meinen Konkurrenten vielleicht in der Box oder auf der Strecke überholen ... riskiere aber mehr Zeitverlust, wenn ich doch hinter ihm rauskomme". Also Wagen voll machen, lange draussen bleiben, konstant fahren.
Webber blieb mit seinem zweiten Satz Reifen 31 Runden draussen und fuhr scheinbar konstant gute Zeiten. Das war eine sehr gute Leistung. Man darf bedenken, dass es auf den weichen Reifen auch anders geht. Ein Hamilton, dessen Fahrstil sowieso unfreundlich zu den Hinterreifen ist (man denke an den GP von China einst), was in dieser Saison mit dem nervösen McLaren-Heck auch nicht besser wird, klagte schon nach gut 10 Runden über nachlassende Hinterreifen-Qualität.
Meiner Ansicht nach waren Webber und Vettel beide auf weichen Reifen nicht schneller als Massa auf weichen Reifen. Jener Brasilianer hat nen guten Job gemacht und sich von Vettel nie aus der Ruhe bringen lassen, der jedoch anfangs auch nicht viel Druck gemacht hat. Das war Vettel auch später nicht gelungen, als erkennbar war, dass der Red Bull mit den harten Reifen besser klar kommt als andere Fahrzeuge (siehe auch Webbers Aufholjagd auf Barrichello).
Der Vettel-Crew und Vettel selbst mangelte es halt an Risiko-Bereitschaft, eine Strategie zu wählen, die von der von Massa klar abwich. Sonst hätte man vielleicht gegen Barrichello fighten können ... wenn man denn schneller als Massa gewesen wäre ... wer weiß das schon? Das ist ja auch nur ne Vermutung. Klar, auf harten Reifen war Vettel schneller, aber wieviel schneller als Massa hätte Vettel fahren können, wenn er nicht hinter diesem gelegen hätte? Er hockte ihm ja nicht gerade im Getriebe und wurde arg aufgehalten. Da hatte Räikkönen hinter Heidfeld mehr Grund zum klagen.
Mein Fazit: Vettel fuhr nicht mies, aber er und sein Team haben die taktischen Möglichkeiten nicht ausgeschöpft. Am Ende hatte Vettel Glück. Dass er vorher nicht vorbeikam darf man Massa anrechnen.
Webber hat einen tollen zweiten Stint gefahren, als er seine weichen Reifen lange nutzen konnte und nicht verschliss. Volles Lob führ ihn. Mich freut das Ergebnis.
Warum du meine Bewertung als "rosa" ansiehst, ist mir nicht ganz klar. Es ist ja nicht so, als wenn ich Vettel für sein Rennen gelobt hätte, oder wie ein RTL-Mann behaupten würde er "musste" hinter Massa hinterherfahren. Ich schrieb er "ist" hinter Massa hinterhergefahren.
Weswegen? Alonso hat nicht mehr getan als das, was andere Fahrer an seiner Stelle gegen Rosberg auch getan hätten. Oder war die Rosberg-Trulli bzw. Webber-Alonso-Aktion etwa besser? Das ist Racing. Du bist vorn und hälst rein.
Klar ist das Racing. Fast jeder Fahrer bleibt beim Ausgang der ersten Kurve auf der Ideallinie und nicht innen, wenn er den gegnerischen Wagen nicht auf gleicher Höhe neben sich hat.
Nungut ... im Falle von Alonso-Rosberg waren die beiden Wagen beim Kurvenausgang auf gleicher Höhe.
Ich finds nicht schlimm, ich mache Alonso da keinen Vorwurf ... vielleicht hatte er da auch keine Augen für den Wagen neben sich, dem er keinen Platz gelassen hat, das kommt beim Start ja auch vor.
Aber letzten Endes ist dadurch der Startunfall entstanden, mehr wollte ich damit garnicht aussagen.
Die Rosberg-Trulli-Aktion ist eine ziemlich andere, finde ich. Rosberg wollte zurück auf die Strecke, weil man neben ihr mit einem Formel1-Wagen meist weniger Traktion hat. Trulli wollt an dem langsameren Rosberg vorbeirauschen und rechnete nicht damit, dass Rosberg wieder soweit auf seine Fahrlinie zurück kommt.
Trulli hatte die Situation, dass Rosberg neben der Strecke war und wieder Platz auf der Strecke suchte, also vielleicht nicht schnell genug erkannt. Das Ganze ging aber eh so schnell, das kann man auch nicht so leicht erkennen. Das war dann halt auch Pech für Trulli.
Man kann natürlich auch unterschiedlich bewerten, ob Rosberg (nachdem er wieder auf die Strecke kam) mehr nach rechts rüberzog als nötig und Trulli versuchte abzudrängen. Oder mangelte es Rosberg an Traktion nachdem er Dreck von "neben der Strecke" aufsammelte und von den Kurbs runterpolterte? Oder wusste er garnicht, dass Trulli neben ihn zog?
Spielt keine große Rolle. Solche Unfälle können halt passieren.
Ich zieh ja auch nicht groß über den Toro Rosso-Fahrer her, der seinem Kollegen ins Heck fuhren, als jener und Piquet stark abbremsten, weil sich vor ihnen Trulli auf die Strecke drehte. Das sieht man vielleicht auch nicht allzu gut, wenn zwei Fahrzeuge vor einem sind.
Wer's nochmal sehen will:
http://www.youtube.com/watch?v=u7ipoyftMZs
Und die Webber-Alonso-Aktion? Naja, Webber ist da auch mächtig weit rübergezogen und hat Alonso etwas ins Gras gedrückt. Das war auch nicht gerade die feine Art. Hätte natürlich auch passieren können, dass Alonso da voll auf dem Gas bleibt und vielleicht das Heck verliert.
Etwas mehr und Webbers Abdrängen gegen Alonso hätte manchen an Hamilton erinnert, wie der in Kanada nen Toyota ins Gras drückte (wenn ich mich richtig erinnere). Klar, da kann man "Das ist Racing" sagen ... aber mancher sieht ein Abdrängen trotzdem nicht gerne.