Hamilton hat ihn nicht "abgedrängt". Man hat doch in der Wiederholung gesehen, dass er eingelengt hat, sein Fahrzeug aber weiter geradeaus gerutscht ist. Das war ein Fahrfehler von Hamilton.
Passierte Hamilton auch nicht zum ersten Mal ... gab es z.B. auch in Austin letztes Jahr.
Da wurde der Platz auf der Strecke für Rosberg auch irgendwann immer weniger.
Ein Abdrängen war das z.B. was Hamilton in Suzuka gebracht hat.
Man kann natürlich mutmaßen, ob Hamilton bewusst leicht gerutscht ist (um Rosberg ein wenig beiseite zu drücken), oder ob es ein Versehen/Fehler war. Letztlich ist der schlechte Start für Hamilton in Hinblick auf den WM-Kampf das Optimum gewesen ... anderenfalls wäre es vielleicht nicht zu dem Zweikampf mit Rosberg gekommen ... dessen Rennen wäre dann wohl gänzlich anders verlaufen und ein Podium wäre sehr wahrscheinlich gewesen.
Klar, Rosberg muss sich am Ende fragen, ob er richtig reagiert hat.
Es gibt 2 Möglichkeiten
1.: Ausweichen aufs Gras, schlechte Traktion riskieren, viele Plätze zurück fallen, unter Umständen ein Rennen im Verkehr haben wofür der Mercedes nicht gemacht ist.***
2.: Hart auf der Linie bleiben. Einen Ausfall riskieren mit der Wahrscheinlichkeit, dass auch der Teamkollege in der Kollision ausscheidet. Sieht zwar nicht gut aus, ist aber für Rosberg in der WM-Wertung in dem Fall kein Nachteil. Die Stewards hätten dann zu entscheiden, ob Hamilton für "causing a collision" zu bestrafen wäre ... schließlich hätte er ja stärker/früher bremsen können.
Gewiss, die Situation ist mit 2014 vergleichbar ... damals ist Hamilton glücklicher bei weg gekommen.
Ich vermute, dass hier einige die Tendenz haben, Rosberg Härte zu wünschen, die er nicht hat und Hamilton Härte vorzuwerfen, die er hat. Vielleicht sollten wir das mit dem zweierlei Maß mal überdenken...
In Sachen "Härte" ist das bei Rosberg auch ein zweischneidiges Schwert. Rosbergs Auftreten nach außen ist halt häufig das des Saubermannes. Von Hamilton ist man Härte irgendwo gewohnt ... er gilt als "Racer".
Wenn Rosberg dann mal einen auf hart macht und nicht zurück zieht dann läuft das womöglich wie in Spa 2014. Das Medien-Echo damals war negativ und Rosberg anschließend in einem Form-Tief.
Angesichts dessen, das Rosbergs Leistungen häufig in Korrelation mit seiner Stimmung zu stehen scheinen, war ich glatt schon überrascht, wie es in Baku lief bei den beiden Piloten.
*** Ich finde es wirklich teilweise extrem wie stark der Mercedes auf die Philosophie "Vorne wegfahren und verwalten" ausgelegt ist ... das erinnert schon ein Stück weit an die RedBull-Jahre. RedBull ist mittlerweile dazu übergegangen ein "schnörkelloseres" Auto auf die Strecke zu stellen, was dieses Jahr beim Hinterherfahren nicht so anfällig ist.
Mercedes hat - meiner Ansicht nach - den extremsten Front-Flügel ... und wohl auch die empfindlichste Aerodynamik. Überholmanöver nach schnellen Kurven gelingen nur, wenn man zu dem Zeitpunkt absolut überlegen ist und man selbst mit schlechtem Abtrieb (im Vergleich zur clean air) immernoch eine bessere Performance bringt als die Konkurrenz. Der Unterschied zwischen dem Mercedes in freier Fahrt und dem im Verkehr ist extrem. In schnellen Kurven (Melbourne, Barcelona) kann er den Gegnern häufig schlecht folgen. Bei Kursen wie Montreal und Baku leuchten schnell alle Alarmglocken hinsichtlich der Bremstemperaturen. Selbst wenn Hamilton keine technischen Probleme bekommen hätte, wäre er wohl - denke ich - an Perez nicht vorbei gekommen.
In Kanada hatte man irgendwo Glück, dass Ferrari in der Strategie eher etwas riskierte (laut britischen Sky-Kommentatoren war bekannt, dass die 1-Stop-Strategie auf dem Papier schneller ist), als auf Mercedes/Hamilton zu reagieren
Die Taktik von Ferrari in Baku erinnerte mich übrigens irgendwie an das Saisonfinale von 2010. Wie aufgescheuchte Hühner reagiert man auf einen Australier in einem Red Bull, der einen unerwahrtet frühen Boxenstop einlegt. Man wollte - im Gegensatz zu Montreal - mehr auf den Gegner reagieren und sah RedBull als Konkurrenz ... während man Rosberg außer Reichweite sah.
Statt dass man sich auf seine Zahlen verlässt, holt man Räikkönen unnötig früh rein und beschert ihm damit ein problematisches Rennen. RedBull tat sich mit den Reifen schwer, der ware Gegner für die Ferrari waren eher Perez und Hamilton.
Gut für Vettel, dass er da mehr Vertrauen in sein Gefühl für den Reifenabbau hatte, als in die Taktik-Einschätzung (RedBull-Undercut) seines Teams.