Michael Schmidt? Nochmal, der Kerl ist häufig einseitig, pro-deutsch, technisch mäßig kompetent und hat oft einen massiven Hindsight-Bias. Zugegeben, er ist gut informiert, weil er immer vor Ort und gut vernetzt ist und er wuchert halt immer mit seiner Erfahrung. Wenn es um politische Dinge geht, dann ist er meist sehr gut.
Jetzt wieder alles auf die Reifen zu reduzieren, ala "Oh, Pirelli bevorzugt Mercedes!", ist genauso verzerrend. Genauso gut hätten wir sagen können, dass Pirelli 2017-2018 mit der alten Reifenkonstruktion bis auf 3 Rennen Ferrari bevorzugt hat. Das wäre sogar naheliegender als die ursprüngliche Aussage.
Was die SF wirklich mal tun müsste, um mittel- oder langfristig Erfolg zu haben, wäre in meinen Augen (in Appellform geschrieben):
a) Ersetzt bitte VET durch einen Fahrer, der nicht nur vorneweg fahren kann. VER wäre toll, wird aber wohl kaum gehen. HUL würde mir sehr gut gefallen. VET ist ein sehr guter Fahrer, aber solange ihr ihm keinen dominanten Boliden baut, wird er immer gegen HAM verlieren. Ein Fahrer, der auch mal zurückstecken kann, seinen Boliden nicht dauerhaft überfährt und einfach mal die Punkte holt, die man holen kann, wäre eine gute Idee.
b) Setzt zur Abwechslung doch einmal einen richtig guten Manager an die Spitze. Domenicali und Binotto sind beides Techniker, Arrivabene war Manager, aber hatte nunmal keine Rennsporterfahrung. Mattiacci war viel zu kurz da. RB hat Horner, Merc Wolff (ex Lauda). Holt euch nötigenfalls den Steiner (Haas). Jedes Mal diese Vetternwirtschaft ala "Der kennt Ferrari" ist einfach nicht mehr zeitgemäß.
c) Reduziert die Erwartungen mal auf ein Normalmaß. Statt jedes Jahr "dieses Jahr holen wir mindestens einen Titel" wäre ein langfristiger Plan ala McL oder Renault sinnvoller. Was ist außerdem so schlimm daran, in einem Jahr mal "nur" um Siege zu kämpfen?
d) Beendet die Culture of Fear. Statt beim ersten Dämpfer der riesigen Erwartungen und jedes Jahr gleich wieder alles umkrempeln zu wollen - Ferrari setzt nach wie vor jedes Jahr gute Techniker und Ingenieure vor die Tür - wäre mal eine positive, progressive und fehlertolerante Kultur wünschenswert - genau das ist was Wolff und Lauda bei Merc oder Horner und Marko bei RB installiert haben.
e) Behandelt den vermeidlich langsameren Fahrer (pro Rennen) besser. Jahrelang mit RAI, jetzt auch mit LEC - da werden Rennen zerstört, um VET (war auch bei ALO so, zugegebenermaßen) ein paar Sekunden Vorteil zu verschaffen. In der Folge leidet die Teamchemie, weil sich ja auch die (übrigens fixe) Crew dieses Fahrers benachteiligt fühlt, nicht nur die Motivation des Fahrers selbst.
f) Konservativ ist nicht immer schlecht. Merc ist seit 2014 taktisch ausgesprochen konservativ - es wird größtenteils reagiert und Risiken gemieden. Wohl auch deswegen ist die Taktik der SF ständig invers - sehr aggressiv. Wie neulich in Baku, wo die Taktik für LEC eigentlich nur darin besteht, auf ein SC zu hoffen, wird ständig gegambled. Manchmal bringt das auch was, siehe z.B. Melbourne 2018. Sehr viel häufiger geht es sich aber nicht aus.