Ich glaube ehrlich gesagt, dass selbst die Klitschkos neben den drei "großen Namen" nicht so ganz genau zu differenzieren wissen, wer dahinter besonders *würdig* ist und wer nicht. Ohnehin scheint das Interesse unter europäischen Boxern sich auf drei bis vier große Namen in der jeweiligen Gewichtsklasse zu reduzieren. Mario Veit z.B. hatte laut eigener Aussage noch nie einen Fight von Calzaghe gesehen, als er ein halbes Jahr vor seinem WM-Kampf auf ihn angesprochen wurde...
Ganz anders in den USA, wo die Boxer ihren Sport auch "the sweet science" nennen und sich wirklich in der gesamten Szene und nicht nur in ihrer Gewichtsklasse auskennen. Klar, dort ist ja auch die Medienpräsenz und -transparenz des Boxen eine andere als in Deutschland bzw. Europa und die Boxer wachsen bereits als Kinder mit den TV-Bildern auf. So wie hier halt jedes zweite Kind die Bundesliga-Spieler rauf- und runterbeten kann.
Ich halte es also für durchaus denkbar, dass für die Klitschko's - wie für den "gemeinen deutschen Fan" - bloss ein bekannter Name reicht, um ihn als guten Gegner zu akzeptieren. Wenn Kohl dem Wladimir dann noch mitteilt, dass er in Stuttgart zweimal so viel verdient wie gegen Mercer in den USA, dann ist die Geschichte vermutlich im Sack. Ich halt ihn zwar intelligent, aber nicht für übermässig kritisch. Kein Paul Breitner des Boxsports.
Man merkt das auch immer, wenn deutsche Boxer in den Fernseh-Interviews aus dem Stegreif die Stärken und Schwächen anderer Boxer nennen sollen, das geht doch meistens in die Hose oder reduziert sich auf die zwei Kategorien "guter Schläger" oder "guter Boxer".
Die Klitschkos haben mit der Vertragsverlängerung ja lange gezögert, weil sie - laut eigener Aussage - bekannter werden und bessere Gegner boxen wollten. Dadurch haben sie Kohl gezwungen, ab und zu mal über den großen Teich zu gehen und ein paar altgediente Ex-Champs oder unbekannte Shuffords zu boxen. Mehr bislang aber auch nicht. Aber das schreibe ich, wie gesagt, hauptsächlich Universum zu, denn so wie ich die beiden Ukrainer einschätze, halten sie sich ohnehin für unschlagbar (wie jeder Boxer - wobei ja ein gewisses Selbstbewusstsein im Boxen von Vorteil ist) und es ist ihnen wurscht, gegen wen sie antreten, solange es ihnen von Kohl irgendwie schmackhaft gemacht wird.
Ich kann mir absolut NICHT vorstellen, dass die Klitschkos irgendeinen Gegner, schon gar keinen Mercer oder Izon, ablehnen würden. Aber natürlich wird man irgendwann bequem, wenn die Kohle stimmt und fragt nicht groß...
Also weniger ein aktives "Kneifen", sondern eher eine nachlassende Motivation von sportlichen Motiven, wenn auch so genügend Kohle gegen schwächere Leute zusammenkommt.
Bestes Beispiel: Dariusz Michalczewski
Nochmal zu den beiden als Person, weil es von einigen hier angesprochen wurde: Ich sehe es so wie Eric. Wladimir ist natürlich der deutlich talentiertere, besser aussehende Boxer, dem die Zukunft gehört. Er spricht zwar viel besser Deutsch als sein Bruder, auch bereits ein gutes Englisch, aber seine Phrasendrescherei in den Interviews geht mir mittlerweile auch etwas auf den Sack. Das geht wirklich über das normale Maß hinaus! Seine Antworten haben mit der Frage meist sehr wenig zu tun und er kleidet sie oft in einen sehr bedächtigen Ton, benutzt immer die gleiche Wortwahl. Prinzipiell ist mir das bei Boxern eigentlich wurscht, aber gerade bei ihm habe ich den Eindruck, dass er soviel interessantere Analysen von sich geben *könnte* - weil er eben ein guter, intelligenter Boxer ist. Aber versucht mal, aus ihm einen einzigen analytischen Satz zu einem Kampfverlauf herauszukriegen - es ist fast unmöglich.
Vitali's Deutsch ist sicher schlechter, er phrasiert auch ganz gern und oft ("Richtige Sieg ist KO-Sieg, wenn ein Boxer ist am Boden und andere steht"), aber er überrascht wenigstens mal mit einer lustigen Einschätzung und wirkt generell wesentlich humoriger und "wacher" als sein Bruder in den Interviews.
Wie gesagt, das spielt alles keine besondere Rolle bei der Beurteilung ihrer Fähigkeiten als Boxer, aber es beeinflusst natürlich den Symphatiefaktor in gewissem Maße. Ich sehe Wladimir lieber boxen, finde seinen Bruder aber menschlich symphatischer ("Cherbie Ceid - ich habe seine Augen gesehen, errr hatte Angst wie ein kleiner Chund!!")...