Das wird mit Stuttgart als zusätzlichem Konkurrenten keine einfache Saison, aber auf der anderen Seite wird sie für einen HSV-Sympathisanten wie mich dadurch noch interessanter (weil die Spiele natürlich mehr hergeben).
Noch kurz als Nachklapp zu Becker: natürlich konterkariert die Entlassung die zwingend notwendige Hinwendung zu Kontinuität (also im positiven Sinn, Kontinuität hat der HSV ja genaugenommen seit Jahren...ausgesprochen stringente sogar
)
Trotzdem war die Trennung in diesem Fall nicht nur richtig, sondern mMn unausweichlich. Beckers Transferpolitik war durch schmale Kassen vorgegeben und in diesem Rahmen auch völlig in Ordnung. Einen besseren Kader konnte er mit den vorhandenen Mitteln nicht zusammenstellen, die erzielten Ablösen waren nicht toll, aber eben das, was bei der (auch interessierten Abnehmervereinen bekannten) Situation machbar war. Von den Neuverpflichtungen ist keiner wirklich gefloppt. Fazit: ein besserer Kader war nicht drin, da kann man Becker nichts vorwerfen. Als Kaderplaner hat er allemal eine "3" verdient, auch eine 3+.
Aber ein Sportvorstand hat auch noch andere Aufgaben: Trainerauswahl, Öffentlichkeitsarbeit, Mitarbeiterführung/Teamfähigkeit auf jeden Fall.
Wenn man das mal durchgeht:
- Trainerauswahl: Titz wurde mit Beckers Amtsantritt mindestens unterschwellig kritisiert, eine Rückendeckung gab es zu keinem Zeitpunkt. Schon nach der ersten Pflichtspiel-Niederlage gegen Kiel wurde Titz und sein auf Nachhaltigekit bedachtes Konzept von Becker offen und über die Medien in Frage gestellt. Nach 8 Ligaspielen wurde er bei besserer Punktebilanz als sein Nachfolger entlassen: gegen Widerstand von Fans und Mannschaft. Verpflichtet wurde ein Trainer mit ein komplett konträren Spielphilosophie, der letztlich versagt hat. Sowohl bei den Resultaten, als auch bei der Durchsetzung "seines" Stils. Zudem wurde an dieser Fehlentscheidung viel zu lange festgehalten, gleichzeitig wurde er vor den entscheidenden letzten Spielen von Becker selbst offenbar komplett enteiert - aber trotzdem nicht entlassen. Note 6
- Öffentlichkeitsarbeit: lange Zeit recht ruhig (was beim HSV immer gut ist), am Ende desaströs: unnötige Suspendierung Holtbys, unnötige Bekanntgabe, dass Lasogga keinen neuen Vertrag erhält (ausgerechnet in der Phase, wo man seine Tore am dringendsten brauchte), am Ende das "ich habe Wolf nur gesagt, dass er
vielleicht entlassen wird" Peinlichkeitsgate. Note 5
- Mitarbeiterführung/Teamfähigkeit: Peters, der wohl einzige beim HSV, der in den letzten Jahren auf absolutem Topniveau gearbeitet hatte, wollte ja auch Sportvorstand werden. Anstatt diesem die Hand zu reichen, machte Becker von Tag 1 an klar, dass die Zusammenarbeit "so kaum vorstellbar" sei und verlegte quasi als erste Amtshandlung Peters Büro von der Geschäftsstelle zum Jugendcampus: eine Aufforderung, die Sachen zu packen, nichts Anderes. Hat Peters dann auch gemacht. Der Verlust eines der besten Jugendstrategen im deutschen Fußball wiegt eigentlich noch schwerer als der Nichtaufstieg. Völlig unnötig und reines Pimmelfechten: intern sicher von beiden, von Becker aber auch nach Außen mit einem Tritt in die Fresse aus der Position des "Siegers" garniert. Note 6-
Insgesamt ergibt das für mich eine Arbeitsbilanz, die eine Trennung völlig unumgänglich machte. Als Kaderplaner hat Becker ordentlich gearbeitet, in
allen anderen Bereichen ist er mit einer Art und Weise all in gegangen, die wirklich nur dann zähneknirschend akzeptiert werden kann, wenn wirklcih absoluter Erfolg eintritt. Der ist nicht eingetreten und damit ist Beckers Art und Weise der Amtsführung komplett und nach meinem Empfinden krachend gescheitert. Becker hat nicht nur den Aufstieg verpasst, er hat gleichzeitig alle Pflänzchen, die beim HSV für so etwas wie Neuanfang, Linie, Kontinuität und perspektivisches Arbeiten standen, komplett in den Boden getreten und mit Monsantomethoden vernichtet.
Selbst mit Aufstieg wäre das mindestens fragwürdig gewesen, ohne sportlichen Erfolg war die Entlassung meiner Meinung nach ein absolutes Muss.
Alles außerhalb der Transfers ist für mich in der Amtszeit Beckers schlimmer gelaufen als bei Knäbel/Todt/Arnesen zusammen. Sämtliche Personalentscheidungen waren fachlich wie menschlich für mich unter aller Sau und ich als HSV-Sympathisant möchte diesen Mann eigentlich nice mehr im Umfeld des HSV sehen. Klingt sicher hart, aber für mich ist Becker einfach genau der Typ, der in einem streng definiertem Fachbereich vielleicht funktionieren kann, dem man aber Mitarbeiterführung, wirklich strategische Entscheidungen udn Öffentlichkeitsarbeit einfach niemals anvertrauen darf. Wie z.B. Reschke auch, ein für mich sehr ähnlicher Typ.
Das kann man sicher alles ganz anders sehen. Manche mögen sagen, dass man in solchen Positionen gerade solche Leute braucht - ich finde Menschen in Führungspositionen mit solchen Eigenschaften einfach komplett schlimm.