Der Jahresabschluss zum 30.06.2022 ist - wie gemäß der Anleihebedingungen vorgegeben - am heutigen Tag auf der
Website in englischer Sprache veröffentlicht worden.
Ich werde wieder versuchen, relevante Zahlen zusammenzufassen und auf ein paar Punkte einzugehen. Dabei gebe ich mir Mühe, keine Zahlendreher oder Tippfehler einzubauen, aber wie das Leben manchmal so spielt, kann ich nichts zu 100% garantieren.
Auch weise ich direkt drauf hin, dass viele meiner Anmerkungen aus den Berichten hervorgehen. Wenn eine Anmerkung eine persönliche Meinung ist und nicht auf Zahlen oder Berichtsbestandteilen beruht, werde ich darauf hinweisen.
Gliedern werde ich das Ganze in die Bereiche Bilanz, GuV, Cash Flow, Transfers und Ausblick auf die laufende Saison, wobei natürlich sich an einigen Stellen Themen überschneiden werden.
Vorjahreswerte sind in Klammern angegeben und alle Werte sind als Millionen-Euro (MEUR) zu verstehen.
Der folgend behandelte Jahresabschluss ist der konsolidierte Konzernabschluss sämtlicher Gesellschaften der Hertha BSC Gruppe.
Neben der Muttergesellschaft, der Hertha BSC GmbH & Co. KGaA, umfasst dieser sechs weitere Tochtergesellschaften, an denen die KGaA unmittelbar oder mittelbar 100% der Anteile hält.
Die Hertha BSC Medien GmbH wurde umfirmiert und heißt nun SWC GmbH.
Die Gesellschafter der KGaA (Hertha BSC e.V., Hertha BSC Verwaltung GmbH, Peil Investment B.V.) sind nicht Teil des Konsolidierungskreises.
1. Bilanz
Das Anlagevermögen hat sich durch Abschreibungen und auf Grund der Veräußerung von Spielerrechten auf 76,5 MEUR (109,6 MEUR) reduziert.
Dabei wurden erstmals außerplanmäßige Abschreibungen auf Spielerwerte in Höhe von 4,4 MEUR vorgenommen, da man zum Stichtag die Voraussetzungen für eine voraussichtlich dauerhafte Wertminderung als gegeben sah. Um welchen Spieler oder um welche Spieler es sich handelt, wurde (verständlicherweise) nicht angegeben.
Das Umlaufvermögen hat sich weit drastischer reduziert und beträgt zum 30.06.2022 noch 38,9 MEUR (101,2 MEUR).
Dabei waren zum Stichtag noch Forderungen aus Transfers von 18,8 MEUR offen (2,5 MEUR), weitere Forderungen und sonstige Vermögensgegenstände belaufen sich auf 7,0 MEUR (73,0 MEUR). Die Änderung im letzten Punkt erklärt sich dadurch, dass im Vorjahr noch die letzte Tranche von Tennor offen gewesen ist. Dieses Geld floss der KGaA in 21/22 zu.
Von den Gesamtforderungen sind bis zur Aufstellung des Jahresabschlusses 11,7 MEUR bereits zugeflossen.
2,5 MEUR sind nicht in der Spielzeit 22/23 fällig.
An liquiden Mitteln (Kasse, Bankguthaben, Schecks) waren 10,8 MEUR (24,3 MEUR) verfügbar. Näheres dazu unter dem Punkt Cash Flow.
Das Eigenkapital sank durch den Verlust (siehe Punkt GuV weiter unten) auf 29,5 MEUR (107,6 MEUR). Weitere Kapitalerhöhungen wurden nur im minimalen Maße durchgeführt, damit Tennor nach Zahlung der letzten Tranchen seine neuen Anteile zeichnen konnte. Ein Großteil der zugeflossenen Gelder wurden aber schon in 20/21 in der Kapitalrücklage erfasst und auf der Aktivseite als Forderung gegen Gesellschafter ausgewiesen.
Die Verbindlichkeiten wurden ebenfalls reduziert und belaufen sich auf 80,8 MEUR (99,6 MEUR).
Dabei macht die Anleihe unverändert mit 40,0 MEUR den größten Posten aus, gefolgt von den Verbindlichkeiten aus Spielertransfers mit 8,1 MEUR (37,4 MEUR).
Die Anleihe ist im November 2023 fällig und somit nicht in der Spielzeit 22/23. Des Weiteren sind 2,0 MEUR Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen erst nach dem 30.06.2023 zu zahlen.
Durch den Verlust und den Abbau von Verbindlichkeiten ist die Bilanzsumme fast halbiert worden und beträgt zum Stichtag 122,6 MEUR (222,0 MEUR).
2. GuV
Die Umsatzerlöse sind erfreulicherweise mit 139,3 MEUR (103,8 MEUR) wieder auf Pre-Corona-Niveau gestiegen, was zum einen an der Rückkehr von den Stadionbesuchern lag, aber in erster Linie durch die Rekordtransfererlöse zu erklären ist.
Die Erlöse aus den TV-Geldern sind mit 54,6 MEUR (69,2 MEUR) durch unsere sportlichen Magerjahre weiter rückläufig.
Aus persönlicher Sicht scheint sich dieser Trend weiter fortzusetzen, da die Jahre 17/18 und 18/19 mit gesicherten Mittelfeldplätzen als nächstes aus der 5-Jahres-Wertung fallen...
Die sonstigen betrieblichen Erträge wurden durch die einmaligen Corona-Hilfen stark beeinflusst und belaufen sich auf 7,2 MEUR (1,4 MEUR).
Der größte Kostenblock sind weiter die Personalaufwendungen, die trotz aller Bemühungen mit 97,7 MEUR 92,3 MEUR) erneut einen neuen Rekord darstellen.
Woran das primär liegt, wo man auch schon in der letzten Saison probiert hat, Kosten zu senken, mag ich nicht zu beurteilen. Es wäre möglich, dass noch Altlasten wie abzugrenzende Handgelder, Abfindungen, Gehaltsfortzahlungen bei Freistellung den Posten stark beeinflusst haben.
Abschreibungen auf Sachanlagen und immaterielle Vermögensgegenstände wurden inkl. der bereits erwähnten außerplanmäßigen Abschreibungen in Höhe von 39,2 MEUR (35,0 MEUR) vorgenommen.
Die sonstigen betrieblichen Aufwendungen sind durch die Restbuchwerte der veräußerten Spieler stark angestiegen und betragen insgesamt 84,9 MEUR (49,5 MEUR). Die dort bereits enthaltenen Spieltagsaufwendungen liegen bei 25,4 MEUR (20,2 MEUR), Verwaltungskosten bei 7,1 MEUR (7,1 MEUR).
Zinserträgen in Höhe von 1,9 MEUR (1,1 MEUR) stehen Zinsaufwendungen von 3,8 MEUR (4,4 MEUR) gegenüber.
Unter dem Strich ergibt sich ein Jahresfehlbetrag von schmerzhaften 79,7 MEUR (77,9 MEUR).
3. Cash Flow
Die liquiden Mittel zum 30.06.2021 betrugen 24,3 MEUR.
Im operativen Bereich (ohne Spielertransfers) wurde erneut ein erheblicher Mittelabfluss mit 46,2 MEUR (51,8 MEUR) verzeichnet.
Durch Transfers wurden 15,4 MEUR (8,1 MEUR) vereinnahmt, im Gegenzug aber auch 56,6 MEUR ausgegeben (62,0 MEUR). Dabei ist zu beachten, dass es sich hier nicht nur um Transfers der Spielzeit 21/22 handelt, sondern überwiegend um noch offene Raten aus früheren Transferfenstern, die im Berichtszeitraum gezahlt wurden.
Von der Tennor Holding flossen 65 MEUR (85,5 MEUR) zu, wodurch nun alle Zahlungsvereinbarungen erfüllt sind.
Aus dem Jahresabschluss ergeht keine Beabsichtigung weiterer Kapitalerhöhungen vor, auch wenn man sie nicht explizit ausschließt.
Nach den letzten Wochen dürften allerdings meiner Meinung nach weitere Tennor-Gelder für absehbare Zeit vollkommen utopisch sein. Ob man vielleicht einen neuen Investor mit Bereitschaft zur Gewährung von weiteren Mitteln gewinnen kann, steht in den Sternen, aber auf dieses Pferd zu setzen, wäre wohl fahrlässig und naiv.
Durch weitere kleine Investitionen und dem Zufluss einer Factoring-Finanzierung von 12 MEUR (0 MEUR) ergibt sich vom 01.07.2021-30.06.2022 ein Gesamt-Cash Flow von -13,5 MEUR (-41,6 MEUR).
Somit sinkt der in Punkt drei eingangs erwähnte Geldmittelbestand auf 10,8 MEUR.
4. Transfers
In der Saison 21/22 wurden Transfererlöse von 46,8 MEUR (11,4 MEUR) erzielt.
Bitte beachtet dabei, dass damit keine Geldzuflüsse gemeint sind, sondern sämtliche Ablösen, die in dem Zeitraum vertraglich vereinbart wurden. Ob diese dann umgehend gezahlt werden oder über mehrere Jahre, spielt für die Frage des Erlöses keine Rolle.
Bonusprämien oder Weiterverkaufsbeteiligungen gelten in dem Moment als Erlös, in denen sie realisiert werden. Auch das bedeutet nicht, dass bereits Geld geflossen sein muss, sondern nur, dass die Voraussetzungen für Boni oder Beteiligungen erfüllt wurden.
Aus meiner Vermutung heraus sind in dem Betrag die Ablösen für Cunha, Cordoba, Netz und Maier inkludiert. Letzterer wurde noch vor offiziellem Beginn der Saison vom FCA verpflichtet, weswegen die Zuordnung des Erlöses auch in diesem Geschäftsjahr für mein Empfinden zu erfolgen hat.
Dies würde auch die gleich folgende Zahl besser erklären.
Mit 46,8 MEUR weicht der Betrag - unter der Annahme, dass die Ablöse für Maier enthalten ist - um einige Millionen von den Angaben hier bei Transfermarkt ab.
Dafür gibt es für mich zwei Erklärungen:
1. Die aufgeführten Ablösen enthalten bereits etwaigen Bonuszahlungen, die aber noch nicht bis zum 30.06.2022 realisiert wurden oder
2. Die Angaben sind leider zu hoch angesetzt, was gerade in Bezug auf Cordoba möglich wäre.
In der Sommertransferperiode 22/23 wurden 15,5 MEUR an Transfererlösen (inkl. Leihgebühren) erzielt, was meine Vermutung mit der Maier-Ablöse bestärkt, und zeitgleich 5,1 MEUR in neue Spieler investiert.
Auch hier sind mögliche Bonuszahlungen und dergleichen noch nicht enthalten, wenn die Voraussetzungen noch nicht erfüllt wurden, was bei den jüngsten Transfers wohl ausnahmslos der Fall sein dürfte.
5. Ausblick
Für die Spielzeit 2022/23 plant man mit Umsatzerlösen von 141,8 MEUR.
Darin enthalten sind weitere (!) 21 MEUR Transfererlöse, die man bis zum 30.06.2023 zusätzlich zu den bisherigen aus der Sommertransferperiode erzielen möchte.
Trotz dieser hohen Zahlen rechnet man mit einem Verlust in Höhe von 52,8 MEUR, wodurch auf Konzernebene nach nur vier Jahren seit dem Einstieg von Tennor wieder eine bilanzielle Überschuldung (negatives Eigenkapital) eintreten würde.
Dementsprechend verwundert es nicht, dass im Chancen- Risikobericht das Ziel genannt wird, weiterhin überwiegend ablösefreie Spieler zu verpflichten.
Als seine wertvollsten Spieler zur Erzielung von Transfereinnahmen werden Piatek, Lukebakio, Tousart und Kanga genannt.
Dass aber auch diese Jungs keine Ablösen jenseits von Gut und Böse einspielen werden, ist wohl einem bewusst, da klar darauf hingewiesen wird, dass diese "Quelle" nur begrenzt ist und natürlich mit Veränderungen im Kader verbunden ist.
Nun, was zieht man jetzt als Fazit?
Ich persönlich bekomme Bauchschmerzen, wenn man trotz hohen Transfererlösen mit solchen Verlusten plant, auch wenn da weiterhin hohe Abschreibungsbeträge enthalten sind, die jetzt, wo man auch keine hohen Verbindlichkeiten aus Transfers mehr hat, nicht liquiditätswirksam sind.
Des Weiteren stellen sich Fragen, wenn man die nächsten Jahre betrachtet, die sich auch auf das sportliche auswirken.
Wie erfolgt die Finanzierung der Rückzahlung der Anleihe?
Wie wird ein Stadion finanziert, ohne durch Zins- und Tilgungsbelastungen zusätzlich in Bredouille zu kommen, falls es für längere Zeit Abschied aus der Bundesliga nehmen heißt?
Wie kann man die Kaderqualität aufrecht erhalten oder gar verbessern, wenn man seine wenigen Diamanten, die auch nicht gerade viel Karat haben, ständig verkauft und im Gegenzug sich metaphorisch als Ersatz Plastikperlen zulegt?
Wenn man jetzt im Winter einen Lukebakio oder Tousart verkauft und dafür als Neuzugang jemanden für kleines Geld holt, der zwar wieder mal über Potenzial verfügen mag, aber sich erstmal eingewöhnen muss etc. pp., dann wird es aber ganz ganz eng für uns.
Quo Vadis, Hertha BSC?