Im Laufe der letzten Jahre ist das Verhältnis zwischen Justiz und Politik immer schwieriger geworden. Schon 1998 beantragte der Justizminister die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen zwei Staatsanwälte aus Mailand. Beiden wurde vorgeworfen, ihre Ansichten über die Regierungspolitik im Hinblick auf den Kampf gegen die Korruption und zu den geplanten Verfassungsreformen in der Justiz öffentlich kund getan zu haben. Die – zwischenzeitlich offenbar wieder zu den Akten gelegten – Pläne zu einer Verfassungsreform betrafen den Vorschlag, den Anteil der politisch gewählten Mitglieder des Obersten Rates auf mehr als 50 % zu erhöhen. Ferner wurde – in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Aufdeckung politischer Korruptionsskandale – immer wieder die Trennung von Richterschaft und Staatsanwaltschaft gefordert mit dem Ziel, die Staatsanwaltschaft der Exekutive zu unterstellen. Sicherlich kein Zufall. Es deutet vielmehr darauf hin, dass die Aufdeckung der schweren Bestechungsskandale bei einem weniger unabhängigen Justizwesen nicht in gleicher Weise möglich gewesen wäre.
Das Problem verschlechterte sich nach den politischen Wahlen des Jahres 2001. Regierungschef wurde der wichtigste Unternehmer der Medienindustrie und einer der reichsten Italiener. Der Ministerpräsident und Chef der Regierungskoalition, leitende Angestellte seines Firmenimperiums, Freunde, wichtige Abgeordnete seiner Partei standen und stehen noch unter massiven Anklagen. Manche sollen gelogen und betrogen, andere bestochen oder mit der Mafia paktiert haben. Alle behaupten, sie seien Opfer einer von der Linken organisierten „richterlichen Verschwörung“. Nun, so die Sorge, wollen sie ihre Ankläger und Richter kurzerhand entmachten.
Dem hat die italienische Richtervereinigung erwidert, dass die Ermittlungen nur das Ergebnis der Gesetzesanwendung seien; die Korruption sei eine nicht zu leugnende Tatsache; viele Politiker seien durch rechtskräftige Urteile bestraft worden. Dennoch sind alle diese Bemühungen umsonst. „Rote Roben“ wollten ihn „aus dem Amt jagen“, lässt der Regierungschef tagtäglich und gebetsmühlenhaft über sein Medienimperium polemisieren, politisierte Staatsanwälte und Richter sein „Kommunisten“, allesamt. Das bleibt nicht ohne Wirkung: Statt über die Angeklagten, diskutiert Italien über die Richter.