Ich finde sogar das es echt eine Frechheit ist, jemanden als "ewigen Zweiten" zu titulieren, der regelmäßig mit Außenseitern Finale erreicht. Da sollte man eigentlich den Hut vor ziehen.
Ich bin voll bei deinem Posting, aber das ist halt irgendwo die Logik des Geschäfts. Man denke mal an "Vizekusen", für welche das ständige Erreichen des zweiten Platzes durchaus ein Erfolg in Relation zur Qualität des Kaders war (wobei die Anfang der 2000er teilweise schon eine verdammt nice Truppe beisammen hatten, klar). Da hat dann auch ein verlorenes CL-Finale mit zu beigetragen, dessen Erreichen ein Riesenerfolg war. Ist leider so.
Zum Thema:
Ich persönlich bin bei Klopp eh super biased, weil Dortmund Fan. In den 1990ern war ich noch zu jung, um die Erfolge wirklich wahrzunehmen. 2002 war dann nice, aber es gab wenige wirklichen Identifikationsfiguren für einen 11-jährigen Jungen und außerdem war der Meistertitel nur ein Vorbote des Abgesangs.
In den düsteren Jahren des BVBs war ich in den düsteren Jahren der Pubertät. Mein Interesse für Fußball ließ doch etwas nach. Da war es auch nicht hilfreich, dass gerade in dieser Phase S04 ganz erfolgreich war und in der Klasse gab es eben nur eines der beiden Lager. Meistens mussten wir uns die dummen Sprüche anhören.
Mit Klopp und seinem Charisma hat sich dann alles verändert. Die erste Meisterschaft fiel auf die Jahre 2010/2011, in dem ich meine Schule beendete, Zivildienst machte und zum Studieren wegzog. Das hat für mich irgendwie auch einen ganz besonderen persönlichen Wert. Und mit dem Verlassen des Ruhrgebiets stieg dann irgendwie auch die fußballerische Identifikation mit selbigen. Der BVB bekam einen größeren Stellenwert und war einfach geil anzusehen: Die Jahre 2010 - 2013 und die Underdog Story, die Dortmund da schrieb, waren mit Abstand das Beste, was mir in meinem Fan-Dasein je passiert ist. Verantwortlich für diese Cinderella-Sache war - trotz Begeisterung für manche Spieler - fast allein Klopp. Gerade nach den schmerzhaften Abgängen von Sahin, Götze und Konsorten war er im Prinzip ein Fixpunkt, auf den ich mich als Fan irgendwie verlassen habe.
Dass es dann einmal enden musste, war klar. Wie es geendet ist war ok - einvernehmlich und in der Situation nachvollziehbar. Der Gang zu Liverpool war dann das, was ich mir am ehesten für ihn gewünscht hätte. Spätestens da merkte ich, dass ich genauso Klopp-Fan bin, wie ich BVB-Fan bin. Ich habe ihm nur ein einziges Mal seitdem nicht die Daumen gehalten, das war in der EL 2016. Selbst da war sein Sieg über den BVB aus meiner Sicht nicht ganz so wild - ich habe es ihm fast ebenso gegönnt. Seitdem nimmt die PL immer mehr Raum bei mir und die Bundesliga wird zunehmend irrelevanter. Ich ertappe mich seit letzter Saison dabei, dass ich für Liverpool Tore laut Jubel. Ich hatte vorher allenfalls Sympathien. (das klingt nach Fanboy-tum und ziemlich weird, aber vielleicht kann es ja der ein oder andere hier verstehen, der den Dallas Mavericks die Daumen hält
).
Mir ist klar, dass eine solche Verehrung irrational ist und das Fußball eben ein Mannschaftssport ist und vielmehr von Spielerpersönlichkeiten als von Trainern lebt. Aber ich kann mich nicht dagegen wehren.
Ist Klopp nun der Beste der Welt? Das kann man natürlich nicht beantworten. Man kann aber seine Leistungen einordnen: Ich hatte ehrlich gesagt die Sorge, dass sein Stil in England keine Halbwertszeit hat. Da hat er mich zum Glück eines besseren belehrt. Bis vor dieser Saison hätte ich ihn für einen Top5 Trainer gehalten, aber was das Standing angeht doch noch hinter Guardiola gerankt. Diese Saison ist er eigentlich der heißeste ******, das kann man nicht anders sehen. Ich will um Gottes Willen nicht diese nervige Diskussion befeuern, die den PL Thread nahezu unleserlich gemacht hat, aber gemessen am Spielermaterial überstrahlt auch seine Leistung in der Liga, die von Pep noch etwas (was NICHT heißt, dass Pool einen schlechten Kader hat). Klopp hat sich von einem guerillahaften Underdog-Trainer zu einem spielerischen Dominator gemausert. Er geht jetzt als Favorit in ein CL-Finale. Das hätte ich vor einigen Jahren kaum für möglich gehalten. Es macht mich aber echt froh. Ich habe gestern vor dem TV richtig rumgeschrien.
Jedenfalls ist die Entwicklung, die ein Jürgen Klopp genommen hat, außergewöhnlich. Er hat als Zweitligakicker begonnen und war Trainer von Mainz. Und er hat es binnen weniger Jahre geschafft, erst einen absoluten Signatur-Stil mit dem BVB zu entwickeln, der in halb Europa adaptiert wurde und dann - das ist der absolute Weltklasse-Move - diesen Stil wiederum weiterzuentwickeln und den verbesserten fußballerischen Kadermöglichkeiten anzupassen. Das brauchte etwas, war in Dortmund noch ein Problem, aber seit dieser Saison hat er diesen Post-Pressing-Fußball wirklich perfektioniert und hat zum zweiten Mal ein Role-Model für andere Teams geschaffen. Daran sollte man ihn vielmehr messen, als an der letztlich etwas willkürlich anmutenden Frage, wie viele Finals nun gewonnen wurden. Denn der Stil den er geprägt hat, hat deutlich mehr Einfluss auf den europäischen Fußball als ein bisschen Silberware. Um eine schiefe Parallele zu ziehen: Cruyff ist in der heutigen Wahrnehmung auch größer als der Kaiser, trotz 74.