Ginge Löw, stünde vermutlich auch noch viel mehr auf dem Prüfstand. Man hat sich beim DFB im Weltmeisterschatten eingekuschelt und würde gern ewig so weitermachen. Dass gerade im Fußball Stillstand der sichere Tod ist, sollte man eigentlich mal gelernt haben. Aber der Faulpelz in einem strebt halt nach wenig Aufwand / viel Ertrag.
Ich glaube sogar, dass die Veränderungsbereitschaft bei Trainerteam, Spielern und allen, die wirklich nah dran sind, größer ist, als beim Verband selber. Man hat 2000/2002 und dann bei Klinsmann gesehen, wie schwer es ist, in so einem Riesenverband Dinge zu verändern. Da hängen eben auch eine Menge Posten dran (Stützpunkttrainer, Koordinatoren, Trainerausbilder etc).
Auch in der grundsätzlichen Ausbildung Bedarf es einiger Änderungen. Man hat da über gut 10 Jahre viel richtig gemacht, aber seit knapp 5 Jahren droht man auch schon wieder, international den Anschluss zu verlieren. Da müssen mMn dringend wieder neue Gedanken und Umstrukturierungen her. Das ist natürlich nicht Job des BT, aber auch er leidet am Ende darunter, wenn halt fast nur noch Rollenspieler mit gechillter Persönlichkeit nachkommen. Mit anderem BT oder anderer Spielerauswahl des aktuellen Trainers ist es sicher nicht getan.
Aber nun gut. Wir haben aktuell schon noch gutes Personal, klar. Vielleicht nicht gut genug für große Titel, aber allemal besser als die Leistung bei dieser WM. Die Verzahnung zwischen Talenten und Etablierten ist die Aufgabe der nahen Zukunft, Teambuilding und Ehrgeiz in guter Balance. Welches System wir spielen und welcher Spieler jetzt mal zu Hause oder auf der Bank bleibt, halte ich für sekundär. Bei dem Gesamtdefizit in Russland hätten uns Sané oder Wagner auch nicht entscheidend weitergebracht. Ich glaube auch nach wie vor, dass beide eben wegen der Probleme bei der Teamchemie nicht mitgenommen wurden - allein, gebracht hat es rein gar nichts.
Es ist natürlich auch schwierig, die Balance zu finden, wenn man als Trainer selbst eine komplette Spielergeneration auf ihrem Weg begeleitet hat (von kurz nach U21 bis zum Karriereherbst) - und das größtenteils sehr erfolgreich. Man hat so viel zusammen erlebt, hat sich gegenseitig so viel zu verdanken, da fallen Personalentscheidungen natürlich irgendwann schwer. Ich könnte das z.B. nicht, weil ich Loyalität als Charakterzug sehr schätze.
Aber ein Trainer muss das eben können. Nicht bei temporären Kriseleien, aber dann, wenn er merkt, dass das große Ganze so nicht mehr funktioniert. Und da frage ich mich schon, wie Löw das hinkriegen soll. Ich weiss, manche halten ihn fachlich eh für ne Null, Spieler
ihres Vereins werden sowieso immer aus purer Boshaftigkeit übergangen, Vollasis und Teamcancer werden dann plötzlich zu
Typen, die nur nicht spielen, weil sie eine eigene Meinung haben - das halte ich alles für kompletten Stuss und Stammtisch-nach-5-Halben-Gelaber. Diese extrem enge Verbindung zwischen Löw und der 2009er U21-Generation, gepaart mit dem Fremdeln mit den Smartphone-Instagram-Kiddies: das ist für mich das Problem. Wie er da als Kommunikator, Moderator und Leiter den Turnaround hinbekommen soll, kann ich mir kaum vorstellen.
Nicht wegen dieses einen Kackturniers, auch nicht wegen fachlicher Defizite - da habe ich persönlich kein Problem mit Löw als BT. Aber eben weil er in seiner Kernkompetenz als Teambuilder so auf die Schnauze gefallen ist und er, wie erwähnt, durch seinen Trainer- oder Lebensweg eben so eng an eine Generation von Spielern gebunden ist, dass das für
mich eigentlich kaum zu drehen ist. Ich weiss einfach nicht, wie das auf der pädagogischen Ebene funktionieren soll: natürlich wäre es völliger Quatsch, jetzt haufenweise Spieler rauszuwerfen. Man muss überhaupt niemanden rauswerfen, es müssen einfach nur künftig auch für die Müllers, Özils und Tonis die allgemeinen Nominierungskriterien gelten: erst Leistung, dann Nomnierung, keine Autoatismen und der WM Titel 2014 zählt
tatsächlich nichts mehr. Bringen die Spieler ihre Leistungen, gibt es ja keinen Grund, sie nicht wieder einzuladen, aber eben nur dann. Aber wie soll das ausgerechnet der Mann hinkriegen, der all diese Spieler zu Nationalspielern und Weltmeistern gemacht hat - wie soll der so gnadenlos leistungsorientiert sein, wenn eben diese Spieler auch ihm alle seine Erfolge erst ermöglicht haben? Das sind doch auch alles Menschen. Wie gesagt: ich würde mir das nicht zutrauen, nie im Leben.
Wenn Löw das hinkriegt, kann er gern BT bleiben, das eine verkackte Turnier ist ärgerlich, aber verschmerzbar, wenn danach wieder Zug reinkommt und die Dinge so gut laufen, wie in den 12 Jahren davor. Natürlich verstehe ich auch, dass man so nicht abtreten will (und mit Geld hat das mMn nicht wirklich zu tun). Die Wahrscheinlichkeit aber, dass Spielergeneration und Trainer einfach das eine Turnier zu viel zusammen angegangen sind und dass in dieser Konstellation ein sinnvoller Neuanfang mit angemessenem Leistungsprinzip einfach gar nicht umsetzbar ist, ist eben extrem hoch. Hat nichts mit Schuld zu tun, auch nicht mit mangelnder Dankbarkeit, Aber ich kann mir nur sehr schwer vorstellen, dass Trainer und Spieler so radikal resetten können, wie es eigentlich nötig wäre. Es ist toll, wenn man eine Ära begründen kann. Es ist auch als Fan toll, eine zu begleiten. Aber man muss eben nicht nru zupacken, sondern auch loslassen können. Loslassen und dann sofort wieder neu zupacken - und dann noch mit zum großen Teil denselben Menschen....wer kann das schon?
Ich wünsche mir, dass es klappt. Es wäre vor allem toll gegenüber denen, die jetzt versuchen, den Fußball mit Merkel und Flüchtlingen zu verknüpfen und ihre ekelhaften Wutbürgersche*ss quer übers Netz verteilen (und ich wundere mich schon sehr darüber, wieviele Menschen, die sowas ansonsten komplett verabscheuen, jetzt völlig bereitwillig vor dem selben Karren wie diese Heiopeis laufen und in Stammtischmanier gegen Löw und die NM blöken). Es denen zu zeigen, wäre schon ein Fest. Aber leider glaube ich nicht, dass Löw das schaffen kann. Die Daumen drücke ich ihm trotzdem.