Deftones - Diamond Eyes
Wie verkraftet es eine Band, wenn der Bassist nach einem schweren Autounfall im Wachkoma liegt? So passiert bei den Deftones und ihrem Bassisten Chi Cheng im Jahre 2008. Die Band legte das mit Cheng so gut wie fertig gestellte Album "Eros" für unbestimmte Zeit auf Eis, organisierte Benefizkonzerte zur finanziellen Unterstützung der Genesung ihres Bandkollegen und spielen mit einem Leihbassisten, Sergio Vega von Quicksand, ein komplett neues Album namens "Diamond Eyes" ein.
Bandleader Chino Moreno meinte, man wollte nach Cheng's Unfall ganz bewusst ein positives und lebensbejahendes Album schreiben. Selbst unter diesem Vorsatz ist der Sound auf dem neuen Album düster und geheimnisvoll. Moreno's Lyrics sind wie immer kryptisch und frei zu interpretieren. Der Titeltrack legt schon ordentlich los: flott und heavy in den Versen und unverschämt eingängig im Refrain - eine Seltenheit im sperrigen Terrain der Band. "Royal" und "CMND/CTRL" halten das Tempo hoch - Gitarrist Carpenter baut meterhohe Riffwände auf und Moreno bewegt sich wie immer sehr gekonnt zwischen gehauchtem Pathos und hysterischem Kreischen. "I switch commands just because I can" kreischt Moreno beispielsweise in "CMND/CTRL" - der Start des Albums klingt jedenfalls mehr nach purer Aggression und tiefem Frust als positiver Lebensfreude. "You've Seen The Butcher" und "Beauty Queen" schalten dann erstmals einen Gang zurück, wobei letzteres durchaus eingängig ist und eine extrem gute Figur macht.
Die Verschnaufpause ist aber sehr kurz, denn mit "Prince" rollt dem Hörer das nächste Monster entgegen. Ein "typischer" vertrackter Deftones-Song, der in einen schönen Refrain mündet und nach dem sich Carpenter an der Gitarre wieder so richtig austoben darf. Die erste Single "Rocket Skates" hat ordentlich Feuer unter dem Hintern und darf als eines der zahlreichen Highlights gezählt werden. Das langsame "Sextape" fällt da direkt im Anschluss etwas ab, ehe "Risk" als typischer Deftones-Song wieder an Qualität zulegt. "976-EVIL" und "This Place Is Death" sind ebenfalls eher ruhig geraten und runden das Album nicht spektakulär, aber solide ab.
Die Deftones präsentieren sich 2010 gitarrenlastig, aggressiv und energisch - das Konzept geht voll auf, Fans und Kritiker überhäufen das Album mit Lobeshymnen und feiern es als bestes der Band seit "White Pony". Die Produktion von Frank Delgado ist messerscharf und perfekt gelungen. "Diamond Eyes" wächst mit jedem Durchgang und ist das erste ganz große Album 2010. Ganz selten vergebene, aber hochverdiente
10/10
Anspieltipps:
Diamond Eyes,
Royal,
CMND/CTRL,
Beauty Queen,
Prince,
Rocket Skates
Godsmack - The Oracle
Das letzte Album "IV" wurde nicht unbedingt mit Lob überhäuft, fehlte dem vierten Album der Herren aus Boston irgendwie die Power und die Durchschlagskraft, die die ersten drei Alben auszeichnete. Mit "The Oracle" soll der Umschwung folgen und so haben Sully Erna und seine Kollegen sämtliches balladeskes Material weit vom neuen Album ferngehalten. Irgendwie schade, waren es doch gerade solche Stücke wie "Voodoo" oder "Serenity", die zeigten, dass die Band viel mehr drauf hat.
Was folgt, sind 44 Minuten typischer Godsmack-Sound. Das selbe Album hätte die Band auch schon vor ein paar Jahren aufnehmen können, was für den Fan natürlich nichts schlechtes ist - er bekommt genau das, was er sich erwartet. Objektiv muss man aber festhalten, dass die Band, offenbar angetrieben von mittelmäßigen Kritiken für "IV", sich offenbar genötigt fühlte, sich musikalisch im Kreis zu drehen. Irgendwie schade, denn so hat man das Gefühl, die Songs so oder so ähnlich schon gehört zu haben.
Dieses Gefühl hat man schon beim Opener-Brett "Cryin' Like A Bitch", zieht sich auch durch "Saints & Sinners" und spätestens bei "Love-Hate-Sex-Pain" hat man das Spiel durchschaut. Ich bin hin- und hergerissen - einerseits klingt das Material sehr gut und druckvoll, andererseits wünscht man sich an einigen Stellen doch ein bisschen Abwechslung. "What If" baut sich mit einem langen Intro sehr schön auf, verfällt danach aber in das bekannte Muster. "Devil's Swing" ist mit seinem bluesigen Unterton und der Mundharmonika schon der abwechslungsreichste Song, den das Album bietet - wirklich neu ist aber auch das nicht, ähnliche Töne hatte man auch schon bei "Shine Down" auf dem letzten Album angeschlagen.
Zum Schluss bietet Godsmack dann noch einen Instrumental-Song. Für den Titeltrack standen zweifelsfrei ihre Vorbilder von Metallica Pate. Die schafften ja das Kunststück, einen Instrumental-Song minutenlang spannend zu halten, schon öfters bravourös ("The Call of Ktulu", "Orion", "Suicide & Redemption") - bei Godsmack funktioniert das auch schon ganz gut, gerade die letzten zwei Minuten sind sehr gut gelungen.
Einen Godsmack-Song erkennt man noch immer aus zehn Kilometer gegen den Wind, und das schon nach ein paar Sekunden. Man kann das Album in einem Zug durchhören, ohne besondere Schwächen zu finden - im Gegenzug fehlen aber auch die ganz großen Knaller. Auch wenn man sich etwas mehr Abwechslung wünschen würde, kann man mit dem Ergebnis durchaus zufrieden sein.
8/10
Anspieltipps:
Saints & Sinners,
Love-Hate-Sex-Pain,
What If,
The Oracle,
Devil's Swing
Kate Nash - My Best Friend Is You
Ja, Max Power hört auch Kate Nash. Das zweite Werk kann leider nicht mit dem überragenden Debüt "Made Of Bricks" mithalten - das war ob der hohen Erwartungen und den guten Kritiken aber auch so zu erwarten ... ist ja keine Schande
So ist es eben "nur" ein gutes Album geworden. Nash ist eine begnadete Songwriterin, was sie auch auf diesem Album unter Beweis stellt. Viele einzelne Songs sind gut gelungen, nur leider fehlt so etwas wie ein roter Faden, der das ganze zusammenhält. So ist es schwer, das Album in einem Stück durchzuhören.
Dabei beginnt Nash mit "Paris" sehr vielversprechend, ausgestattet mit dem selben Übermut und der selben positiven Energie, die das Debütalbum so auszeichneten. "Kiss That Grrrl" und die Vorab-Single "Do-Wah-Doo" setzen auf 60s Arrangements, während "I Just Love You More" recht experimentiell ausgefallen ist: Rückkopplung zum Start, Gitarren und immer nur der eine Satz, den Nash mal kreischend, mal hauchend vorträgt. Lästig, funkig, interessant - irgendwie alles in einem. "I've Got A Secret" kommt ähnlich schräg daher, "Mansion Song" beginnt mit einem verärgerten Monolog über Groupies und mündet in schrillem Getrommel, während "Take Me To A Higher Plane" auf Geigengefidel im Hintergrund setzt. Bei so vielen Experimenten und Reizüberflutungen wirkt dann eine konventionelle Ballade wie "Pickpocket" fast schon zu gewöhnlich.
Kate Nash hat wieder ein gutes Album vorgelegt, das aber mehr Zeit braucht als der Vorgänger und dabei so einige Überraschung parat hält.
8/10
Anspieltipps (fast alle live, was anderes hab ich auf Youtube nicht gefunden):
Paris,
Do-Wah-Doo,
I Just Love You More,
Later On, Take Me To A Higher Plane,
Pickpocket