Boxtechnisch kann Valuev dem Wladimir natürlich nicht das Wasser reichen. Doch die Mittel, die ihm bisher immer zum Sieg verholfen haben (nein, ich rede nicht von Punktrichtern!
), könnten auch gegen Wladimir zum Erfolg führen, da der nämlich genau dort seine Schwächen hat.
Den unbeschwerten Wladimir früher Tage gibt es spätestens seit Sanders nicht mehr. Auch gegen Valuev würde Wladimir wieder vorsichtig und verhalten in den Kampf starten. Vermutlich etabliert er seinen Jab und trifft damit regelmäßig. Aber was bringt es ihm? Schlagwirkung wird er damit nicht erzielen. Cut-anfällig sieht Valuev ebenfalls nicht aus. Es bringt ihm Punkte - das ist schon ´ne Menge Wert, aber einen frühen KO für Wladimir wird es so keinesfalls geben. Folgt Wladimir mit der Schlaghand, bleibt er eventuell den Moment zu lange stehen und wird selbst getroffen. Das muss noch lange nicht gleich zum Knockdown führen, doch keiner zermürbt auch mit Treffern auf die Deckung so wie Valuev.
Auch Wladimir wird seine Schläge etwas nach oben setzen müssen. Überhaupt hat er Null Erfahrung darin, gegen größere Gegner zu Boxen. Er ist dieses Mal der kleinere Mann. Bleibt er stehen und lässt es auf ein Kräftemessen ankommen, so wie er es aus anderen Kämpfen gewohnt ist, zieht er gegen Valuev den Kürzeren - he´s simply too much. Er muss sich nach schnellen Händen weg bewegen. Wladimir und schnell und Rückwärtsgang?
Da war was! Klar, hat er den Kampf gegen Peter meist im Rückwärtsgang gewonnen, aber der ist nicht Valuev. Da kam vieles ähnlich ungenau, aber zu kurz und eher von unten. Valuev wird von oben schlagen und hat die deutlich längere Reichweite im Vergleich zum Nigerianer. Klitschko ist nicht der Mann, der die Schläge auspendelt. Das geht entweder auf die Deckung (siehe oben) oder Wladimir muss schon aus der Distanz sein. Das heißt viel bewegen.
Wladimir wird sich wahrscheinlich eher für die Variante mit viel Bewegung entscheiden, anstatt sich mürbe klopfen oder gar an die Ringseile stellen zu lassen. Immer schön nach rechts, weg von der Schlaghand. Der behäbige Valuev muss sich dann immer neu ausrichten und kommt kaum zum Schlagen. Die Linke zum Körper vergisst er meist sowieso. Allerdings halte ich Wladimirs Kondition nicht für die beste. Zudem ist das einfach Schwergewicht und Wladimir nicht gerade ein kleiner leichter Mann, auch wenn er in top shape ist. Der tanzt keine zwölf Runden um Valuev herum - das ist ´ne Wunschvorstellung. Je nachdem, was er sich vorher gefangen hat oder wie viel Geschiebe es gab (noch immer nicht Wladimirs Parade-Disziplin), wird er ab Runde 8-9 langsamer und bleibt vermehrt stehen. Und dann kommt Valuevs Zeit, so, wie sie immer kommt.
Ich weiß, der "Weichimir" ist nicht nett und wird von einigen nicht gern gelesen (wofür ich Verständnis habe
), aber so ganz unpassend ist es halt nicht. Wladimir ist nicht der härteste und robusteste Boxer. Kaum einer verliert so den Faden und die Übersicht, wenn die Konzentration nachlässt. Kaum einer geht so schnell zu Boden, auch wenn er nicht sauber getroffen wird (Stichwort: Flucht nach unten). In dieser Hinsicht war Vitali immer der Bessere und ein klein wenig mehr Vitali würde dem Wladimir im kampf gegen Valuev gut zu gesicht stehen. Letztlich ist die Frage, ob und wie oft Valuev Wladimir in den hinteren Runden zu Boden bringt, wenn der Ukrainer müde ist. Entweder wird es dann ein TKO für den Russenriesen oder ein klarer Punktsieg für den kleinen Riesen, abhängig davon, wie aktiv er vorher war.