Das hört sich jetzt so an, als ob das etwas ungewöhnliches wäre. Was unterscheidet Haye von anderen? Ich würde sagen
sehr wenig bis gar nichts. Man muss ihm aber wenigstens zu Gute halten, dass er sich dem körperlich stark überlegenen Wladimir gestellt hat. Als nur großgeratener Cruiser braucht man da schon einiges an Mut für. Riskiert hat er im Kampf dann freilich nichts, und hat die sichere Punktniederlage vorgezogen, da er so keinen Schaden genommen hat.
Er hatte damals im Kampf sehr wohl die Möglichkeit Klitschko KO zu schlagen. Hätte er dass versucht, hätte er aber nicht 12R boxen können, wenn er den KO nicht erreicht hätte. So hat er die 25% Chance gar nicht erst gesucht und hat einfach die Punktniederlage gewählt.
Die Zeiten wo sich Leute selbst etwas beweisen wollen wie Holyfield und Co. sind im Heavy derzeit nicht da. Aber Haye da übermäßig zu kritisieren, scheint mir auch nicht sinnvoll.
Wann hat Wladimir mal Mut gezeigt? Noch nie. Schäbig wie er ist, hat er sich der größten Herausforderung, einem Rematch mit einem alten übergewichtigen Opa, nicht gestellt. Stattdessen stand stets mutiges Zwergenprügeln wie gegen leute der Zwergenkategorie ohne jeden Punch wie Chambers oder Byrd auf dem Programm.
Die mutigste herausforderung der sich Klitschko je gestellt hat, war der 1. Kampf mit dem Boxmutanten Peter. Da ist Haye gegen Klitschko schon ein wesentlich größeres Risiko eingegangen, da er körperlich sehr stark unterlegen war. Klitschko hat einen gleichgroßen soliden Boxer wie Sanders gar nicht erst ein 2. Mal geboxt, nachdem er merkte, dass der ganz schön gefährlich ist.
Es gibt im Boxen nichts Leichteres als einen körperlich deutlich Unterlegenen am Jab an der Nase rumzuführen. Das weiss jeder mittelmäßige Hobbyboxer.
Haye hätte die Option gehabt 25% KO-Siegwahrscheinlichkeit gegen Klitschko inklusive 75%-KO-Niederlagewahrscheinlichkeit wg. Konditionsmängel wenn er wirklich den Sieg gesucht hätte. Stattdessen hat er die 100% Punktniederlagewahrscheinlichkeit mit 0% KO-Niederlagewahrscheinlichkeit gewählt. Das war eine bewusste Entscheidung nach Runde 1 oder 2, nachdem er merkte, dass er nur schwer rankommt.
Aber er ist halt keiner der sich eher kaputt schlagen lässt wie Gatti oder andere, die sich lieber tot aus dem Ring tragen lassen würden. Boxerisch ist er aber weit überdurchschnittlich, wenn man mal so vergleicht, was da sonst so im Heavy rumstolpert und rumtorkelt.
Dir ist aber hoffentlich nicht entgangen, wieviel Geld Haye mit diesem Kampf verdient hat. Mut war der letzte Grund weshalb er gegen Wladimir angetreten ist. Sein Verhalten im Ring hätte das gar nicht besser zeigen können. Haye ging es fast ausschließlich um die fette Börse, ob er gewinnt oder nicht war für ihn zweitrangig. Er wollte diesen Kampf nur überstehen ohne gedemütigt zu werden. Er hat den Kampf überhaupt nicht angenommen, was auch nicht in erster Linie an der Kondition lag. Es fehlte ihm an Härte, Selbstvertrauen, und auch am boxerischen Vermögen. Er wartete nur darauf dass Wladimir alles auf den KO setzt, weil er wusste dass das Risiko zu groß wäre wenn er ansatzweise mitboxt.
Du sagst dass es einfach ist, einen körperlich unterlegenen Gegner im Griff zu haben, erwähnst aber in keiner Weise wie schwer es ist gegen jemanden der nur wegrennt, gut auszusehen.
Da braucht es keine überragenden Defensivfähigkeiten, um einigermaßen Schadensbegrenzung betreiben zu können, wenn der Gegner keine unnötigen Risiken eingeht. Die meisten (ahnungslosen) Zuschauer wollten dann einen ausgeglichenen Kampf gesehen haben, ohne wahrzunehmen dass einer von beiden gar nicht zum boxen gekommen war.
Anders war es z.b bei Chris Byrd, der gegen Wladimir den Kampf annahm und versuchte mitzuboxen. Byrd hätte ebenfalls wegrennen können, und das Resultat wäre vielleicht ein ähnliches gewesen, wie bei Haye. Er tat es aber nicht und bekam Prügel, verdient aber eigentlich zumindest für den ersten Kampf Respekt. Seine Leistung wird im Vergleich zu der Hayes stark unterschätzt. Byrd hatte Defensiv-technisch mehr Möglichkeiten als Haye. Seine Fähigkeit zu decken, sich auf der Stelle zurückzuneigen, auszurollen, zu pendeln, sich abzuducken und sich generell mit den Aktionen des Gegners mitzubewegen, waren ausgeprägter als bei Haye, dessen Defensive zum Großteil auf das einhalten der Distanz beschränkt ist. Der wäre wohl früh KO gegangen wenn er den Kampf ebenfalls angenommen hätte. Im Gegensatz zu Byrd, hatte Haye aber durchaus die Schlagkraft um Wladimir zu gefährden, versuchte aber gar nicht erst davon zu profitieren nachdem er zu Beginn merkte, dass es boxerisch nicht ganz reichen würde und eine KO Niederlage drohen würde.
Bei Haye wirkt alles von vorne bis hinten durchdacht. Sein boxen eher unrund, unflüssig, unnatürlich, eher einstudiert. Seine Gegnerschaft bis zum Wladimir-Kampf lächerlich.
Danach boxte er in 3 Jahren mit Chisora, nur ein einziges mal einen guten Gegner, hier ging er das Risiko einer Niederlage ein und zeigte phasenweise gutes boxen, weil er glaubte somit den für ihn stilistisch passenden, alten Vitali zur Überheblichkeit verleiten zu können. Der Schuss hätte aber auch nach hinten losgehen können, wenn Chisora mit etwas mehr Köpfchen agiert hätte.
Unterm Strich hat er also bis auf den Chisora Kampf, nichts geboxt und auch nicht genug gezeigt, um ihn trotz der Schwäche des Schwergewichts, über andere sogenannte "Top-Leute" heben zu können. Dazu müsste er nach über 2 Jahren Inaktivität schon den ein oder anderen "Top-Gegner" schlagen. Das wird er aber gar nicht im Schilde führe, sondern genauso weiter verfahren wie er es gewohnt ist. In Sachen überlegter Karriereplanung ist er vielleicht sogar die Nr.1 im Schwergewicht. Da reicht keiner an ihn heran.
Wenn man ihn aber an den Äußerungen vieler selbsternannter Fachleute misst, dann ist diese Kritik mehr als gerechtfertigt.