Jein, er wurde ja auf ein Mittel positiv getestet, das nicht auf der Dopingliste stand.
Das ist jedenfalls schon ein Indiz für die Bereitschaft eines Sportlers, leistungssteigernde Mittel zu nehmen. Mindestens bis an die Grenze des Erlaubten, oder besser gesagt: "Nicht Verbotenen". Und als esoterischer Fatalist mit Hang zu Verschwörungstheorien sagt mir das, dass so einer mit guter Wahrscheinlichkeit auch darüber hinaus geht, solange es für ihn nicht zum Nachteil wird.
Da muss man nur Ben Johnson oder Justin Gatlin als Beispiele nehmen: Beide waren aufgeflogen, zurückgekommen, wieder aufgeflogen. Lerneffekt durch die ersten Dopingproben, die man nicht bestanden hat: "Dope wieder. Vielleicht kommst du durch." Aber sicher nicht: "Bleib besser komplett sauber."
Der schwierige Punkt ist der, dass niemand exakt bestimmen kann, was ein Mensch aufgrund seines natürlichen Talents mit optimalem Training zu leisten imstande ist. Dementsprechend dann auch, wieviel Prozent Leistungssteigerung illegal möglich ist. Wie auch schon bei der chinesischen Schwimmerin: Selbst Experten können hier nicht ausschließen, dass ein Sportler sauber sein könnte.
Aber die Wahrscheinlichkeit spricht dagegen. Von Tim Montgomery hieß es mal, dass er ein sehr guter, aber nicht alle Konkurrenten überragender Sprinter gewesen sei. Bei ihm war es so, dass BALCO durchaus wohl für mehr als eine Zehntelsekunde gut war. Und das sind im Sprint natürlich Welten. So reichte es 2002 gar zum WR.
Bolt und wohl auch Blake sind extreme Talente. Das ist wohl ohne Zweifel so, außer wenn man glaubt, dass Gendoping oder was auch immer bereits seit Jahren so weit ist, dass man aus 08/15-Leuten Monster züchten kann. Das hat hier im Thread aber niemand behauptet. Und natürlich kommt auch noch jede Menge Training dazu. Darin unterscheiden sich die Athleten aber allesamt nicht: Die leben allesamt für ihren Sport, denn sonst hätten sie keine Chance. Es mag andere Sportarten geben, in denen man alleine vom Talent her bestehen kann und nicht mal alles für seine Fitness geben muss, aber Sprintwettbewerbe gehören nicht dazu: Um dort zu gewinnen, muss schon alles passen.
Mir geht es einfach nur darum, dass ich die Leistungen zur Kenntnis nehme, aber mich schlichtweg nicht dafür begeistern kann. Ich kann mich nicht auf einen Standpunkt "wer die Dopingtests besteht, ist sauber" zurückziehen. Die Geschichte zeigt, dass das zu naiv ist. Marion Jones hat auch jahrelang alle Tests bestanden, und sie war ein zentraler Bestandteil des BALCO-Systems. Das zeigt also, dass es möglich ist, gedopt die Tests zu bestehen, und da war sie nur eine von Dutzenden bis Hunderten Sportlern/Sportlerinnen, die dies jahrelang schafften, aber letztlich eben doch nicht sauber waren. Soviel also zur Aussagekraft der Dopingtests.
Bei Blake würde ich keine 5 Cent wetten, dass er sauber gewesen sein könnte. Bei Bolt? Vielleicht möglich, aber aus meiner Sicht mit allergrößter Wahrscheinlichkeit nicht. Und wenn ich entsprechend immer das Gefühl habe, hier einem gedopten Athleten zuzugucken, kann ich mich auch nicht für dessen Fabelzeiten begeistern, denn die Frage, wieviel davon Talent und wieviel Chemie ist, bleibt ja immer. Aber gut: Ich interessiere mich sowieso eher für Ballsportarten. Da wird auch gedopt ohne Ende, aber für die Attraktivität und Spannung des Sports an sich ist dieser Faktor viel weniger entscheidend.