Die NY Knicks spielen endlich wieder Basketball. Das Management hat die Weichen für die Zukunft gestellt und wir, die Knicksfans, dürfen erstmals seit einer gefühlten Ewigkeit auf einen echten Kader blicken. Kern dieses Kaders sollen also die beiden Top Forwards Anthony und Stoudemire sowie der neue Center und Defensivanker Chandler sein. Hinzu kommen mit Douglas, Fields, Shumpert und Harrellson gute und vor allem entwicklungsfähige Talente. Zu diesem Kern des Kaders haben die Knicks erfahrene Spieler wie Davis, Bibby, Jeffries oder Balkman verpflichtet. Den Rest des Rosters machen Experimente namens Walker, Jordan, Novak oder Lin aus.
Da die Spieler noch nicht lange, besonders beungünstigt durch ein Geschwür, das Lockout heißt, zusammenspielen, fand und findet der Start in die neue Spielzeit recht holprig statt.
Dennoch sind die Eindrücke, die die bisherigen Spiele hinterließen, durchaus aussagekräftig in Bezug auf die Problemstellen de NY Knicks.
An erster Stelle sei hier der Spielaufbau genannt. Es fehlt ganz einfach die führende Kraft im Angriff. Douglas ist als Point Guard überfordert, da sein Spielverständnis zur offensiven Ordnung nicht ausreicht. Ihn deswegen aber abzuschreiben oder gar abzuschieben ist der falsche Gedanke. Er kann für die Knicks die Rolle eines Jason Terry ausfüllen (sechster Mann, Entlastung der Startaufstellung durch Punkte von außen), wobei er natürlich dort noch hereinwachsen muß. Aber genau das sollte sein Ziel sein und auch das der Knicks.
Also müssen wir auf Davis warten. Dieser darf nicht ins Egogezocke abrutschen. Statt dessen muß er sich, so denn genesen, voll auf den Aufbau konzentrieren und sich mit einfachen Punkten begnügen. Auch muß jedem klar sein, daß er nicht mehr die Statistiken früherer Jahre auflegen wird. Dennoch wird sich das Aufbauproblem im Laufe der Saison selbst lösen, zumal mit Bibby ein solider Backup bereit steht. Douglas wird sicher auch einige Minuten auf de Eins sehen, aber nur in Ruhephasen des Spiels. Lin ist ein Experiment, wird also kaum Spielzeit bekommen.
Die Shooting Guard Position ist zur Zeit Fluch und Segen zu gleich. Mit Fields haben wird hier einen Spieler der für die Mannschaft einen absoluten Bonus darstellt. Mannschaftsdienlichkeit als Spielerformat gibt es in der NBA nicht häufig auf diesem Niveau. Er kann mit der Zeit der Spieler werden, der die Lücken auf dem Feld schließt: Bewegung in der Offensive? Fields läuft? Rebounduntertützung? Fields schmeißt sich in die Schlacht. Ein Defensivschatten wird gebraucht? Fields ist dazu fähig... Der Lockout hat ihm zwar nicht gut getan, aber er wird sich übe die Saison noch fangen. Mit Shumpert hat man wohl einen ähnlichen Spieler gedraftet. Athletisch, agil, angriffslustig (offensiv wie defensiv). Sollte sich seine Fähigkeit, den Aufbau zu entlasten, als konstant erweisen, so wird sich ein Trade für einen Spieler wie Terence Williams in Luft auflösen, da unnötig. Douglas bringt auf dieser Position zudem Feuerkraft von außen und kann in NY noch eine wichtige Rolle einnehmen (s.o.). Walker und besonders seine Einsatzzeit sehe ich als kritisch. Er ist durchaus scorefähig, allerdings ist das auch mehr oder wenige seine Qualifikation. Dazu muss er eingesetzt werden und kann sich den Wurf nicht besonders gut selbst kreieren. Für mich ein verschenkter Platz (verschenkte Zeit) und daher sehe ich ihn auch nur als Experiment, bei dem man hofft, daß er noch explodiert.
Auf Small Forward sind wir gerade offensiv hervorragend besetzt. Anthony heißt hier die Zauberformel. Allerdings muß er sich seine Würfe zu häufig selber erarbeiten, das System stimmt da noch nicht. Zu defensiven Höchstleistungen wird er sich trotz aller Anlagen nicht hinreißen lassen. Leider ist er sich hierfür zu schade. Dennoch muss der Trainerstab zumindest eine solide Rolle für ihn in der Verteidigung finden. Balkman als Backup ist dann die defensiv-solide Variante, aber auch Fields wird ihn entlasten können. Und auf Grund seiner Athletik kann eventuell irgendwann auch Shumpert hier mal aushelfen. Verlangen kann man eine solche Vielfältigkeit aber nicht von einem Rookie. Dafür wird er seine Zeit brauchen.
Stoudemire als Power Forward ist im Angriff eine optimale Lösung. Aber auch für ihn müssen die richtigen Systeme gelaufen werden. Sein Wurf ist zwar mittlerweile stark verbessert und auch in Betracht seiner Verletzungsanfälligkeit notwendig, doch definiert sich sein Spiel besonders durch die Gefahr, die er in direkter Korbnähe erzeugt. Defensiv zeigt er sich zu Beginn de Spielzeit wie sein Forward-Pendant bestenfalls mau, doch muß sich die Defensive auch erst noch finden und der defensive Plan wohl noch entworfen werden. Sowohl bei Stoudemire als auch bei Anthony sind die Defensivaufgaben stark Einstellungssache. Motivationsschübe in den Play Offs und gegen starke Gegner sehe ich nicht als ausgeschlossen. Entlastet wird Stoudemire von den Herren Jeffries, seines Zeichens schon ein Veteran und eine solide Backup-Lösung, und Harrellson, ein Talent, das seinen Aufgabebereich über das Rebounding definiert. Auch Balkman ist eine nicht zu unterschätzende Alternative auf dieser Position.
Kommen wir zu der wohl meistdiskutierten Position (bezüglich der Spieler). Die Knicks haben bei Chandler zugeschlagen. Ich denke, völlig zu recht! Er wird die Verteidigung stabilisieren, denn kaum ein anderer Center kann so gut aushelfen. Das genau ist bei Nebenmännern wie Stoudemire und Anthony (viel zu häufig) aber nötig! Er allein wird zwar keine Spiele gewinnen, aber er wird über die Spielzeit ein Spielelement etablieren, das sich Defensivverhalten schimpft. Besonders gut verhält er sich dabei in einer Zonenverteidigung, die die Knicks im Laufe der Saison einführen müssen! Sicher kann man nicht die ganze Spielzeit über in der Zone verteidigen, aber sie wird einen gewichtigen Beitrag dazu leisten, daß man in NY in nicht allzu ferner Zukunft wieder von einer echten Defensive sprechen kann (Chandler wird die Knicks also nicht zur defensiven Nummer eins machen – aber er wird uns definitiv aus dem Keller holen). Zumal sich die Zonenverteidigung dafür eignet, schlechte Individualverteidigung (Forwards) zu kaschieren. Im Angriff verarbeitet er Offensivbretter oder ermöglicht dadurch neue Angriffe und ist auch sonst in Korbnähe zu gebrauchen. Erwähnenswert ist zudem seine Freiwurffähigkeit.
Ob Jordan als Backup taugt muß sich erst einmal zeigen, er gilt ebenfalls als Experiment, gibt dem Kader aber zumindest einen weiteren großen Spieler. Somit fällt die Backuprolle wohl am ehesten auf Jeffries, wobei auch Harrellson und Stoudemire – bitte nur selten – auf der Centerposition auflaufen können.
Das Spielsystem krankt bisher gewaltig, offensiv wie defensiv. Daß D´Antoni ein Verteidigungsallergiker ist, sollte jedem bekannt sein. Daß aber die Offensive nun auch noch lahmt, ist bei einem Angriffsspezialisten doch bemerkenswert. Sollte mit Davis keine Besserung eintreten und D´Antoni weiterhin sein Glück im Dreierwettbewerb suchen – und das Ganze ohne diese widerliche Verteidigungsarbeit – müssen sich die Knicks einen neuen Cheftrainer suchen. Denn in dieser Liga gewinnt man nur durch werfen, werfen, werfen nicht besonders viel. Obwohl ich mir gerade in de Defense kaum Besserung unter D´Antoni vorstellen kann, sollte er bis zum Scheitern seine Chance erhalten. Denn erstmals in seiner Knickszeit hat er einen Kader zur Verfügung, der nicht ständig durcheinander gewirbelt wird.
Da aber ein Defensiv-Assistent bisher nichts gebracht hat (nicht bringen darf? Vertiedigung ist aber auch ekelhaft!), halte ich es für mehr als fragwürdig, ob wir den richtigen Trainer haben. Somit sehe ich die größte mögliche Problemstelle der NY Knicks auf der Trainerbank.
Trotzdem, weil besonders die Kaderzusammensetzung in die richtige Richtung geht, sehe ich eine tolle Zukunft für die Knicks, mit den besten Spielern seit der Ewing-Ära!