Die Eagles gehen mit allen 22 vorgesehenen Startern in das Spiel morgen. Das ist schon sagenhaft und sehr selten, neben dem einfachen Schedule ein Faktor, den man bei aller Magie und aus meiner Sicht berechtigtem Optimismus, den diese Saison in Philly ausgelöst hat, nicht unterschätzen sollte. Tja, und dann kommt auch noch ein Rookie QB in eine der wildesten Arenen der ganzen Liga. NFC Championship Game im Linc ist als Auswärtsteam kein Zuckerschlecken, man frage nur
Harrison Smith. Also schonmal Super Bowl Tickets buchen?
Leider nein. Purdy hatte zwar schon auch ziemlich Glück in den vergangenen beiden Wochen, dass er keine INTs geworfen hat, aber ich bin mir nicht so sicher wie viele, dass das "ein Ende finden muss". Nicht, solange Kyle Shanahan süße Köstlichkeiten in sein Ohr flüstert. Am meisten Sorgen machen mir eigentlich zwei Dinge:
- die Mitte des Feldes: für eine starke Offense sind die 49ers eigentlich absurd schlecht "Outside the numbers". Was heißt schlecht, sie ignorieren sie größtenteils. Für die Eagles sind das gar keine guten Nachrichten, dann da liegt die Stärke ihrer Defense: Slay und Bradberry als Shutdown Outside CBs auf einer Insel kombiniert mit dem fantastischen Pass Rush waren die Hölle für die meisten Offenses. Die Schwächen der Eagles liegen in der Mitte, bei den LB in Coverage (Edwards mit Abstrichen, Kyzir White sehr deutlich) und etwas weniger auch bei den Safeties. Immerhin kann CJGJ wieder den Deep Safety spielen, da Maddox als Slot CB zurück ist. Nichts gegen den Safety Reed Blankenship, ich mag seine Aggressivität und vertraue ihm in Coverage mehr als White, aber er ist nunmal ein UDFA aus Middle Tennessee State. Die Mitte gegen Samuel, Aiyuk, Kittle und CMC zu verteidigen, wird wahrscheinlich die größte Herausforderung in diesem Spiel. Dazu kommt eine weitere Schwäche der Eagles zum tragen: Tackling. Kein Team hat solche Run and Yards after Catch Monster wie die 49ers - nur so kann eine Offense (quasi) ohne Deep Passes Outside the Numbers überhaupt funktionieren.
- eine unterschätzte Schwäche von Hurts (von der ich auch erst gestern erfahren habe): er ist schlecht in Würfen on the run, outside the Pocket. 37 % Compl. Percentage, 4.2 Yards per Attempt, 52.5 Rating. Das kann gegen diese bärenstarke 49ers Defense, für mich die beste Defense der Liga, schon brenzlig werden. Ich würde zwar niemand so sehr wie Lane Johnson Vertrauen, Nick Bosa kontrollieren zu können, aber es bleibt eben die Frage, wie fit er ist. Das ist jetzt wahrlich kein Hot Take, aber Johnson vs. Bosa ist vielleicht das wichtigste Matchup in diesem Spiel.
Für die Eagles spricht, dass CMC zwar spielen wird, aber offensichtlich nicht bei 100 Prozent ist. Er hat seine Wade ja immer wieder dehnen müssen letzte Woche und war im letzten Drive nur für zwei von sechs Plays auf dem Feld. Diese Woche zwei DNP im Training, Freitag dann Full. Laut 49ers Reportern sah er gegen Dallas auch nicht so spritzig aus wie gewohnt. Wäre an sich für die 49ers schon ein Problem, könnte aber zu einem sehr großen werden, falls Mitchell nicht spielen kann (Questionable, hat gar nicht trainiert diese Woche). Die 49ers brauchen mMn definitiv ihr gewohntes Laufspiel, um in den Super Bowl zu kommen und so fantastisch Deebo Samuel ist -
alleine kann er das nicht liefern. Wenn die 49ers mit Purdy auf ein Dropback Passing Game ohne Play Action angewiesen sein sollten, werden die Eagles aus meiner Sicht in den Super Bowl kommen.
Umgekehrt wird es für die Eagles wichtig sein, dass AJ Brown wirklich nichts größeres hat und nahe an den 100 Prozent ist. Nicht einmal zwingend wegen seiner Production (obwohl ein gutes Spiel von Brown natürlich sehr helfen würde), aber alleine schon, um den CB Ward zu binden. Sein Gegenüber Lenoir ist solide, aber Lenoir gegen DeVonta Smith dürfte für die Eagles der größte Matchup Vorteil in diesem Spiel sein. Smith muss liefern, denn AJ Brown und Goedert werden gegen ihre elitären Gegenspieler Ward/Warner/Greenlaw/Hufanga automatisch eingeschränkt werden.
Wenn es das enge Spiel wird, mit dem man auf dem Papier rechnen muss, könnte auch Siriannis Situational Coaching und Game Management zu einem entscheidenden Vorteil werden. Denn so unbeschreiblich gut Kyle Shanahan als Playcaller ist und so gut als HC, im Game Management ist er so konservativ wie Konrad Adenauer. Es gibt in big games gefühlt kein 4th and Short, in dem ein Field Goal (oder gar ein Punt) nicht seine größte Erfüllung darzustellen scheint. Keine Ahnung, wie ein Mensch mit einem offensichtlich so hohen Football-IQ so stur und ignorant gegenüber Mathematik und Wahrscheinlichkeitsrechnung sein kann, aber ich nehme es am Sonntag gerne mit. Und es ist nicht nur seine 4th Down Risikoaversion, er trifft manchmal einfach auch komische Entscheidungen, was das Clock und Timeout Management angeht, so auch gegen die Cowboys vor der Halbzeit, was nur durch Glück nochmal gut gegangen ist. Sirianni ist in solchen 2 Minute Situations und generell im Situational Football in der Regel gut und Hurts ebenso.
Ich war zu Beginn der Woche noch skeptisch, bin dann aber doch immer optimistischer geworden (klassischer Lauf der Dinge vor solchen Spielen). Mittlerweile kann ich mir einen deutlichen Eagles Sieg zumindest vorstellen (wenn sie den Run der 49ers stoppen können), umgekehrt fällt es mir schwer, die 49ers deutlich gewinnen zu sehen. Das mit Abstand wahrscheinlichste Ergebnis ist aus meiner Sicht ein enges Spiel, in dem Kleinigkeiten am Ende den Unterschied ausmachen werden. Die Eagles werden einen Deep Shot auf Quez Watkins callen - ob Hurts diesen Pass an den Mann bringt oder nicht, kann schon den Unterschied zwischen Super Bowl und Urlaub ausmachen. Ob Slay oder Bradberry einen ungenauen Pass von Purdy fangen oder es nur ein PBU wird, ebenso. Game of Inches, ist ein Klischee, aber wenn zwei solche Schwergewichte aufeinander treffen, eben auch Realität. Ich sehe die Eagles knapp vorne, wäre aber auch nicht schockiert, wenn die 49ers knapp gewinnen. Es sollte jedenfalls ein Leckerbissen werden, auch für neutrale Beobachter - zumindest wenn man gutes Play in den Trenches zu schätzen weiß.