Sean Desai ist also der neue Eagles DC. Bin da etwas zwiegespalten. Also vorweg: Sirianni und Roseman haben sich natürlich Vertrauen erarbeitet, der Process der Verpflichtung war auch einwandfrei. Breit gefächtertes Netz an Interviews, junge College Coaches und erfahrene NFL Coaches, unterschiedliche Schemes, unterschiedliche Coaching Trees. So stelle ich mir das vor.
Ich trauere immer noch Jim Leonhard hinterher, dem langjährigen DC von Wisconsin mit NFL Background als Spieler. Das wäre eine fantastische Verpflichtung gewesen. Er hat über Jahre hinweg aus wenig sehr viel gemacht, ist kreativ - und vor allem aggressiv.
Das war für mich so ein wenig der entscheidende Faktor, um ehrlich zu sein. Gannons Defense war statistisch überragend und gegen alles außerhalb von Top 10 QBs auch erfolgreich. Aber ich mag diesen reaktiven und passiven Ansatz einfach nicht, dieses "über sich ergehen lassen". Und sobald man damit auf die großen Jungs auf QB trifft, funktioniert er eben auch nicht.
Vic Fangio war lange mein absoluter Traum als DC, habe ich auch oft genug kund getan. Aber "er kommt aus dem Fangio Tree" ist für mich trotzdem ein ziemlich großer Turn Off. Denn der Scheme ist außerhalb von Fangio selbst eben weder schön anzuschauen, noch besonders effektiv. Dazu kommt, darüber hat Fangio selbst ja auch schon gesprochen, dass er immer schlechter werden wird, je mehr Defenses so spielen. Ist ja auch logisch, der Fokus der Offensive Coaches wird ja immer stärker darauf gerichtet sein. Fangio selbst wird da Lösungen entwickeln, er ist ein Top 3 Defensive Mind seiner Generation. Aber das bedeutet nicht, dass Coaches, die X Jahre mit und für Fangio gearbeitet haben, Lösungen entwickeln werden.
Was also bringt Desai, außer Erfahrung unter Fangio? Er war für ein Jahr DC bei den Bears. 13th DVOA. Bei den Yards allowed ziemlich gut (6th, aus dem Kopf heraus), aber können wir bitte endlich aufhören, diese k*ck Stat überhaupt zu zitieren? Es ist doch sowas von Sche*ßegal, wie viel absolute Yards ich abgebe, ernsthaft! Points Allowed, Red Zone Defense, 3rd Down Defense, Turnover, Big Plays allowed, Success Rate/EPA per Drive allowed, Yards per Play, Pressure Rate, Sacks - so bewerte ich meine Defense. Zusammengefasst mit Analytics wie DVOA. Sorry für diesen Rant, aber wenn irgendwelche Vollidioten mit "it's the #3 ranked Defense!" ankommen und dann absolute Yards allowed zitieren, könnte ich echt fuchsig werden. Das ist Volksverdummung.
Die Kehrseite bei Desais einem Jahr als Bears-DC war, dass sie viele Punkte zugelassen haben (in den 20ern geranked). Aber am Ende gibt die DVOA wohl das beste Bild und im ~ ersten Drittel der Liga zu sein, obwohl er Teil eines Teams war, das endlich Matt Nagy loswerden wollte und das mit Roquan Smith nur einen (fitten) Blue Chip Player hatte, ist schon respektabel. Er hat viel aus Robert Quinn herausgeholt (im Gegensatz zu Johnny Gans
), trotz einer schlechten Secondary und einer verletzungsgeplagten Front Seven (u.a. Mack, Hicks und Goldman).
Nachdem er drei verschiedene Head Coaches im Building der Bears überlebt hat (Trestman, Fox, Nagy), ging es dann in der abgelaufenen Saison nach Seattle. Das gefällt mir, weil er damit jetzt nach Fangio mit Pete Carroll noch einen zweiten guten Defensive Coach aus der Nähe erlebt hat, der aber gleichzeitig einen anderen Scheme als Fangio hat. Wie genau seine Rolle und auch sein Einfluss war (Titel war Assistant Head Coach/Defense), ist schwer zu sagen. Wahnsinnig erfolgreich war es jedenfalls nicht, aber: Patrick Mahomes hatte gegen die Seahawks seine schlechteste Saisonleistung. Das bedeutet für mich durchaus etwas. Und er hatte sicherlich seinen Anteil an den starken Rookie Seasons von Woolen und Bryant.
Der Scheme, der ihm nachgesagt wird, 2-4 mit 2 DL, 2 Stand Up Edge Rushern und insgesamt Nickel Heavy, klingt nicht wirklich berauschend. Aber ihm wird, und das macht durchaus Hoffnung, nachgesagt, dass er sehr intelligent sei und ein sehr guter Lehrer. Er hat Pädagogik studiert und war zu Beginn seiner Coaching Karriere noch nebenbei Dozent in Temple. Er kennt auch Philly sehr gut (Temple spielt ja auch im Linc).
Am Ende wird die entscheidende Frage sein: Lässt er sich von den Mahomes dieser Welt demütigen, wie Gannon, oder kann er in solchen Spielen einen Plan entwickeln? Das wird erst die Zeit zeigen. Sirianni hat sich sehr viele Kandidaten angeschaut und traut es offenbar Desai am ehesten zu. Seine Intelligenz erlaubt es Desai hoffentlich, seinen Scheme weiterzuentwickeln und nicht einfach Fangio anno 2019 zu kopieren. Ob er es schafft, wird erst die Zeit zeigen.
Die Eagles sind nach den Buccs unter Arians erst das zweite Team, das drei Minority Coordinator hat. Das finde ich gut, moralisch, aber auch aus Team Building Sicht (die zwei 3rd Round Comp Picks, wenn ein Minority Coordinator zum Head Coach wird, finde ich reizvoll, erleichtert gefühlt den Verlust von guten Coordinator). Bei
Brian Johnson, dem neuen OC, kann ich mir gut vorstellen, dass da ziemlich zeitnah die Picks fließen werden. War für mich der völlig naheliegende Nachfolger für Steichen, der ein deutlich größerer Verlust sein wird als Gannon. Aber ich habe bei Johnson überhaupt keine Bedenken. Und das nicht nur, weil er Hurts die Windeln gewechselt hat (zumindest metaphorisch). Die Eagles hatten ironischerweise Probleme, die Rooney Rule einzuhalten (ein
externer Minority Candidate musste eingeladen werden, Sirianni sagte dann bei seiner PK, dass er den OC von Iowa State interviewt hat).
Wenn die Eagles Offense weiterhin gut sein wird - das ist nicht sicher, aber zumindest wahrscheinlicher als bei der Defense -, dürfte da einigen Ownern das Wasser im Mund zusammenlaufen. Johnson hat Hurts entwickelt, er hat als OC Kyle Trask zum Heisman Finalist und 2nd rounder gemacht, er hat Dak auf dem College entwickelt. Er war ein sehr guter College Quarterback (Senior Year 13-0 mit Utah). Er hat mit Dan Mullen einen schwierigen Menschen und miserablen Recruiter, aber sehr guten und kreativen Schemer in seinem Background. Und dann Sirianni, der ja scheinbar auch hoch angesehen wird in der Liga. Die größte Hürde für Johnson wird es sein, als Playcaller ein ähnlich gutes Gefühl für den Flow eines Spiels zu entwickeln, wie Steichen es hat. Davon abgesehen gehe ich davon aus, dass ein Leistungseinbruch der Eagles Offense nur bedingt mit Brian Johnson zu tun hätte.