Auf die Gefahr hin, dass mir ein betont sachlich argumentierender Vertreter der Beyer-Fraktion nun Trunkenheit am Bildschirm vorwirft.
Der Ringarzt kann nicht die Kampfunfähigkeit eines Boxers feststellen. ER kann nur den Ringrichter in dieser Frage beraten. Die WBC-Regeln sehen eindeutig vor, dass der Ringrichter den Entscheid hat. Wers nicht begreift sollte vielleicht mal einen Englischkurs besuchen.
Tatsache ist, dass Beyer nach der 5. Runde aufgeben wollte. Der ARD-Kommentator hat das - zweifellos von seinem Reporter in der Beyer-Ecke - erfahren. Beyer begründete unmittelbar nachher gegenüber der ARD, weshalb er nicht mehr weiterboxen kann. Seine Begründung ist nachvollziehbar, denn er hat in der 4. und vor allem der 5. runde Greens linke Jabs teilweise ohne den geringsten Versuch zur Abwehr genommen - eben wie jemand, der den Schlag gar nicht mehr sieht. Und wenn er nichts mehr gesehen hat, war das NICHT die Folge des Kopfstosses in der 5. runde, denn das wäre nur möglich, wenn die Zeit rückwärts liefe. (Für einen Mann, der angeblich total übersäuert war und keinen geraden Schlag mehr zustande brachte, hat Green noch recht ordentliche Jabs geschlagen. Das an die Adresse von Ottke.)
Man kann deshalb beim besten Willen nicht behaupten, dass die DQ Greens gemäss den Regeln erfolgt war, denn Beyer hatte schon anufgegeben, als der Ringarzt und dann der Referee ihre Meinung änderten. Ganz abgesehen davon kann der Referee seine Tatsachenentscheidung gar nicht zurücknehmen, auch wenn sie falsch gewesen sein sollte. Hier muss man allerdings Clancy zu Gute halten, dass er den Kopfstoss in der 5. Runde ohne Slomo hat sehen müssen!
Ich persönlich halte Beyer auch nicht für einen Betrüger, aber für den Profiteur eines Betrugs. Meine Kritik richtet sich in erster Linie an Sauerland, den Ringarzt, den WBC-Supervisor (wozu war der eigentlich am Ring - um die Eifel zu sehen oder um sicherzustellen, dass alles gemäss den Regeln abläuft?) und natürlich auch an den Ringrichter, der darauf hätte bestehen müssen, dass der Kampf weitergeht. Beyer hätte dann ja immer noch aufgeben können.
Green hat sich die "Niederlage" sicher AUCH selber zuzuschreiben. Wenn er ab der 4. Runde hinter seinem linken Jab geboxt und dazu den einen oder anderen linken Haken im Auftauchen geschlagen hätte, hätte Beyer wohl in 2 bis 3 Runden ehh aufgeben müssen. Da fehlte wohl die Erfahrung, weil taktische Finessen bei den bisherigen Gegnern Greens wohl nicht nötig waren. Das "Flaschenboxen" hat eben auch Nachteile... Dass Green besonders unfair boxte, fand ich übrigens nicht. Am Dienstag konnte man auf Eurosport die EM im Federgewicht sehen. Der Französe Thomas hat dabei bei fast jedem Clinch mit der einen Hand den Kopf seines spanischen Gegners gehalten und mit der anderen noch einen oder zwei Schläge plaziert. Wäre auch nicht erlaubt. Er wurde weder verwarnt noch disqualifiziert. Der Spanier andererseits ist immer mit dem Kopf voran in den Mann gegangen - zugegebenermassen nicht so extrem wie Green. Und Ottke hat gegen Starie auch immer wieder geklammert. Am Schluss hat er fast jede Aktion des Gegners so unterbunden. Wenn man ein klinisch reines Berufsboxen will, hätte Ottke mindestens verwarnt werden müssen.
Zum Schluss noch dies: Vitali benötigt bei einem Cut, der noch einiges schlimmer war als derjenige Beyers, maximal sechs Monate Pause. Die 12 Monate von Beyer lassen sich sicher nicht mehr medizinisch erklären. Die Lösung hat jedoch den Vorteil, dass die WBC, die ARD und Sauerland das Gesicht wahren können. Dass sich nun Lucas statt auf Beyer auf Green einstellen muss, finde ich hingegen nicht weiter schlimm. Beide haben ja gleich viel Zeit, sich vorzubereiten.