Canelos Kampfrekord ist natürlich mit hochkarätigeren Gegnern (und Siegen) gespickt, aber der Unterschied ist keine Welt. Canelo kämpft seit 2012 traurigerweise nur noch zweimal pro Jahr. 2012 hat er Mosley (weit über den Berg) und Lopez (aufgeblasener Superleichtgewichtler) geboxt. Für die Phase seiner Karriere waren beide Gegner ok. 2013 dann Trout und Mayweather. Trout kam gerade aus einem Sieg gegen Cotto und Mayweather war die P4P #1. Den Kampf gegen Trout hat er IMO verdient gewonnen (Trout musste in der siebten einmal runter), wobei die offiziellen Wertungen recht deutlich waren. 2014 dann Angulo und Lara. Angulo war eine klare Sache und Lara hat er IMO auch verdient geschlagen. Ich habe mir eben nochmal die Schlagstatistik angeschaut. Canelo ist nicht für eine hohe Workrate bekannt, aber Lara hat noch weniger gemacht. In meiner Erinnerung hat er viel zu zögerlich agiert und sich quasi die Butter vom Brot nehmen lassen. Canelo hat in vielen Runden einfach smarter geboxt und Lara vor sich hergetrieben ohne getroffen zu werden. In dem Fall kriegt dann halt der Aggressor die Runde (auch wenn er selbst kaum trifft). 2015 gab es dann die "Showcase Opportunity" gegen Kirkland - die er grandios wahrgenommen hat - und IMO seine bis dato boxerische Sternstunde gegen Cotto. Die Leistung hat mich definitiv überzeugt. Hier hat er wunderbares Konterboxen gezeigt und Cotto boxerisch beherrscht. Klar, seine Physis hat auch eine Rolle gespielt, aber Cotto ist nicht so weit weg von Canelo wie Khan. In dem Kampf hat mich Canelo stark an Juan Manuel Marquez erinnert. IMO ist er technisch mittlerweile auf einem ähnlichen Niveau wie Prime Marquez. In puncto Beinarbeit und Kondition muss er aber noch zulegen. Zumindest der Kondi sollte ein Aufstieg ins Mittelgewicht gut tun.
Lara, Cotto und mit Abstrichen Trout sind sicher besser als alle bisherigen Gegner von Golovkin mit Ausnahme Lemieux (ich würde ihn gegen Lara und Trout favorisieren). In Golovkins Rekord finden sich aber bestimmt auch 5-7 Boxer, die besser sind als ein Angulo oder Kirkland, die aber nie den selben Hype erfahren haben.
Mittlerweile wächst bei mir auch die Zuversicht, dass der Kampf tatsächlich kommt, aber das Gefühl, dass sich Canelo bzw. GBP doch noch irgendwie rauswinden, ist noch nicht gewichen. Letztendlich sorgt das ganze Ballyhoo für eine gewisse Erwartungshaltung bei den Fans und Medien, die natürlich jetzt befriedigt werden will. Ich halte folgende Szenarien für realistisch: Man bietet Golovkin einen Kampf im Superweltergewicht zu fairen Konditionen an (Canelo: "I don't care about the belts, let's fight for pride and honour!"). Team Golovkin lehnt ab, obwohl der Split fair ist. Team Canelo weist auf alte Aussagen von Team Golovkin hin ("I would go down to 154 for Mayweather.") und kommt mit einem blauen Auge davon. Szenario #2: Man bietet Golovkin Peanuts für einen Kampf im Mittelgewicht oder einem CW bei 157 Pfund. Wobei letzteres Szenario sicherlich mit dem Risiko verbunden ist, dass sich Team Golovkin tatsächlich darauf einlässt. Ich bin auf jeden Fall gespannt wie das ganze ausgeht.
Für alle die an einer detaillierten Beschreibung des Sparrings zwischen Golovkin und Canelo im Jahr 2011 (detaillierte Beschreibung aller sechs Runden) interessiert sind, habe ich folgenden Link (auf Seite 2 wird das Sparring beschrieben):
http://ringtv.craveonline.com/news/...z-golovkin-worth-driving-up-a-mountain-to-see
Habe ich vor Jahren zwar schon einmal ins Forum gestellt, ist aber jetzt aktueller denn je.
Canelo war game, aber der Jab hat ihm nicht geschmeckt. So in etwa sehe ich einen möglichen Kampf auch. Wenn Golovkin zu aggressiv agiert, kann ihn Canelo auskontern und möglicherweise auch weh tun. IMO wird es aber sauschwer für ihn, wenn Golovkin seinen Kampf wie gegen Lemieux über den Jab aufbaut. Dann muss er kommen und das widerspricht seinem natürlichen Kampfstil. Sollte der Kampf tatsächlich kommen, tendiere ich momentan eher zu einem taktischen Duell als einer Schlacht. Ich wäre nicht überrascht, wenn Golovkin den Berserker komplett Zuhause lässt und das Ding 12 Runden lang eiskalt runterboxt.
Btw, Canelo war zum Zeitpunkt des Sparrings noch grün hinter den Ohren und Golovkin erst kurz bei Sanchez. So wie es sich ließt war Canelo wohl am Limit, während Golovkin eher rumprobiert hat. Erwähnenswert ist auch, dass beide insgesamt 40 Runden (!) miteinander gesparrt haben. Genau so viele Runden standen sich beispielsweise auch Pacquiao und Marquez im Ring gegenüber. Natürlich ist ein richtiger Kampf etwas anderes als Sparring, aber die beiden kennen sich (boxerisch) quasi richtig gut. Hätte Canelo damals ähnlich "versagt" wie ein Angulo oder Chavez Jr., hätte man ihn nicht so viele Runden drehen lassen.