Kann man so auslegen. Oder eben so, dass sogar der extrem defensivstarke und mit hohem Ring-IQ gesegnete Fury nicht in der Lage war sich Wilders (eben doch unberechenbaren) Schwingern über 12 Runden zu entziehen.
Ich habe nie behauptet, dass Wilders Haken nicht gefährlich sind. Man hat in dem Kampf gesehen, dass Fury sie überwiegend gemieden hat oder ihnen mit einer entsprechenden Bewegung ein Teil der Wirkung genommen hat. Das ist im Boxen - gerade im heutigen Schwergewicht - schon eine große Nummer. Ja, er hat im Kampf auch in einzelnen Szenen Fehler gemacht, insgesamt war das aber schon taktisch und technisch größeres Kino. Wilder hat genau das gemacht, was er schon gegen alle anderen Gegner auch gemacht hat. Eine Adaption der Aktionen von Fury fand bei Wilder nicht statt und damit: Nein, unberechenbar ist da nichts.
Ich kann ja verstehen, dass sich einige von der schieren Power von Wilder und einem faktischen Contender, der sich in der ersten Runde nach dem ersten richtigen Treffer die Deckenbeleuchtung ansieht, sehr anfixen lassen, aber man sollte doch einen Rest an Beobachtungsgabe und Realitätssinn bewahren. Ortiz hat über viele Runden defensiv wie offensiv "ganz einfach" technisch sauberes Boxen gezeigt. Damit hatte Wilder mehr als genug zu tun. Erst als Ortiz der Pace Tribut zollen musste, er die Distanz nicht mehr herstellen konnte und zugleich die Arme hängen lies, konnte Wilder seine sattsam bekannten Haken ins Ziel bringen. Bis dahin war es das bekannte lang bleiben, Jab rausstoßen und lauern - Runden lang. Ich schnalze dabei eben nicht mit der Zunge, weil ich das Ergebnis nicht als einzige Grundlage für meine Bewertung sehe. Durchaus ähnlich war die taktische Marschrichtung von Joshua gegen Povetkin (und gegen Parker). Ergebnis stimmt, der Weg dahin war von der Ruhe und Disziplin her beeindruckend, von der Technik her nicht. Gegen Fury war es für Wilder ein bis auf die Niederschläge und das eher schmeichelhafte Endergebnis ziemlich frustrierender Abend. Im Ergebnis hatte Fury den Kampf viel eher nicht gewonnen als Wilder ihn nicht verloren. Ein Verweis auf die Demonstration gegen den handgemachten und völlig überforderten Brezel ist mir im Hinblick auf die tatsächliche Leistungsfähigkeit Wilders einfach viel zu unbedeutend und daher zu kurz gesprungen.
Ebenso ist es meines Erachtens geradezu Quatsch, einem Joshua zu unterstellen, er wolle gegen Wilder (jetzt erst Recht) und gegen Fury nicht antreten, weil er
Joshua hat die Hose voll und will erstmal gegen Leute aus der 2. Reihe abkassieren. Gegen Wilder ist es wohl lediglich die normale Angst vor der Niederlage, bei dem Gedanken an Fury jedoch überfällt ihn geradezu tiefste Panik. Joshua ist sich durchaus bewusst das Fury seine Karriere beenden könnte. Also vom Kopf her. Ein Mental-Coach würde da sicherlich helfen.
Joshua weiß um die Schwächen von Wilder und von Fury. Er weiß auch um deren Stärken und kennt sein eigenes Paket. Joshua hat die Hose voller Selbstvertrauen, genauso wie Wilder und Fury auch. Wenn Kämpfe nicht zustande kommen, dann sehr selten, weil Boxer nicht wollen, sondern weil Boxen ein Geschäft ist und die beteiligten Manager/Promoter/Fernsehsender den Blick auf den günstigsten Zeitpunkt unter ganz anderen Aspekten wie Boxfans haben.