Wäre Ike z.B. kein derartiger Boxer und gäbe es nicht die um ihn gestrickten Legenden: wäre er einfach der Typ in deiner Nachbarschaft dem Amt/Gelegenheitsjobs/dubiose Geschäfte die Wohnung finanzieren, der dir die Eingangstür vor der Nase zuknallt, der Frauen abfällig auf den Hintern gafft, der Müll neben die Tonne wirft, sich einen Dreck um die Hausordnung schert, aber der brüllend vor deiner Tür steht, wenn du deine Wohnung renovierst und er darum nicht seinen Rausch ausschlafen darf. Ich glaube, diesem Typ würde hier niemand einen Geldgewinn wünschen/gönnen ... außer, wenn er dann aus- und umzieht.
Ike ist nichts anderes als ein weiterer Valero, Ayala Jr. , La Motta. Butler und und und.
Zum einen: Ich weiß nicht, wie Ike sich heute benimmt, ob er in dubiose Geschäfte verstrickt ist, Frauen belästigt, die Nachbarschaft terrorisiert. Wenn er ein solches ********* ist wie beschrieben, würde ich ihm bestenfalls wünschen, dass er aus all dem wieder herauskommt. Aber ich weiß es nicht, ich weiß, dass er vor einem Vierteljahrhundert eine Frau vergewaltigt hat und dafür rund 15 Jahre im Gefängnis war. Er hat - wie ich erst jetzt nachgelesen habe, ein Kind entführt und durch einen absichtlichen Unfall dauerhaft verletzt (was irgendwie - ohne eine Vergewaltigung verharmlosen zu wollen - mir noch schlimmer erscheinen will). Aber er war auch zu diesem Zeitpunkt bereits psychisch krank und ich kann noch nicht mal beurteilen, ob er bei seinen Taten überhaupt zurechnungsfähig war.
Ich wünsche ihm nicht alles Gute, weil er früher ein großartiger Boxer war, sondern weil er ein Mensch wie jeder andere ist (ich würde auch dem Typ aus der Nachbarschaft prinzipiell alles Gute wünschen, für ihn hoffen, dass er ein anderes, für ihn und seine Umgebung besseres Leben führen kann). Wäre Ike jemand, von dem ich weiß, dass er so rücksichtslos ist wie du es hypothetisch beschreibst, dass er seine Taten klein redet, seine Schuld negiert, würde ich ihm wohl keinen finanziellen Erfolg wünschen, hingegen aber (wie im anderen Posting beschrieben) ein Umfeld, dass ihm Einsicht in sein Tun vermittelt (und damit immer gleichzeitig allen anderen, die mit ihm im Kontakt sind, hilft).
Ich glaube schon zu wissen, was du meinst (und das stößt mir genauso sauer auf wie dir): Diese kritiklose Verehrung für großartige Boxer, deren teilweise beschissenes Benehmen ihrer Fähigkeiten wegen verharmlost wird. Ali, der seine Frau verprügelt hat und heute eine Verehrung genießt, die sich nicht nur auf seine Boxkünste bezieht, sondern auf den Menschen an sich (wenn er etwa nur noch mit seinem Vietcong-Zitat assoziiert wird, mit seiner Kritik an Rassismus), Mike Tyson, der ebenso Frauen verprügelt und vergewaltigt hat, die erwähnten Ayala Jr. und Valero (ad infinitum). Das finde ich genauso widerlich und heuchlerisch, aber das war
meine Motivation
nicht, Ike ein angenehmes Leben zu wünschen.
Wie gesagt - ich weiß nicht (wahrscheinlich genauso wenig wie du), ob Ike irgendwas verstanden hat von dem Leid, das er über Menschen gebracht hat. Ich hoffe es für ihn, für alle anderen.
Aber ich wünsche ihm nicht deshalb Erfolg, weil er ein herausragender Boxer war. Ich wünsche ihm vor allem Einsicht und irgendwas wie Verantwortungsbewusstsein. (Etwas, was ich etwa bei Schwarz gänzlich vermisst habe: Weshalb mir dieser Typ mindestens so sehr zuwider ist wie Ike. Auch für den wäre v. a. ein Verstehen dessen wichtig, was er getan hat, die Erkenntnis, dass sein Verhalten nicht nur andere schädigt, sondern wohl auch ihn selbst.)