obwohl Du für den Ausdruck "geringe Breite in der Spitze" eigtl. 5 € ins Phrasenschwein einzahlen müßtest
Aus meiner Sicht ist es nunmal so. Wenn man die Klitschkos seit Jahren als Nr.1 und 2 der Welt ansieht, dann ist die Zweite Reihe dahinter doch relativ weit entfernt und sehr dünn besetzt. Eine Zeit lang galt Povetkin als Nr. 3 hinter den Klitschkos und alle Boxexperten freuten sich auf ein Duell mit Wladimir, bis die Wurzel kam und mit Ihr die Erkenntnis, dass Povetkin noch nicht so weit ist. Danach gabs unter Atlas eine Umorientierung in teilen aber qualitativ einen Anschwung. Nach der Huck-Nummer ist Povetkin als Nr. 3 definitiv weg. Eigentlich steht er noch nicht mal in einer Reihe mit den anderen zu nennenden schärfsten Herausforderern. Andererseits schaut man sich die anderen Leute der zweiten Reihe an (über die Besetzung kann man ebenfalls streiten) - Haye, Helenius, Chisora, Solis, Adamek, Chambers, Fury & Pulev, dann gibt es mal mehr, mal weniger viel Schatten neben ein wenig Licht. Einige davon hatten schon ihre Chance und haben sie mal mehr, mal minder deutlich vergeigt, andere erklären sich selbst noch nicht für bereit oder sind es offenkundig noch nicht, oder wie Povetkin wohlmöglich niemals. Der wünschenswerte große Mob an hungrigen Herausforderern ist jedenfalls nicht da.
Inhaltlich kann ich Deinen Beiträgen jedoch weitgehend nicht zustimmen. Wenn das "Gesamtpaket" eines Boxers so gut ist, dass er fast alle Konkurrenten nach Belieben beherrscht, so ist das für mich das entscheidende Kriterium. Solange Schwächen durch überragende Stärken mehr als ausgeglichen werden, ist es für mich eine Frage der Betrachtungsweise, was man mehr in den Mittelpunkt seiner Betrachtungen stellt. Es gibt keinen "kompletten" Boxer, der alles gleich gut beherrscht, den gab es auch nie. Niemand ist perfekt.
Aus meiner Sicht ist da zunächst eine Deifinition zu klären. Was ist boxerisch im Gesamtpaket? Ich habe immer geschrieben, dass Wladimir unter Steward ein verdammt effektives Gesamtpaket geschnürt hat, da liegen wir eigentlich in unseren Meinungen m.E. nicht auseinander.
Ich habe geschrieben, dass ich Wladimir als boxerisch nicht so herausragend empfinde. Das Boxerische umfasst dabei für mich alle boxtechnischen Aspekte.
Ja, es gibt da Bereiche
Reichweite (mit dem stiffen Jab) und seine Athletik (Rechte Gerade) zumeist äußerst effektiv ein. Über diese "Waffen" verfügt zur Zeit kein anderer HW und damit gewinnt er seine Kämpfe meist überaus klar.
(linker Haken zum Kopf, wenn er ihn bringt, könnte man auch noch nennen...),
wo er überragend ist. Dann gibt es aber eben technische Dinge, die er nicht beherrscht oder (so gut wie) nie zeigt, was dem nicht beherrschen gleich kommt.
Da sind Leute wie Solis, Haye & Chambers teilweise besser aufgestellt, auch wenn im Gesamtpaket weniger dabei rauskommt. Warum ist das wichtig?
Es mag keine Rolle spielen, solange Wladimir seine Kämpfe gewinnt, aber es ist m.E. ein Fingerzeig darauf, das ein Teil der Dominanz auch gerade dadurch entsteht, dass es an einer Gegnerschaft mangelt, die seine Schwächen entscheidend ausnutzen kann. Sanders hat deutlich gezeigt, dass das geht, sofern man über entsprechende Mittel verfügt und insbesondere der Haye-Kampf hat m.E. noch einmal deutlich vor Augen gefügt, dass dieses Gesamtpaket immer noch zu knacken ist. Haye hat seine Chancen teilweise einfach liegen gelassen, weil er vermeiden wollte, wo bessere Leute das Risiko eingegangen wären. Haye hat seinen eigenen Jab bis zur Mitte des Kampfes etabliert bekommen und das gegen Wladimirs Wunderwaffe, Thompson hat das im ersten Kampf auch geschafft - das derzeit kein Boxer da ist, der die vorhandenen Chancen nutzt, heisst eben nicht das sie nicht da sind. Haye hat Wladimir regelmäßig zum rückwärtsstolpern bekommen, wenn er mal in Wladimirs Aktionen reingeschlagen hat oder mal schnell die Distanz überbrückt hat.
Bei mir bleibt vom Klitschko - Thompson Kampf z.B. in Erinnerung, dass Wladimir immer noch (oder wieder) mit seiner Schlagkraft Kämpfe vorzeitig beenden kann.
An seiner Schlagkraft hat es nie Zweifel gegeben. Das war noch nie der Punkt.
Er besitzt die "one-punch-power", um jeden Gegner (auch vorzeitig) auszuknocken und nicht irgendwie niederzuringen, auch wenn sein finish in der 6.Runde nicht sehr "überzeugend" aussah.
Das ist der Punkt. Er hat die Mittel um (fast) allle derzeitigen Gegner mit seinem Gesamtpaket zu besiegen, trotzdem verfällt er immer wieder auf Methoden, die unnötig sind. Bei dem Thompsonkampf war die Methode schon vor dem ersten Gongschlag zu erkennen. Gewicht in Form von Muskelmasse draufpacken und den Gegner im Ring erdrücken, d.h. Marschieren, den Gegner mit wuchtigen Schlägen im Vorwärtsgang in die Defensive drängen und nicht zur Ruhe kommen lassen. Ringereinlagen, Ringelrein tanzen, mit den Unterarmen auf die Schultern des Gegners drücken bis der unter der Last zu Boden geht, gehört aber eben nicht dazu und waren aber trotzdem fester Bestandteil von Wladimirs Taktik. Die Vorarbeit zu Thompson nicht niederschlagbedingten Bodenbesuchen ging eindeutig von Wladimir aus, der den Ringkampf gesucht und dann mit Masse von oben gedrückt hat. Auch bei den echten Niederschlägen, d.h. bei den Bodenbesuchen von Thompson, bei denen ein vorangehender Schlag und damit Schlagwirkung im Spiel war, hat Wladimir nochmal final von oben nachgedrückt, damit Thompson auch wirklich runter geht.
Eben weil er, wie Du richtigerweise sagst, die Schlagkraft hat, um damit einen Gegner an- oder auszuknocken, hat er solche Nummern nicht nötig und das gehört m.E. kritiisert und führt bei mir zu Punktabzügen bei der Gesamtnote.
Da ist es für mich zweitrangig, ob er nicht kontern, keinen infight oder nicht in der "Rückwärtsbewegung" boxen kann oder was auch immer man bemängeln mag.
Völlig ok. Das ist eine zulässige Meinung, die man gut vertreten kann. Ich sehe es eben anders und lasse diese Punkte in die Gesamtbewertung der Karriere von Wladimir ebenso einfließen, wie ich sie berücksichtige, wenn ich mich mit der Frage befasse, wie gut Wladimir absolut gesehen, d.h. im Vergleich zu früheren und künftigen Größen im Schwergewicht ist und wie groß derzeit die Chancen sind, ihn zu schlagen. Absolut betrachtet, halte ich die Wertung "Überboxer" nämlich für falsch, ist aber nur meine Meinung.