Im Uebrigen, was war an Klitschko gestern eigentlich wirklich schlecht.
Er hat gegen einen unangenehmen GEgner, der fast staendig nach vorn ist, keine entscheidenden Treffer nehmen muessen und die er genommen hat, die hat er recht solide weggesteckt. Da werden jetzt die typischen Nasen natuerlich sagen, die Schlaege waren nur leichte Wischer oder nicht hart, da ja Klitschko mit seinem von vielen Experten anerkannten und beschlossenen Glaskinn gar keine echten Schlaege wegstecken kann.
Tja, schlecht ist immer relativ. Die Geschichte mit dem Glaskinn ist längst zu den Akten gelegt. Wer diesen Schwachsinn noch behauptet, zeigt noch einmal eindrucksvoll, dass er nicht in der Lage ist, persönliche Animositäten aus Kampfbeurteilungen herauszulassen.
Im Grunde genommen hat der Kampf noch einmal gezeigt, wo Wladimir Probleme hat und wo weniger:
1. Wladimir ist nur selten in der Lage wirklich variabel zu boxen. Sein Jab kam in dem Kampf deutlich schlechter als gewohnt, weil Thompson es zu verhindern wusste. Erst als Thompson konditionell nachlies kam Wladimir öfter damit durch. Variieren zwischen Schlägen zum Kopf und zum Körper seltener, als notwendig. Aufwärtshaken (wie immer) wenige Versuche, variieren zwischen Haken und Graden zu selten.
2. Wladimir kann immer noch nicht effektiv im Rückwärtsgang boxen. Die Quote der Schläge in solchen Situationen ist bedenklich gering.
3. Wladimir ist im Infight geradezu hilflos. Das einzige was für ihn dabei noch funktioniert ist Klammern.
4. Wladimir fing auch in diesem Kampf früh an, durch den Mund zu atmen und in seinen Bewegungen zu eiern, zu staksen - eigentlich immer ein Anzeichen für konditionelle Probleme. Aus meiner Sicht hatte Wladimir in diesem Kampf natürlich auch durch die von ihm gesetzten Treffer das Glück des Tüchtigen, dass Thompson nach der sechsten Runde konditionell sein Pulver verschossen hatte, bis dahin konnte Thompson ihm das Leben auch boxerisch schwer machen.
5. Weil diese Dinge so sind und gestern von vielen potenziellen Gegnern zu sehen waren, wird es doch irgendwann einen Gegner geben, der sein Konzept dagegen auch einmal über zwölf Runden durchziehen kann. Bis dahin bleibt Wladimir die klare Nr. 1 mit ebenso klar erkennbaren Stärken
und Schwächen, woran auch sein jetziger Trainer, Emanuel Steward, nur im zwar nützlichen, aber geringen Umfang etwas ändern konnte.
Die Dauer des »Phänomens« Klitschko - das in meinen Augen vielmehr ein mediales, kommerzielles, dramaturgisches, den Umständen geschuldetes Phänomen ist, und nicht nur ein sportliches - hängt in meinen Augen sehr stark von der Gegnerwahl ab.
Ich würde eher sagen, hängt davon ab, ob es mal wieder einen Konkurrenten im Schwergewicht gibt, der in der Lage ist Wladimirs bekannte Schwächen über zwölf Runden anzugreifen und seine Stärken nicht so zur Entfaltung kommen zu lassen. Ein solcher Gegner hat sich bisher nicht gezeigt. Es gibt einen exklusiven Kreis von Gegnern, die über das ein oder andere Mittel verfügen, um wenigstens eine oder ein paar seiner Schwächen anzugreifen, die meisten haben dafür aber im Gegenzug zuviele eigene Schwächen oder gegebene Nachteile, die Wladimir wahrscheinlich besser auszunutzen weiß, als umgekehrt.
Roberts