O-Scoring: Pacquiao vs. Bradley III + Abraham vs. Ramirez (inkl. Rahmenprogramm & Nachbesprechung)


desl

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Ich bin nun endlich endlich mal dazu gekommen mir die beiden Hauptkämpfe anzugucken

Abraham vs Ramirez

Ein Weilchen vor dem Kampf kam mir der Gedanke "Wer sich in einer Phase seiner Karriere liefert, bei dem er sich knappere Kämpfe mit einem Stieglitz liefert, der kann gegen einen Typen wie Ramirez aussehen, wie Stieglitz gegen Andrade."
Wegner mag vor dem Kampf groß rumgetönt haben, dass Ramirez im Ring nur rumhampelt und nun nachher, dass sein "Arthur" nicht die taktische Marschroute umgesetzt hat. Ehrlich gesagt wirkte Abraham im Ring aber überhaupt nicht so, als wenn er überhaupt in irgendeiner Weise auf einen groß gewachsenen Southpaw eingestellt wäre.

Letztlich scheiterte Abraham auf mehreren Ebenen. Bei der Beinarbeit, bei der Aktivität, bei seiner Konteranfälligkeit, bei den mangelnden Bodyshots, beim nicht etablierten Jab (siehe Beinarbeit) ... und so weiter.
Für Ramirez war es fast schon ein leichtes den "Titelträger" vorzuführen. Ob Abraham in die Jahre gekommen ist, oder ob er überhaupt jemals das Level hatte, sich mit einem derart groß gewachsenen Typen bei 168lb zu messen ... das ist fraglich. Der noch größer gewachsene Ikeke war boxerisch ein anderes Kaliber ... und Abraham nunmal auch hungriger.
Letztlich ist es Abraham auch weniger gewohnt, dass die Gegner mitschlagen, wenn er eine seiner hoffnungslos offenen Flurrys abladen will. Die oft gebrachten Taxifahrer verkriechen sich dann hinter der Deckung ... nicht viele haben ein Herz und schlagen mit (Mahir Oral z.B.) ... es sei denn z.B., sie sind selber Top-Boxer, welche Abraham problemlos lesen, ausweichen und reinschlagen.

Mehr als zwei Runden kann man Abraham nicht geben.
Einzig positiv für Abraham in dem Kampf war sein Kinn. Der Haken in der 2ten Runde war eine wirkliche Bombe. Nicht gesehen, perfekt platziert, im richtigen Moment getroffen für die ganze Schlagenergie. Ich glaube bei 80 oder 90% derartiger Treffer ist der Kampf nach solch einem Treffer direkt vorbei. Dass Abraham da "nur" mächtig angeklingelt war und erstmal seine Ringecke suchte, war schon irgendwo erstaunlich.

Apropos Ringecke ... ich hab bei YouTube eine Top-Rank-Aufzeichnung gesehen, welche die Rundenpausen nicht enthält ... keine Ahnung, was Wegner versucht hat, Abraham vielleicht noch mit zu geben. Zwischendurch hörte man über die Ring-Mikrofone noch reingerufene Anweisungen ... welche sich so ziemlich auf "Rein da!" beschränkten. Da wusste Atlas beim folgenden Kampf mehr in den Ring zu bellen.

Bemerkenswert auch immer, wie Ramirez und Abraham in die Ecke laufen. Es dauert ein paar Sekunden, bis sie angekommen. Ramirez ist da, sein Hocker wird gerade hingestellt ... er setzt sich hin.
Abraham kommt in die Ecke und muss erstmal rumstehen und warten.
Nicht dass seine Ecke irgendwann frustriert gewesen wäre ... nein schon nach der ersten Runde dauert es 5 Sekunden, bis Ramirez in seiner Ecke ankommt und sich hinsetzt.
Abraham steht erstmal 10 Sekunden in seiner Ecke und wartet. Während der Rignarzt in der Abraham-Ecke fast sofort im Ring ist, hatte ich teilweise das Gefühl, dass man dort Wegner erstmal hochhelfen muss, damit er sich in den Ring bequem und dass irgendwann auch mal jemand den Hocker hinstellt.

Abraham mag sich auch in 10 Sekunden rumstehen erholen ... aber wenn man von 60 Sekunden Rundenpause nur 45 wirklich nutzen kann, weil die Ecke das 10-Sekunden-Signal ziemlich ignoriert und dann nach der Glocke sich so laaaangsam in die Ecke bequemt ... dann kann man sich auch fragen, ob bei Abrahams Betreuern überhaupt eine gewisse Motivation vorhanden war.

Sicher ... so ne Panik wie bei Klitschko/Sanders/Sdunkek in der Ecke is auch nicht gerade günstig ... aber ich hatte den Eindruck, dass nicht nur Abraham "satt" wirkt ... sondern insbesondere auch seine Ecke

HBO hat nun mit Ramirez nen ordentlichen SMWler, den man dem mexikanischen Publikum schmackhaft machen kann. Der Schweiß am WBO-Gürtel ist noch nicht mal getrocknet, da wird schon überlegt, ob Ramirez gegen Golovkin oder Kovalev antreten könne. Titelvereinigungen halte ich für eher unwahrscheinlich. Badou Jack ist ein Haymon-Boxer, die WBA-Titel haben ein Sat.1-Abo, DeGale macht auf der Insel genug Kohle, der kommt auch mit einem Gürtel aus.
Vielleicht kriegt Ramirez auch die Reste von JCC jr. ... falls Haymon keinen Bock mehr auf die erhoffte cash cow hat.

Wie geht es weiter für Abraham?
Ich glaube nicht, dass er aufhören wird.
Wenn Tyron Zeuge an De Carolis scheitert, kommt es wahrscheinlich zu einem Abraham-De-Carolis-Rückkampf, denke ich. Der nette Italiener ist doch glücklich, wenn ihm die Deutschen weiter Geld in die Tasche stopfen.
Vielleicht wagt man sich auch an Chudinov, der den WBA-Gürtel wahrscheinlich zurück bekommen wird.
Aber zunächst wird Abraham, denke ich, gegen Leute wie Sjekloca, Bozic und Bouadla boxen.
Mich würde es auch (keineswegs) wundern, wenn Ramirez in nem Jahr ins LHW aufsteigt und Abraham dann nach zwei Aufbau-Kämpfen um einen vakanten WBO-Titel boxen darf (z.B. gegen Robin Krasniqi).


Bradley vs Pacquiao III

Ein bisserl mehr hatte ich von Bradley ja schon erwartet. Nunja, ich hatte letztlich Pacquiao mit 7:5 Runden vorne ... also 115:111. Das ist eigentlich wieder ein relativ knapper Kampf, wenn man die Niederschläge außer Acht ließe. Knapper als einem die Lederman-Scorecard (pah), die Compubox-Stats (wie schon bei Pacquiao-Bradley-I wirkten die auf mich etwas verzerrt) oder die Lampley-Lobhudelei glauben lassen mögen.
Allerdings spielt hierbei auch eine Rolle, dass Pacquiao die letzten Runden mehr oder weniger hergeschenkt hat.

Wie auch immer, Bradley hat eigentlich die Tools, um einen Pacquiao (in seiner jetzigen Form) zu schlagen ... aber er kann sie nicht immer abrufen. Hier und da wurde er wieder etwas fahrig und wirkte nicht immer konzentriert. Bradley kann gewiss nicht in dem Maße "potshotten" wie Mayweather ... aber teilweise brachte er auch einfach wieder hoffnungslose Schwinger, die weit vorbei flogen. Der erste Niederschlag wirkte auch so, als wäre Bradley mit seinen Gedanken irgendwo anders.

Atlas' Vorgabe mag sein, dass Bradley mehr über die Beine verteidigt als über Meidbewegungen (siehe erster Bradley-Pacquiao-Kampf) ... allerdings führte das auch dazu, dass Bradley teilweise recht passiv wirkte ... allgemein war das Tempo deutlich niedriger als in den beiden vorherigen Aufeinandertreffen.

Gewiss, Bradley kann sich zu Leuten die Mayweather, Marquez, Barrera und Morales zählen ... Boxern, die es Pacquiao nicht leicht gemacht haben. Er sah besser aus als z.B. DLH, Mosley, Margarito, Cotto, Hatton, Clottey ... aber wirklich was davon kaufen kann er sich auch nicht.
Damit wird er nicht zum Superstar im Weltergewicht und wenn Pacquiao geht, zeigt das Rampenlicht eher auf die Hamyon-Boxer ... oder auf Brook. Naja ... vielleicht kommen ja irgendwann Crawford oder Postol vorbei.
Mit etwas Glück kriegt Bradley noch einen Kampf mit Marquez (wenn dessen Knie das noch mitmacht) oder mit Cotto.

Arum wird nun sicherlich versuchen Pacquiao mit Geld zu überhäufen, so dass dieser noch einem Duell gegen den Canelo-Khan-Sieger zusagt.
Dem Pacquiao von vor 6 Jahren hätte ich da auch gute Chancen zugesprochen, aber obgleich er besser als Bradley war, er ist einfach nicht mehr so frisch und ganz so schnell wie früher.
 
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