Mann, war das knapp mit dem Kampf.
Für diejenigen, die sich fragen "Was meint der damit?", ne kleine Geschichte.
Ich war am Freitag bei ner Einzugsfeier vom Bruder eines Kumpels, der nun sein Studium in der Elbflorenz beginnen wird. Da hatten wir (die anwesenden) uns verabredet, dass wir am Samstag dann dort den Boxkampf gucken. Da die aber am Samstag ihren kleinen Siam-Kater bekamen und jener wohl total schüchtern ist, wollten wir dem nicht zuviel Trubel in der ungewohnten Umgebung zumuten.
Also wurde das "Boxen-Gucken" von der Wohnung des Bruders des Kumpels auf die des Kumpels selbst verlegt. Jener hat seit kurzem Kabel-Fernsehen (DVB-T läuft hier wohl einfach schlecht).
Also schön um Viertel nach 10 dort gewesen, Bier geärgert und die Siam-Katzen mit Spielsachen durch die Wohnung gejagt. Nachdem Fußball so langsam zu Ende war, wollten wir dann auf RTL schalten. Doch dann die Erkenntnis, die beiden (Kumpel und seine Freundin) haben zwar seit kurzem Kabel, aber die Sender noch nicht geordnet oder so. RTL war nicht einprogrammiert. Das blöde an der Sachlage war zudem, dass die Fernbedienung nicht wollte.
Also versuchte mein Kumpel seine Fernbedienung zu reparieren. Irgendein Kontakt beim Batterien-Fach war abgebrochen oder so. So langsam war es nach 23Uhr und mir kamen schon Gedanken wie "Du bist Box- und Klitschko-Fan und kannst den Kampf nich gucken ... und das wo du das fest eingeplant hast und nicht in nem Club bist oder so.".
Naja, irgendwann gelang es dann die Fernbedienung wieder gangfähig zu bringen. Wieviel hatten wir mittlerweile wohl verpasst? 4 Runden oder so?
Schnell den Sendersuchlauf gestartet und nach ner Minute oder so wurde RTL dann gefunden. Gerade zum Rechten Moment ... denn genau in dem Moment gab der Ringrichter seine Anweisungen und 10 Sekunden später ging der Kampf dann auch los.
Zum Kampf selbst.
Nun, ich war schon überrascht von Vitali. Das hatte ich so nicht erwartet. Ok, ich dachte mir schon, dass wenn er einigermaßen seine Form von früher bringen kann, dass er Peter klar besiegen würde. Aber damit hatte ich nunmal nicht gerechnet.
Wie gesagt, ich hatte mir am Vortag die Kämpfe gegen Lewis, Johnson, Sanders und Williams angesehen. Vitali mag nicht ganz so stark gewesen sein wie damals. Aber von allen Boxern, die so lange nicht im Ring standen wie er, war das der bislang höchste Prozentsatz an gezeigtem Leistungsvermögen verglichen mit der jeweiligen Prime.
Das Distanzgefühl stimmte, die Reflexe waren da, Vitali war beweglich, seine Schläge kamen beinahe so akkurat wie einst. Er war auch einfach gut auf seinen Gegner eingestellt.
Und Samuel Peter? Tja ... der kam halt nicht mit seinem Gegner klar. Für mich liegt das mit am meisten in der Qualität der Beinarbeit der beiden Boxer. Diese war bei Vitali wirklich gut und hat im richtigen Moment immer die Distanz vergrößert, wenn Peter angreifen wollte. Zudem die Oberkörperbewegung, gepaart mit gutem Auge ... da konnte Vitali selbst seine rechte baumeln lassen, er hatte sie - wenn nötig - dazwischen.
Peter stampfte hinterher ... konnte aber nie wirklich Druck aufbauen. Er war einfach zu langsam in seinem gesamten Bewegungsapparat. Mich hat das irgendwie an Tarver-Woods erinnert. Das war auch eine Demonstration, wie gute Beinarbeit und gutes Distanzgefühl, zusammen mit einem gut getimeten (doofes Wort, wahrscheinlich falsch) Bewegungsablauf, zum Erfolg führen mögen. Woods kam nie richtig an Tarver ran, der hingegen legte sich seinen Gegner immer wieder passend zurecht.
Die Aufgabe von Peter kann ich verstehen. Er war in der achten Runde schwer am schlucken, die Augen schwollen zu und er war vollkommen aussichtslos auf einen Erfolg. Da kann man natürlich Phrasen wie "Das is das Schwergewicht, ein Schlag kann alles entscheiden." dreschen ... aber dieser Spruch stimmt nur selten, denn es ist fast nie nur ein Schlag. Peter kam fast nie dazu einen nur ansatzweise bedrohlichen Schlag ins Ziel zu bringen und Vitali kann durchaus ne Hand vertragen.
Peter hatte nicht die Mittel um Klitschko zu besiegen, Vergleiche mit Lyakhovich-Briggs und Castillo-Corrales hinken da doch etwas.
Ich halte es durchaus für eine kluge Entscheidung von Peter. Er konnte einfach nicht mehr gewinnen. Dass er Vitali noch hätte KO schlagen können, war mehr als nur unwahrscheinlich. Er stand selber eher davor in den nächsten 1-2 Runden aus dem Kampf genommen zu werden. Und Vitali zeigte sich, wie früher, konzentriert und hatte bei seinen Angriffen auch meist ein Auge für die Aktionen seines Gegners. Hängende Deckung ja, aber nicht unachtsam und überheblich.
Und wenn ich an die anschließende Häme und den Spott denke, dann wars sogar ne mutige Entscheidung von Peter.
War er nun ein unwürdiger Weltmeister? Ich denke nicht.
Er hat sich seinen Titel legitim geholt. Er hatte ihn klar gewonnen. Strittig war vielleicht sein erster Sieg gegen Toney, aber den hat er im Rückkampf klar geschlagen, ebenso wie er auch Maskaev klar geschlagen hat.
Klar, Maskaev hat ne schwache Defensive und kein allzu gutes Kinn ... aber war er ein unwürdiger Weltmeister? Eigentlich auch nicht, schließlich hat er sich als Nemesis von Rahman bewiesen und diesen erneut durch die Ringseile gehauen.
War Rahman ein unwürdiger Weltmeister? Eigentlich auch nicht.
In Zeiten, als Vitali den Danny Williams KO schlug, hatte Rahman Kali Meehan KO geschlagen. Ein Sieg der bei HBO als wertvoller eingeschätzt wurde als der von Vitali über Williams. Und Meehan hatte wenige Monate zuvor nur umstritten gegen Brewster verloren.
Die Ranglisten-Position von Rahman-Genger Monte Barrett ging damals voll in Ordnung. Und das Draw gegen Toney sieht in Rahmans Rekord auch nicht schlecht aus ... jener Toney der vorher mit Holyfield, Booker, Ruiz und Guinn gespielt hat.
Rahman galt definitiv in den Zeiten nach Vitalis Rücktritt zu den Top5 des Schwergewichts. Zusammen mit Ruiz/Toney, Byrd, Brewster und Wladimir, denke ich. Manche sahen ihn gar vor Byrd als die damalige Nummer 1 der Gewichtsklasse.
Und bei vier verschiedenen Weltmeistern ist es nichts ungewöhnliches, wenn als Top5-Boxer einen Titel trägt.
Wenn Peter ein unwürdiger Weltmeister war, dann war Rahman auch einer. Und manch einer hat behauptet, dass Vitali sich vor dem drücken würde.
"Ein Armutszeugnis für das HW"? Eigentlich auch nich. Man mag mal mit den 80gern vergleichen. Holmes, Spinks und Tyson waren damals die dominierenden Namen. Über andere damalige Top-Leute wie Gerrie Coetzee, Greg Page, Pinklon Thomas, Mark Weaver und Carl Williams wird heute kaum mehr ein Wort verloren. Aber waren deswegen die 80ger eine "schwache Periode" des HW? Eigentlich auch nicht.
Das Schwergewicht im allgemeinen sehe ich nicht schwächer als vorher, nur weil ein 4 Jahre inaktiver 38-Jähriger einen Titel gewonnen hat. "Style makes fight" und so weiter ... und da passtern gestern aus Sicht des Ukrainers die beiden Boxer einfach perfekt zusammen.
Es gibt auch andere Boxer im Schwergewicht, die man gegen Peter favorisieren mag (z.B. Bruder Wladimir, Chagaev, Valuev, Ruiz, Ibragimov, Gomez, Povetkin, Chambers...). Es gibt schon genug ordentliche Leute. Peter war dennoch nicht zu unrecht Weltmeister oder so.
Letzten Endes darf man Peter auch gratulieren, dass er einst richtig gehandelt hat. Er nam nicht das "Step aside"-Angebot von Klitschko an, sondern wollte den Kampf gegen Maskaev. Er wurde Weltmeister, erster afrikanischer Schwergewichtschampion und vielleicht auch nigerianischer Volksheld. Das is doch schon was wert...
Bei Vitali würds mich freuen, wenn er noch ne Weile weitermacht. Wenn man keine geldlichen Sorgen hat, dann soll man solange weiter machen, wie man Freude daran hat und eine Leistung bringen kann, die nicht das eigene Denkmal beschmutzt. Vitali schien mir gestern im Ring und die Wochen davor durchaus wieder Spaß am Sport zu haben, ein Spaß der vorher durch die vielen Verletzungen zu kurz gekommen war. Und er hat durchaus den Eindruck erweckt mehr als nur konkurrenzfähig zu sein.
Vitali gegen Gomez könnte ein interessanter Kampf werden, denn Gomez bewegt sich auf seinen Beinen doch wesentlich geschickter, als Peter dies tat.
Vielleicht kommt Gomez dann gar in Top-Form. Klitschko-Hater mögen sicher wieder anführen, dass Peter schlecht vorbereitet gewesen sein mag, so wie Lewis, Johnson, Sanders und Williams vor ihm, die alle mit mehr Kilos auf den Rippen gegen Vitali antraten.
Aber dafür kann Vitali natürlich nichts.
P.S.: Quervergleiche über Peter mit Bruder Wladimir halte ich für sinnlos. Der hat nunmal geklammert und damit Peter immer wieder in kurze Distanz kommen lassen. Zudem gabs da noch nicht so viele Videos von Peter gegen gute Boxer zu studieren wie heute.
P.P.S.: Mir gefallen in diesem Thread die Posts von Schlonski und bart1
P.P.P.S.: Wo ist eigentlich uns Peter-Fan Nr.1 colderthanice? Verlangt er immernoch, dass Wladimir Valuev, Chagaev und Peter (ein zweites Mal) schlägt, bevor er ihn als Nummer 1 anerkennt?
Super Beitrag!:thumb:
Zum Thema Schwegewicht:
IMO ist die Spitze etwas schlechter, aber die Breite eher besser als die 80er und 90er. Klar es fehlen vllt. die Ausnahmestars, aber wenn man von unwürdigen Herrausforderern redet, sind die 90er die schlechteste Periode überhaupt. Allerdings würde damals halt alles von LL, Holy(die natürlich fantastisch waren) und dem allgegenwärtigen Schatten von Mike Tyson überstrahlt.