Moin,
hier meine Eindrücke vom Samstag aus Mühlheim. Ich habe das meiste hier im Thread gelesen, versuche Doppel-Postings zu vermeiden und nur meine (subjektiven) Eindrücke zu schildern. Eines noch vorweg: Beim Lesen diverser Beiträge hier habe ich den Eindruck bekommen, einige waren auf einer anderen Veranstaltung bzw. haben andere Boxkämpfe gesehen...unerreicht ist dabei der IMO der User "Povetkin", der ja offensichtlich (erstmalig) live bei einem Live-Boxkampf anwesend war. Seine Beiträge kommen schon sehr trash-verdächtig rüber, aber gut. Es muss mir ja nicht alles gefallen, was ich hier so lese, deswegen setze aber niemanden auf dei "Ignore-Liste", vielleicht ist ja doch mal was interessantes dabei. Auf "Povetkins" angedrohte weitere Berichterstattung mittels seiner College-Block Seiten 4-8 kann ich aber gerne verzichten...
Jetzt zum Kampfabend:
Das ganze Event war sehr gut geplant und organisiert, angefangen von der Wahl der Location bis hin zum gesamten Ablauf. Die RWE Rhein-Ruhr Halle Mühlheim war perfekt gewählt für dieses Event. Besser eine kleinere ausverkaufte als eine halbleere große Halle, zudem war die Sicht auf den Boxring auch auf den "billigen" Plätzen (für 27 €) sehr gut, auch auf der umlaufenden Galerie. Die Security war präsent, hielt sich im Hintergrund und war sehr nett und freundlich, das habe ich auch schon anders erlebt. Jedem Besucher wurde am Eingang ein schöner Abend gewünscht...das fing also schon mal gut an. Die Halle an sich ist sehr übersichtlich, man findet sich schnell zurecht, Catering, Toiletten usw. - alles bestens. Auch das "drumherum" gehört IMO zu einem gelungenen Box-Abend hinzu...
Zu den Kämpfen (auf ein Rundenscoring verzichte ich mal):
1. Erik Skoglund - Valerijs Rogozins WKO 1/4
Habe ich nicht gesehen, erschien mir zu uninteressant, Halle war zu demZeitpunkt auch noch ziemlich leer.
2. Francesco Pianeta - Samir Kurtagic WUD 8
Pianeta merkte man die lange Pause nach seiner Krebserkrankung (incl. Chemo-Therapie etc.) deutlich an. Hatte ihn körperlich viel stärker in Erinnerung, da fehlen sicher noch einige Prozente. Kurtagic war ein zäher Gegner, merkwürdig manchmal sein Wegdrehen (Konditionsprobleme?). Enger Kampf, Pianeta aber mit den klareren Aktionen. Das Urteil geht IMO in Ordnung. Vielleicht kann Pianeta noch etwas auf europäischer Ebene reißen, für mehr wird's wohl nicht reichen.
3. Karo Murat - Christian Cruz WUD 8
Murat hat die von ihm erwartete Leistung gezeigt und seinen (mittelmäßigen) Gegner klar beherrscht. Er boxt technisch gut, das Talent kann man ihm nicht absprechen. Allerdings fehlt es ihm für das Halbschwergewicht eindeutig an Schlagkraft, einen Gegner wie Cruz muß er eigtl. ausknocken. Bei seinen Versuchen, dies zu erreichen, wirkte er auch recht offen, was stärkere Gegner sicher besser ausnutzen als der wackere Cruz, der trotzdem einige Hände bei Murat unterbringen konnte. Cruz hat sich seine Börse redlich verdient und sich im Rahmen seiner Möglichkeiten tapfer gewehrt. Für Murat sehe ich wie bei Pianeta auch nur europäisches Niveau erreichbar, zuletzt gegen Cleverly waren seine Grenzen ja schon klar zu erkennen.
4. Eduard Gutknecht - Oleksandr Cherviak WUD 8
Nach Pianeta und Murat war die Halle schon gut gefüllt und die Stimmung stieg langsam an. Allerdings nur bis zum Gutknecht-Kampf, den viele Zuschauer nutzten, um sich mit anderen Dingen zu beschäftigen. Sehr langweiliger Kampf, Gutknecht boxt zwar sehr sauber, aber eben unspektakulär, zudem fehlt ihm auch der Punch. Ich denke, Sauerland hat ihn geholt, um im Falle eines Abgangs von Abraham im Mittelgewicht weiterhin präsent zu sein. Mit Gutknecht wird das aber schwer, für ganz oben wird es auch für ihn nicht reichen. Aber natürlich kann nicht jeder Weltmeister werden. Sein Gegner war mittelmäßig, hatte nur 9 Kämpfe und wirkte nicht sonderlich gefährlich, eigtl. hätte Gutknecht noch stärker dominieren müssen. Der Kampf war nicht mehr als ein Pausenfüller und konnte keine Begeisterung wecken. Müder Applaus am Kampfende, Urteil natürlich in Ordnung.
5. Dominik Britsch - Joe Rea WUD 8
Zum Britsch-Kampf kann ich wenig sagen, da ich um 20.30 Uhr meine Begleitung vom Eingang abgeholt habe, die vorher arbeiten musste. Übrigens war das Verlassen und Wieder-Betreten der Halle völlig problemlos.
Kleine Anekdote am Rande: Draußen vor der Halle fiel eine Frau plötzlich nach hinten um und knallte mit dem Kopf voll auf den Beton, dass es richtig knallte. Das gibt sicher eine Gehirnerschütterung, wie sich herausstellte war sie stark alkolisiert. Die Security war dann aber zum Glück schnell zur Stelle. Der erste KO des Abends (den ersten Kampf hatte ich ja nicht gesehen)...
Wieder in der Halle habe ich noch die letzten 3 Runden von Britsch gesehen, soweit ganz nett. Am eindrucksvollsten fand ich aber seine (neue?) Frisur, erinnerte ein bisschen an David Haye, seine boxerischen Leistungen natürlich nicht. Sein Gegner, ein tapferer Ire, war natürlich kein Maßstab, weil viel zu schwach. Talent hat Britsch, und er ist auch erst 23 Jahre. Langsam müssen aber mal bessere Gegner kommen, um sein Potenzial einschätzen zu können. Nach dem Kampf: Höflicher Applaus, Urteil natürlich in Ordnung
Danach Pause, Ehrungen für Braekhus (die sah wirklich Klasse aus, könnte auch Model/Schauspielerin werden nach dem Boxen...) und Wegner. Huck (im silber-glänzenden Anzug) überreicht einen Scheck für ein "Ein Herz für Kinder". Kommentar eines Zuschauers : "Seit wann trägt Huck denn diesen Schlafanzug?" :laugh2:
Dann ging der Kampfabend endlich richtig los, die nachfolgenden Käpfe waren von der Stimmung und der sportlichen Qualität von ganz anderem Kaliber. Da lagen schon Welten dazwischen.
6. Steve Cunningham - Enad Licina WUD 12
Ein spannender, hochklassiger Fight. Spannend und absolut sehenswert. Cunningham wurde zwar von einigen Zuschauern schon beim Walk-In ausgebuht, aber wohl in erster Linie von den Licina-Fans, die ihren Landsmann auch während des Kampfes lautstark anfeuerten und fast jede Aktion bejubelten. Sehr unsportlich, aber gut. Nach 1-2 ausgeglichenen Runden zeigte sich, dass Cunningham der bessere Mann im Ring ist, wirklich ein ganz hervorragender Boxer. Schon hier teilweise (verdienter) Szenenapplaus des "neutralen" Publikums für einige fantastische Schlagkombinationen. Ab der 4-5 Runde allerdings kam Licina besser in den Kampf und brachte Cunningham in Bedrängnis. Er boxte zwar etwas steif und nicht so "elegant" wie sein Gegner, war aber physisch präsent und konnte Cunningham mehr und mehr seinen Kampfstil aufzwingen, der jetzt nicht mehr so souverän wirkte und Schwächen zeigte. Das kann zu der Annahme führen, dass er gegenüber dem Kampf gegen Huck doch schon etwas abgebaut hat, allerdings auf hohem Niveau. Bis zur 8-9 Runde war der Kampf völlig offen und spannend, dann aber neigte sich das Geschehen zu Gunsten Cunninghams. Zum einen hatte ihn sein Trainer lautstark klar gemacht, dass er jetzt mehr machen müsste (konnte man durch die ganze Halle hören...), zum anderen baute Licina in den letzten Runden deutlich ab. Einmal fiel er durch die Wucht seines eigenen Schlages sogar fast aus dem Ring...Von ihm kamen jetzt kaum noch gute Aktionen ausser gewaltigen Luftlöchern, die Cunningham aber allesamt durch geschickte Meidbewegungen ins Leere laufen ließ. Überhaupt zeigte Cunningham jetzt wieder hervorragendes Boxen, in der letzten Runde ging er sofort zum Angriff über, deckte Licina mit Schlagserien ein und erstickte so jeden Zweifel über den Sieger. Licina hatte am Ende nicht mehr viel im Tank. Das Kampfurteil geht in Ordnung, ich fand aber 118:110 zu hoch und 115:113 zu knapp. Ich selbst hatte es 116:112 für Cunningham, der IMO der technisch beste Boxer im Cruiser ist, ein ganz hervorragender Mann. Er bewegt sich sehr gut, ist sehr variabel in seinen Schlägen und hat eine gute Schlaghärte. Man muss abwarten, inwieweit er physisch in der Zukunft noch in der Lage ist, sein Niveau zu halten, wie gesagt, ein gewisser Verschleiss war in den mittleren Runden nicht zu übersehen.
7. Yoan Pablo Hernandez - Steve Herelius WKO 7/12
Stimmungsmäßig ganz klar der Höhepunkt der Veranstaltung! Ich wußte gar nicht, dass Hernandez (im Gegensatz z.B. zu Cunningham) so viele Fans in Deutschland hat, jedenfalls war schon beim Walk-In mächtig was los in der Bude. Im Kampf selbst ging es auch gleich zur Sache, Hernandez von Beginn an der bessere Mann im Ring. Schon von der Physis her wirkte er seinem Gegner überlegen. Gegenüber früheren Zeiten boxt er jetzt viel kontrollierter und geschlossener, was aber auch sinnvoll erscheint nach dem heftigen KO gegen Braithwaite. Herelius ist kein schlechter Mann, das sicher nicht, er schlug in den ersten 2 Runden auch mehr als Hernandez, strahlte dabei allerdings weniger Gefahr aus. Nach der 2.Runde war zunächst unklar, ob der Kampf weiter geht, Herelius war wohl mit seinem linken Fuß umgeknickt und verharrte minutenlang in seiner Ecke. Dann ging es doch weiter und Herelius versuchte in der 3.Runde mit wilden Attacken, den Kampf vorzeitig zu beenden. Vermutlich rechnete er sich (aufgrund seiner Verletzung) kaum noch Chancen aus, über die Runden zu kommen und den Kampf zu gewinnen. Allerdings fehlten Herelius einfach die Mittel, um einen vorzeitigen Sieg zu landen, zu unpräzise seine Angriffe und auch mit zu wenig Schlaghärte. Herelius ist wohl in erster Linie ein "Zermürbungs-Fighter", zuletzt gegen Arslan war das auch schon zu sehen. Hernandez zeigte, dass seine Defensive steht und er gewann ab der 4.Runde wieder deutlich die Oberhand. Der K.O.-Schlag in der 7.Runde war natürlich erste Sahne, auch im Nachsetzen zeigte er seine Klasse. Danach Super-Stimmung in der Halle, Hernandez ließ sich feiern und gab sogar ein Interview auf Deutsch. Sympathischer Typ mit Star-Potenzial, wenn er die richtige Balance findet zwischen seinen spektakulären Offensiv-Aktionen und einer guten Defensive, ist er vielleicht der kommende Mann im Cruiser.
8. Arthur Abraham - Stjepan Bozic WKO 2/10
Was als Höhepunkt der Veranstaltung geplant war, erwies sich im Nachhinein als die größte Enttäuschung, was natürlich so nicht vorherzusehen war. Bomben-Stimmung in der Halle vor dem Kampf, 20 Minuten später herrschte fast völlige Stille und die Zuschauer verließen schnell den Ort des Geschehens. Der Kampf begann lebhaft, auch Bozic mischte gut mit, Abraham etwas flüssiger und aktiver als gewohnt für seine Verhältnisse. Fing also gut an, dann die 2.Runde und der Kampf-Abbruch, der die gute Stimmung auf den Rängen schlagartig beendete. Zunächst war völlig unklar, was los ist, ob Bosic durch Schlagwirkung zu Boden gegangen war oder einen Kreislauf-Kollaps hatte, jedenfalls schien er starke Schmerzen zu haben, warum auch immer. Dann wurde klar, dass irgendwas mit seiner linken Hand war, jedenfalls deutete er ständig darauf. Er zog den linken Handschuh auch Minuten nach dem Kampf nicht aus. In der Zeitlupe war dann die Szene mehrmals zu sehen, in der er sich (vermutlich) beim Schlag auf den Ellenbogen von Abraham die Verletzung zugezogen hatte. Was soll man dazu sagen? Der Kampf-Abbruch ist in dieser Situation natürlich gerechtfertigt, wenn der Boxer wirklich so starke Schmerzen empfindet, wie Bosic signalisierte. Dass der hier (zurecht) kritisierte Ringarzt Wagner dann abbricht, Abraham aber mit gebrochenem Kiefer weiter boxen läßt, ist natürlich die eine merkwürdige Sache, in der Bild-Zeitung zu sagen, Bosic wäre eine Schauspieler, natürlich die andere Frechheit. Wagner ist als Ringarzt IMO nicht mehr tragbar, für den Job gibt es doch sicher auch andere. Natürlich sollte aber auch geklärt werden, welche Verletzung Bosic denn nun wirklich hatte, falls da gar nix war, sollte man ihm die Kampfbörse streichen, denn dann wäre es ja eindeutig Vorsatz gewesen, sich aus dem Kampf zu stehlen. Glaube aber nicht daran, dann hätte er sich auch in den späteren Runden nach einem Abraham-Treffer hinlegen können. Für Abraham war dieser Kampf natürlich sehr unbefriedigend und bringt ihn kaum weiter, wirklich schade, denn anfangs konnte man schon sein Bemühen erkennen, etwas aktiver in den Kampf zu starten. Um beurteilen zu können, ob Abraham in seinem Kampfstil wirklich etwas verändert/verbessert hat, war der Kampf gegen Bosic aber einfach zu kurz.
Fazit: Eine hervorragend organisierte Box-Veranstaltung mit 2 Super-WM-Kämpfen im Cruisergewicht, sogar meine Begleiterin, die noch nie einen Box-Kampf live verfolgt hat, war sehr angetan von dem ganzen. Hat sich wirklich gelohnt, nach Mühlheim zu fahren, grosses Lob an Sauerland und auch die ARD für ein (fast) perfektes Event. Die Box-Kommentare waren kompetent, auch Hartmann und Maske gewohnt souverän. Wie man Maske kritisieren kann, ist mir ein Rätsel, vor allem wenn die "Alternativen" z.B. Krasniqi und Regina Halmich heissen...Schade natürlich für alle beteiligten, dass der als Höhepunkt geplante Kampf von Abraham so unglücklich beendet wurde.
Noch am Rande: Es waren natürlich auch einige (Box-)Promis am Start, ich selber habe neben Huck und Arslan (beide im selben Glitzer-Look) noch Rene Weller gesichtet, der ganz locker seinen Fans zuwinkte. Daneben sollen noch einige Schauspieler dagewesen sein, aber die kannte nur meine Begleiterin.
Ganz toll fand ich auch, während und nach diesem Kampfabend den User "Mr.Hu" (+Freundin) kennen zu lernen, mit dem man sich ganz prima unterhalten und fachsimpeln konnte. Viele Grüße nach Erfurt! Leider hatte "Competition" meinen Aufruf zum Forum-Treffen ja gleich in den Trash-Bereich verschoben, wo ihn wohl nur wenige gesehen haben. Schade eigtl., aber gut, vielleicht sieht man sich ja beim nächsten Mal, z.B. bei Benni's Kampf am 1.April in Berlin