Wie ich erst im nachhinein wirklich festgestellt habe, weil mein Stream zur falschen Zeit stark geruckelt hat, war es tatsächlich Thompson Plan, mit Pulev binnen 8 Runden fertig zu werden.
Insbesondere in der 7. und 8. Runde hat er alles in die Waagschale geworfen und versucht Pulev zu überrennen.
Dabei hat er sein ganzes Pulver verschossen.
Ich denke Thompson war es im Vorfeld schon bewusst, das seine Kondition für Maximal 8 Runden reichen würde, und dies nicht ausreicht, um bei einer Sauerlandveranstaltung nach Punkten zu gewinnen.
Er hat seinen Gameplan auch danach gerichtet. Er wusste das er Pulev in dieser Zeit abschießen musste.
Vielleicht hätte er es Objektiv betrachtet ein wenig knapper gestalten und noch ein bis zwei Runden mehr holen können, wenn er seiner Linie treu geblieben wäre und versucht hätte ruhig weiterzuboxen. Aber ich denke er hat gemerkt, was das beste für ihn ist.
Ich meine er hat in der 5. Runde ausgelotet, ob es denn funktioniert, Pulev mit wenig Kraftaufwand auszupunkten oder zumindest mitzuhalten.
Er hat gemerkt das es nicht geht und hat sich logischerweise für den Sturmlauf als letzte Chance entschieden.
Zunächst boxte er Pulev mit einem Variablen Jab und dem Cross, den er zu Kopf und Körper schlug aus, ging geschickt aus der Linie und brachte dabei in flüssigen Bewegungen schnelle präzise Hände. Pulev blieb jedoch konzentriert und erhöhte ab der 4.Runde den Druck und profitierte dabei schon ab spätestens der 5.Runde von Thompsons nachlassender Kondition. Der machte in der 5. so gut wie nichts und es sah für mich deshalb so aus, als wolle er sich eine Pause gönnen, weil das Tempo in den 4 Runden nicht besonders Hoch war.
Das er bei dem eher niedrigen Tempo noch die ein oder andere Runde, so weitermachen könnte wie in den ersten 3-4 Runden, hätte ich schon gedacht.
Mit Konditionellen Defiziten konnte man bei ihm schon rechnen, aber sein Zustand hat meine Vorstellungen nochmal übertroffen.
Ab der 6. schmiss er seine Taktik der ersten Runden komplett über Bord. Er fing an auf Pulev loszustürmen, was er sich bei dessen mangelnder One Punch Power, auch erlauben konnte.
Das er nur noch mit dem Mut der Verzwiflung anstürmte, konnte man gegen Ende der Runde, wo er schon sehr erschöpft wirkte und sich wieder komplett zurückzog erkennen.
In der 7. setzte er aber seinen Sturmlauf wieder fort. Pulev konnte sich jedoch gut entziehen und immer wieder Thompsons unkonzentriertes anstürmen mit Treffern bestrafen. Pulev schlug und traf in dieser Runde zwar viel, da er sich mit seinen Sclägen aber keinen allzugroßen Respekt bei Thompson verschaffen konnte, konnte er dessen Ansturm dennoch nicht verhindern oder unterbinden. Konditionell war Pulev zwar gut, aber nicht so Überragend als das er sich hätte 3 Minuten lang entziehen und Schlagen können. Daher war er häufig dazu gezwungen, zu klammern um sich ein wenig Luft zu verschaffen.
In der 8. holte Thompson das letzte mal alles aus sich heraus. Im Vergleich zur Runde davor, konnte er auch deutlich mehr gute Treffer landen, wurde selbstverständlich aber weiter abgekontert. Pulev klammerte immer häufiger, da auch er konditonell schon abgebaut hatte.
Im Gewühle konnte Thompson noch ein Paar mal hinlangen. Hinter seinen Schlägen schien aber auch nicht mehr allzu viel Power zu stecken.
Gegen Ende der 8. konnte Thompson kaum noch stehen und hatte endgültig sein allerletztes Pulver verschossen.
Ab der 9. war Thompson bis zum Ende nur noch im Überlebensmodus. Pulev trieb ihn umher, ohne großes Risiko einzugehen, jabbte und traf immer wieder auch mit der Rechten, konnte aber immernoch keine große Schlagwirkung erzielen.
Boxerisch war es für Pulev eigentlich kein günstiges Matchup. Er konnte Thompson weder ausboxen (das kann kaum jemand), noch aus oder auch nur wirklich anknocken.
Er konnte Thompson nur besiegen, wenn der konditionell hoffnungslos unterlegen ist und früh nachlässt.
Thompsons Entscheidung sich auf den Kampf einzulassen, hat seine Selbstüberschätzung verdeutlicht. Möglicherweise hatten die Siege gegen Price, einen nicht unerheblichen Einfluss darauf.
Er hätte wissen können oder sogar müssen, das Pulev sich nicht nach belieben treffen und einfach so wegfegen lässt, sondern hart im nehmen, deutlich fitter als er selbst, zäh, unerschrocken und unnachgiebig ist.
Zumindest hätte er sich dann besser vorbereiten können.
Ob er dann als Gegner für Sauerland überhaupt in Frage gekommen wäre, wenn er den Kampf 2-3 Monate später hätte machen wollen, darf jedoch bezweifelt werden.
Pulev kann seinen schwachen Punch zu seinem Glück, mit seinen guten bis vielleicht sogar überragenden Nehmerqualitäten wettmachen.
Denn wenn der Gegner sich wie Thompson nicht beeindrucken lässt und einen Rundenlang andauernden Sturm entfacht, dann ist Pulev unter anderem auch stark von seiner Härte im nehmen abhängig. Das war in diesem Kampf, obwohl Thompson in seinem Zustand eher eine Windbriese als einen Sturm entfacht hat, gut erkennbar.
Übrigens waren die Vergleiche von einigen, zwischen Pulev und Wladimir bezüglich des klammerns unangebracht, weil er das nicht geplant, sondern wie beschrieben allein aus der Situation heraus gemacht hat, um sich kurz ein wenig Luft zu verschaffen.
Er hätte natürlich auch stehen bleiben und mitbrawlen können, aber das er ein fast reiner Distanzboxer ist, konnte man vorher schon wissen.
Generell löst er im gesamten Kampf, sogar noch mehr Situationen mit seiner Beinarbeit als Wladimir, der das klammern auch von Beginn an, wenn der Gegner in die nähe der Distanz kommt oder auch nach seinen eigenen Aktionen, gezielt als Defensive benutzt.