Ein Sixersfan hatte mich gebeten, eine (statistische) Einschätzung von Turners Saison zu schreiben.
Wie die meisten wissen, bin ich einer seiner größten Kritiker gewesen (wobei ich als Upside zumindest lange Zeit eine "Dritte Option" angegeben habe, was nicht so schlecht ist
). Bei den miesen ersten drei Jahren auch kein Wunder.
Turners absolute Zahlen (21/7/4) lesen sich erstmal gut, keine Frage, doch profitiert Turner hier von zwei Dingen:
1) Pace der Sixers: die Sixers spielen den schnellsten Basketball der Liga. Daraus resultieren absolut gesehen viele Punkte (für beide Teams), viele Abschlüsse, viele Rebounds, viele Assists
ohne dass das basketballerisch jetzt durchschnittliches Niveau ist (auch wenn es spektakulär aussieht). Beim Stärkeindikator SRS von basketball-reference.com liegen die Sixers so bei -7.03, was ungefähr dem Niveau der letztjährigen Orlando Magic (20:62 Bilanz) entspricht.
2) Rolle Turner: Turner hat den Ball viel in der Hand, also kann er in Sachen Stats-Volumen auch liefern (das konnte er schon immer).
Turners Problem war aber immer, dass er für seine (offensiven) Aktionen viel zu viele Possessions gebraucht hat. Letztendlich gewinnt im Basketball langfristig immer das effizientere Team, was also aus den vorhandenen Ballbesitzen das meiste rausholt. In den ersten drei Jahren war Turner diesbezüglich sehr schlecht; genau genommen gehörte er zu den ineffizientesten Guards/Forwards in der Geschichte der NBA (keine Übertreibung!), weswegen sein Impact auf den Erfolg seiner Teams trotz nett aussehender Boxscore-Stats eher negativ war.
Diese Saison sind Verbesserungen in der Effizienz erkennbar. Sein Offensivrating, d.h. die produzierten Punkte pro 100 Possession, liegt bei 101. Das ist selbstverständlich eine Verbesserung zu den Saisons davor wo er bei 96 stand. Dass diese Verbesserung trotz größerer Verantwortung eingetreten ist, ist schon positiv hervorzuheben. Leider sind diese 101 Punkte pro 100 Ballbesitze immer noch alles andere als gut (eher schlecht). Insofern ist Turner in der Effizienzleiter von "absolut miserabel" zu "schlecht" aufgestiegen, was aber auch belegt, dass die Rolle, die die Sixers für ihn vorsehen, einfach zu groß für ihn ist (27% usage). Bislang kam er aber - zumindest in den ersten drei Jahren - noch schlechter mit kleineren Rollen zurecht (siehe oben), so dass man durchaus die Frage stellen könnte, ob er überhaupt irgendwann ein Rollenspieler mit Impact in der NBA sein wird, denn ineffiziente Rollenspieler brauchen die wenigsten Teams.
Diese Saison zeigt er eben, dass er die Rolle des Go-to-Guys zwar nicht absolut miserabel, doch eher schlecht ausfüllt. Die Anforderungen an Rollenspieler (für mehr reicht es bei ihm talentmäßig aber nicht) sind aber ganz anders. Deswegen bin ich noch skeptisch eingestellt. Man müsste eigentlich schauen, ob und inwiefern seine Effizienz steigen würde, wenn seine Rolle wieder kleiner wird, um das wirklich beurteilen zu können. Eigentlich ist das eine (nachgewiesene) statistische Gesetzmäßigkeit zwischen Usage und Effizienz, doch Turners Stats verhalten sich bislang alles andere als normal.
Der Ausgang ist also ungewiss. Ohne eine Weiterentwicklung der Effizienz mit weniger Touches sehe ich keine Zukunft als (guter) Rollenspieler in der NBA.
Andere statistische Modelle zeichnen ein ähnliches Bild. Bei den Win Shares ist er auf Karriereniveau (dort keine Verbesserung!). Beim PER ergibt sich eine positive Entwicklung, doch profitieren gerade high-usage-players von diesem Rating, weil das PER einfach unterstellt, dass Spieler, die häufig werfen, gut sind, was natürlich nicht der Fall sein muss.
Bei den Netpoints sieht man, dass die Sixers mit ihm etwas besser sind als ohne ihn, was aber in Anbetracht der überschaubaren Qualität der Kaderspieler der Sixers nicht verwundern sollte.
Advanced +/- Modelle sind meines Wissens nach noch nicht online für diese Saison, sodass diesbezüglich keine Werte existieren, über die man diskutieren könnte. Glaube jedoch nicht, dass Turner bei diesen impact-stats großartig besser als die letzten Jahre abschneiden würde; dafür ist er in der der go-to-guys-Rolle unterm Strich zu schlecht.
Fazit:
Turner hat sich verbessert, kommt offenbar (beachte: noch kleine sample size) mit mehr Verantwortung und Freiräumen besser zurecht als vorher. "Gut" ist das Niveau aber leider nicht. Des Weiteren ergeben sich die dargestellten Vorbehalte, ob er in der Lage ist in einem
geordneteten Offensivsystem mit einer dann kleineren Rolle erfolgreich zu sein (was alle Playoffteams haben, die nicht aus den Osten kommen, außer Heat/Pacers).
Den Sixers würde ich die Rolle, die Turner einnehmen darf, aber nicht vorwerfen. Er pusht seine absoluten Zahlen. Einer Verbesserung von miserabel zu "eher schlecht" findet statt. Vielleicht führt das dazu, dass sich ein (dummer) GM davon blenden lässt (die gibt es ja immer wieder mal). In diesem Fall bin ich mir sicher, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Turner im neuen Team enttäuschen wird, relativ groß sein wird. Daher würde ich abraten für ihn zu traden, wenn man selbst etwas nettes hergeben müsste.
Falls er diese Saison getradet wird, werdet ihr nicht viel erwarten können und solltet dann mMn auch nicht enttäuscht sein. Das Wohl und Wehe der Sixers hängt mitnichten von Evan Turner und dessen Gegenwert ab.
EDIT:
Im Übrigen halte ich von Carter-Williams deutlich mehr. Möglicherweise ist er diese Saison schon besser als Turner, was für einen Rookie schon eine gute Leistung wäre.