Ambitionierte Traditionsvereine sind in allen Regionalligen stetig stärker werdender Konkurrenz ausgesetzt. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass immer mehr Profi-Klubs ihre Zweitvertretungen gezielter verstärken.
Bereits im April des laufenden Jahres drückte Marcus Uhlig, Vorstandsboss von Regionalligist Rot-Weiss Essen, eine Ausgangslage aus, mit der viele Traditionsklubs der vierten Liga mittlerweile zu kämpfen haben. "Wir erleben in den Regionalligen eine Ungleichheit der Waffen", stieß der 50-Jährige ein sportliches Thema an, das in Zukunft zunehmend an Relevanz gewinnen könnte.
Mit Blick auf die abgeschlossene Saison steht fest:
RWE hat den Aufstieg in die 3. Liga verpasst und muss nun zusehen, wie die U23 von
Borussia Dortmund den Gang in die nächsthöhere Spielklasse antritt. Ein Szenario, das in der Regionalliga Südwest auch
Kickers Offenbach und die
SV Elversberg schmerzlich erfahren mussten. Zwei ambitionierte Traditionsklubs gaben sich letztendlich der Zweitvertretung von Bundesligist
SC Freiburg geschlagen und verweilen mindestens ein weiteres Jahr an gleicher Stelle.
U23-Teams befinden sich natürlicherweise über eine ganze Saison mehrfach in komfortabler Lage. Während in Dortmund oder Freiburg Abgaben der Profi-Mannschaften am Wochenende den entscheidenden Unterschied machen können, greifen die übrigen Vereine meist auf den gleichen Personalstamm zurück. Hinzu kommen die aufrückenden Jugendspieler aus den hochklassigen Teams der Nachwuchsabteilungen.
Neben den sportlichen Vorteilen liegt die aussichtsreiche finanzielle Lage der Profi-Klubs auf der Hand. Eine Gemengelage, die auch
OFC-Geschäftsführer
Thomas Sobotzik gegenüber dem 'kicker' betont. "Im Westen und Südwesten wird das offenkundig. Wenn die U-Teams wirklich ernst machen, haben wir keine Chance, mitzuhalten", erklärt der ehemalige Profi.
Nicht nur qualitativ, sondern auch in der Breite ist verstärkt zu bemerken, dass zielorientierte Profi-Vereine ihre U-Teams wieder mehr im Visier haben. Jedoch ist auch die Strahlkraft ein entscheidender Faktor. Neben höheren Gehältern winkt aufstrebenden Talenten ein potenzieller Sprung in den Kader der ersten Mannschaften, weshalb sie von Traditionsklubs aus zu neuen Ufern ausbrechen.
"Wir erleben es regelmäßig, dass uns unsere besten Talente verlassen und nach einigen Jahren wieder zurückkommen, weil sie den Sprung nicht geschafft haben", schildert Uhlig gegenüber dem "Kicker". Die Lage ist speziell für Rot-Weiss Essen im westdeutschen Ballungsraum Ruhrgebiet mit seinen angrenzenden Regionen schwer. Zumeist konkurriert der Klub von der Hafenstraße mit großen Vereinen wie dem
FC Schalke 04,
VfL Bochum, 1. FC Köln,
Borussia Dortmund,
Bayer 04 Leverkusen oder
Borussia Mönchengladbach.
Um die Ungleichheiten aufzufangen, gilt in den Regionalligen eine besondere Regelung im Umgang mit U23-Spielern. Diese besagt, dass mindestens vier Talente bei jedem Spieltag im Kader sein müssen, welche sich zu Saison-Anfang noch unter der Altersgrenze von 23 Jahren befanden und gleichzeitig die Spielberechtigung für eine deutsche Nationalmannschaft haben.
Ein Vorhaben, das aufgrund der steigenden Attraktivität der Bundesligisten für
Martin Bader, Geschäftsführer von
Alemannia Aachen, perspektivisch nicht funktioniert. "Dieser Ansatz ist ehrenwert. Inzwischen konterkariert diese Regel, eher ihren Zweck, als dass sie ihn erfüllt", erklärt der gebürtige Hechinger.
In sportlicher Hinsicht besteht kein Zweifel darüber, dass die Tiefe eines U23-Kaders aus genannten Gründen unvergleichbar mit der eines "gewöhnlichen" Regionalligisten ist. Qualitativ können U-Teams häufiger positionsgetreu nachlegen. Uhlig hat hierfür ein konkretes Beispiel: Rechtsverteidiger
Sandro Plechaty fehlte Essen beinahe die Hälfte der Saison aufgrund einer schweren Verletzung und musste intern ersetzt werden. Ein Unterfangen, welches den RWE-Kader zu spontanen Veränderungsmaßnahmen zwang.
Auf der Gegenseite griff die BVB U23 bei einem ähnlichen Problem prompt Profi
Felix Passlack zurück, der bereits in der Champions League zu Einsätzen kam. Dieses Erlebnis wurde übrigens auch
Ansgar Knauff zuteil, dessen Leistungen für den Aufstieg der Mannschaft von
Enrico Maaßen nicht unwichtig waren. "Wenn du gestandene Spieler problemlos verschieben kannst, machst du das auch", konstatiert Bader gegenüber dem "Kicker" trocken.
Festzuhalten bleibt, dass sich die Startpunkte zwischen U-Teams der Bundesligisten und Traditionsvereinen stetig auseinanderentwickeln. Die Aufstiege des BVB und der Freiburger sind eine Andeutung, wieviel Überhand dieses Macht-Gefälle in Zukunft nehmen könnte. "Wer da mithalten will, muss ein enormes wirtschaftliches Risiko eingehen", fasst
Uhlig im Kicker-Gespräch zusammen. Und da wären wir wieder bei der "Ungleichheit der Waffen".