Wimbledon hat gezeigt, und das war immer so, dass es größer ist als alle Spieler. Dort nur teilzunehmen, darf man jedes Mal als riesigen Erfolg betrachten. Vor zwei Jahren zahlte Wimbledon viele Millionen Preisgeld aus, obwohl das Turnier wegen der Pandemie ausfiel. Sie halfen, sie übernahmen Verantwortung. Das war großartig. Wimbledon geht immer voran, was Fairness, was Moderne betrifft. Und doch bleibt es seiner Tradition treu. Sie geben Tradition Wert. Gespielt wird in Weiß, keine Werbebanden, diese Dinge sind und bleiben einmalig. Wimbledon vereint, würde ich sagen, Aristokratie und Moral. Deshalb bin ich glücklich über die Entscheidung, dass russische und belarussische Profi ausgeschlossen wurden.
Noch komplizierter wurde die Debatte, als die Männer- und Frauentour entschieden haben, keine Weltranglistenpunkte zu vergeben – aus Protest gegen Wimbledons Beschluss. Athleten sollten nicht aufgrund ihrer Herkunft ausgeschlossen werden, so lautete die Begründung von ATP Tour und WTA Tour. Wie erleben Sie das Klagen vieler Spieler, die die gestrichene Punktevergabe und den Ausschluss der Russen bedauern? Den Spanier Rafael Nadal haben Sie dafür bereits kritisiert.
Die Debatte fühlt sich seltsam an. Vor allem deshalb, weil die Ukraine nirgends ein Mitspracherecht hatte. Es gab zwar einen Austausch mit allen Tennis-Organisationen, aber nur auf Initiative der Ukraine. Hätten wir nicht nachgefragt, hätte niemand gefragt: Wie denkt ihr über das Thema? Ich nehme zwar nicht teil, aber ich bin immer noch im Austausch mit den ukrainischen Spielern. Es gibt viele russische Spieler, keiner hat seine Haltung wirklich deutlich gemacht. Die stärkste Position, die sie bezogen, war: „No war, please!“ Oder: „Stoppt den Krieg!“ Was soll das bedeuten? Wenn die Ukraine aufhört zu schießen, werden wir geschlachtet, ermordet, die Existenz der Ukraine wird ausgelöscht. Aber sollte Russland mit dem Beschuss aufhören und sich von der Grenze zurückziehen, wäre es vorbei. Solange das niemand der russischen Profis klar sagt, wird sich nichts ändern.
Bei den Turnieren vor und nach Wimbledon wurde und wird es so gehandhabt, dass Profis aus Russland und Belarus ohne Nationalflagge antreten. Wie soll das Tennis dieses Thema lösen? Der Krieg dürfte lange andauern, vielleicht Jahre.
Hören Sie: Mir geht es nicht um eine Bestrafung der betroffenen Spieler. Auch wenn ich finde, dass sie nicht genug unternehmen, um sich klar abzugrenzen. Ich will eine Bestrafung der Regierung! Das Problem ist nur: Die Regierung sucht und projiziert Erfolg durch den Sport. Wir hatten doch bereits olympische Champions, die auf dem Podium neben Putin standen und seinen Kurs unterstützten. In diesem Moment ist Sport nichts anderes als russische Propaganda. Ich bin der Meinung, auch jetzt als Ex-Profi: Russen im Sport sollten auf jeder Ebene gesperrt werden. Wenn sie dann alle in Russland wären, würden sie vielleicht verstehen: Es muss sich was ändern. Wenn wir neutral bleiben, kehrt irgendwann Normalität ein. Und wenn wir nicht gegensteuern, wo wird das enden? In einem nuklearen Krieg? Keiner vermag doch diese Frage zu beantworten.