Tolles Interview wie ich finde von unserem Coach
„Die Liga hätte mehr Solidarität zeigen müssen“
Die Basketballbundesliga versucht, die Saison irgendwie zu retten. Gelingen soll dies mit einem Endrundenturnier, in dem dann innerhalb von drei Wochen an einem zentralen Ort, der neue Deutsche Meister ermittelt wird. Zehn Teams nehmen teil, falls das Turnier denn letztlich zustande kommt. Voraussetzung ist, dass die Politik und die Gesundheitsämter der Sache ihren „Segen“ geben. Sicher nicht mehr spielen werden in dieser Saison die Korbjäger von s.Oliver Würzburg (wir berichteten). Der Klub hat sich vor allem aus wirtschaftlichen Gründen gegen eine Teilnahme entschieden. Wir haben mit Würzburgs Headcoach Denis Wucherer gesprochen und wollten wissen, wie er zu den Entwicklungen steht und ob er nach Corona-Krise überhaupt noch für die Unterfranken an der Seitenlinie stehen wird.
Herr Wucherer, falls das geplante Endrundenturnier tatsächlich ausgetragen werden kann, würde ihr Team in der Abschlusstabelle von Platz acht zum Zeitpunkt des Abbruchs auf Rang elf rutschen. Sehen Sie sich dennoch als Achter der Saison 2019/2020?
Denis Wucherer: Als was denn sonst? Die reguläre Saison war zu zwei Drittel gespielt und wir waren die ganze Runde über quasi in den Playoff-Rängen. Wäre das in den letzten Wochen alles nicht passiert, bin ich mir hundertprozentig sicher, wären wir mit dieser Mannschaft am Ende unter den letzten Acht gelandet. Wir waren auf einem richtig guten Weg. Das hätte richtig Spaß gemacht, wenn sich ab Mai – bis auf acht Teams – alle anderen in den Urlaub verabschiedet hätten und wir uns dann mit den Besten hätten messen dürfen. Meine Mannschaft wollte die Playoffs unbedingt und hätte sie auch verdient gehabt.
Aber jetzt ist die Saison aus Würzburger Sicht Geschichte.
Wucherer: Aus sportlicher Sicht ist das enttäuschend. Ganz klar. Trotzdem stehe ich komplett hinter der Entscheidung des Vereins. Prinzipiell war bei uns der Daumen schon oben, aber es befand sich einfach noch zu vieles in der Schwebe. Vieles war viel zu Ungewiss und die unbeantworteten Fragen wurden immer mehr. Da habe ich es verstanden, dass der Klub in letzter Sekunde noch die Bremse gezogen hat.
Statt dem Achten Würzburg, werden jetzt mit Göttingen und Ulm zwei Teams weiterspielen, die in der Tabelle hinter euch standen – und mit Frankfurt sogar ein Team, das eher gegen den Abstieg als um die Playoffs spielte. Ärgert Sie das?
Wucherer: Frankfurt hat in diesem Turnier überhaupt nichts verloren. Die haben auch in der Endtabelle vor uns nichts verloren. Vom Prinzip her ist es richtig, dieses Turnier nach spanischem Vorbild durchzuziehen. Das ist die einzige Möglichkeit, diese verrückte Saison noch irgendwie zu retten. Von der Liga hätte ich mir aber gewünscht, dass daraus ein Playoff-Turnier mit den acht, zehn oder von mir aus zwölf besten Teams wird. Nicht ein „Jedermanns-Turnier“. Dadurch wird die bis dahin gespielte Saison völlig unerheblich. Im Grunde war es jetzt völlig egal, was bis März passiert ist. Theoretisch hätte sogar der Tabellenletzte Hamburg am Turnier teilnehmen dürfen. Eine Lösung nach dem Motto „Wer mitspielen will, darf mitspielen“ hat im Basketball gar nichts verloren. Unser Sport lebt von den Playoffs, in denen die Besten aufeinandertreffen und sich der künftige Meister seinen Titel hart erarbeiten muss.
Also machen Sie der Liga einen Vorwurf?
Wucherer: Wenn man die Saison irgendwie zu einem vernünftigen Abschluss bringen will, hätte die Liga mehr Solidarität zeigen und dafür sorgen müssen, dass die besten Mannschaften an den Start gehen. Es wäre, glaube ich, möglich gewesen, uns dementsprechend zu unterstützen und unsere berechtigten Sorgen beiseite zu räumen. Da ist die Enttäuschung bei mir schon sehr groß über die getroffene Entscheidung der BBL.
Halten Sie die Fortsetzung an sich für sinnvoll?
Wucherer: Das kann funktionieren. Aus sportlicher Sicht stehe ich dahinter. Ob das jetzt moralisch und gesellschaftlich so sinnvoll ist, weiß ich auch nicht so genau. Wahrscheinlich wäre es wichtiger, dass siebeneinhalb Millionen Schüler wieder in die Schule dürfen, als dass ein paar Mannschaften jetzt unbedingt Basketball spielen müssen.
Wäre es denn für Würzburg überhaupt möglich gewesen weiterzuspielen? Vier Spieler befinden sich aktuell ohnehin bereits zu Hause in den USA bei ihren Familien.
Wucherer: Es wäre auch möglich gewesen, mit einer abgespeckten Version des eigentlichen Kaders anzutreten und nicht alle Spieler zurückzuholen. Die Liga stellte zudem auch diverse Möglichkeiten für Neuverpflichtungen in den Raum als Anreiz für die Teams weiterzumachen. Auch für die Vereine, die jetzt teilnehmen, denke ich, dass es möglich ist, mit einer vernünftigen Mannschaft dort aufzulaufen.
Unter die Saison 2019/20 kann man aus Würzburger Sicht nun einen Strich ziehen. Wie blicken Sie nach vorne?
Wucherer: Aktuell schwingt bei mir jetzt noch die Enttäuschung der letzten Tage mit. Aber auch das wird sich legen. Für uns geht es in der nächsten Zeit darum, den Blick wieder nach vorne zu richten und zu überlegen, was in Würzburg in den nächsten Jahren möglich ist. Wir wissen ja noch nicht einmal, wann und wie die nächste Saison stattfinden kann. Wird es mit Geisterspielen losgehen? Das könnte viele Vereine an den Rande des Ruins bringen. Vielleicht ist man aber auch clever und wartet dann lieber bis Anfang 2021.
Von ihrer Mannschaft konnten Sie sich nicht einmal richtig verabschieden. Können Sie sich vorstellen, dass einige der Importspieler in der nächsten Saison wieder für Würzburg auflaufen?
Wucherer: Wir müssen sehen, wie hoch unser Budget dann sein wird. Wenn das um die Hälfte schrumpft, wird es wohl unmöglich sein, einen Skyler Bowlin, Jordan Hulls oder Luke Fischer wieder unter Vertrag zu nehmen. Vielleicht klappt es aber bei Junior Etou oder Brekkott Chapman. Alle fünf Jungs werden auf jeden Fall unsere ersten Ansprechpartner, wenn wir mit den Kaderplanungen beginnen. Cameron Wells werden wir hier aber sowieso nicht mehr sehen. Der hat sich bei uns in eine ganz andere Sphäre gespielt und wird, Corona hin oder her, einen großen Klub finden. Und klar, hat es weh getan, keine Chance zu haben, mich von dieser tollen und für mich besonderen Mannschaft zu verabschieden. Eigentlich war es unser Plan, den Kern der Mannschaft zusammenzuhalten. Den mussten wir jetzt über den Haufen werfen, um den Standort finanziell nicht in Gefahr zu bringen.
Ist es also eher unwahrscheinlich, dass man in Würzburg ein Team formen kann, das erneut um die Playoffs mitspielt?
Wucherer: Wenn wir das Budget halbieren, werden wir alles daran setzen, die Klasse zu halten. Wenn das Budget noch geringer ausfällt, wird es schwer, dass wir uns überhaupt weiterhin mit den Teams der BBL messen dürfen. Uns wird es irgendwie gelingen müssen, in Sachen Kaderzusammenstellung etwas zu zaubern, um mit den vorhandenen Mitteln dann das Beste herauszuholen.
Im letzten Spiel vor dem Abbruch wurde Ihre Vertragsverlängerung in der Halle frenetisch gefeiert. Da gingen Sie aber noch davon aus, in den kommenden zwei Jahren einen Playoff-Kandidaten und Anwärter für die internationalen Wettbewerbe zu trainieren. Wäre es da nicht verständlich, jetzt das Handtuch zu werfen?
Wucherer: Mein Plan war natürlich ein anderer. Die Idee war es, den Verein in die neue Arena zu führen. Aber das wird sich alles verzögern. Mit der Arena war man in den letzten Monaten relativ weit gekommen. Ich weiß nicht, inwieweit die Corona-Krise jetzt Einfluss auf die Multifunktionsarena nimmt. Klar würde ich gerne wieder die Playoffplätze angreifen und irgendwann ein Halbfinale in der Arena spielen. Davon sind wir aber gerade viel weiter weg als wir das noch vor drei Monaten waren. Wenn es jetzt so kommen sollte, dass wir deutliche finanzielle Abstriche machen müssen, ist das sportlich auch eine reizvolle Aufgabe für mich. Obwohl die Enttäuschung gerade wirklich tief sitzt, gehe ich davon aus, dass ich auch in den nächsten zwei Jahren hier coachen werde.