So, hier der ominöse Artikel:
[QUOTE='nem anderem Forum]
Das geheimnisvolle Konto 0011771825
Die finanziellen Probleme des Fußball-Bundesligisten Schalke 04 mit Anleihen und Liquiditätsengpässen
H. Leyendecker / J. Nitschmann
Gelsenkirchen – Die Unternehmensgruppe des ostwestfälischen Fleischfabrikanten Clemens Tönnies macht im Jahr 3,9 Milliarden Euro Umsatz, aber es ist ein harter Handel mit schmalen Gewinnmargen. „Ich rechne in Zehntelcents“, sagt der 53-Jährige. Deshalb werde er, betont der gelernte Metzger, „immer hellhörig, wenn Zahlen in die Luft geschossen werden wie Raketen“.
Vor ein paar Wochen war bei Tönnies in Rheda-Wiedenbrück Feuerwerk. Die Raketen rauchten und zischten himmelwärts, und natürlich ging es nicht um Fleischpreise, sondern, wieder mal, um die Existenz des Fußball-Bundesligisten Schalke 04, dessen Aufsichtsrat vorsteht. Im gefliesten Konferenzsaal seiner Firma saßen also am 29. September der Finanzmakler Stephen L. Schechter, der Vereins-Anwalt Theo Paeffgen sowie der für Finanzen zuständige Vorstand Peter Peters mit Tönnies und dessen Schwager beieinander, und die polnischen Köchinnen servierten bestes Schweinefleisch. Natürlich war auch der neue Herrscher auf Schalke, Felix Magath, erschienen.
Der Finanzmakler und der Anwalt erläuterten ein kompliziertes Finanzmodell, das den chronisch klammen Klub retten sollte. „Ziel: Abwendung der Insolvenz“, stand in einem Memorandum („Streng vertraulich“), das Paeffgen bereits am 31. August an Tönnies und fünf weitere Aufsichtsratsmitglieder geschickt hatte. Ziemlich fix sollten längst verpfändete Rechte am Stadion von einem neuen Investor abgelöst werden. In einem zweiten Schritt sollte, noch vor Beginn der nächsten Bundesligasaison, ein in Deutschland neumodischer Real Estate Investment Trust (REIT) – dabei handelt es sich um eine Immobilien-Aktiengesellschaft mit börsennotierten Anteilen – Aktien einer „VeltinsArena REIT“ platzieren. Dadurch sei eine Eigenkapitalrendite von mindestens sechs Prozent drin, hatte Paeffgen ausgerechnet.
Das Mandat gekündigt
Etliche Millionen Euro pro Jahr zusätzlich. Ein paar andere Feinheiten gab es noch. So sollten beispielsweise Peters und der Vorstandsvorsitzende Josef Schnusenberg nicht mehr zeichnungsberechtigt sein. Der Vorstand sollte nicht entlastet, aber auch nicht abberufen werden. Anwalt Paeffgen wollte, das hatte er bereits den Aufsichtsrat wissen lassen, Bevollmächtigter werden und fortan gemeinsam mit Magath „zur Vertretung Schalkes berechtigt“ sein. Schechter kündigte zudem an, er werde Tönnies noch ein Papier mit eigenen Lösungsvorschlägen schicken.
Die Lage sei „ernst“.
Der gelernte Metzger Tönnies, der bei all dem Schlachten Mensch geblieben ist und Besuchern mit treuen Augen versichert, dass er „nie ein Kälbchen töten könnte“, hat kurz darauf, natürlich in Abstimmung mit den Gremien, seine Konsequenzen gezogen: Paeffgen, der seit 7. Februar 2002 die Rechtsberatung von Schalke inne hatte, wurde per Telefax am 2. Oktober das Mandat gekündigt, Der Anwalt will auf Anfrage dazu nichts sagen. Ob Schechter, der 2003 die große Schalke-Anleihe mit amerikanischen Investoren gemakelt hatte, noch einmal mit den Gelsenkirchnern Geschäfte macht, ist derzeit unwahrscheinlich. Ob die Trennung von Paeffgen und die Distanzierung von Schechter die Probleme lösen wird, ist aber die Frage.
Über allen und allem liegt in diesem Traditionsverein ein komplexes System aus Schuld und Verdächtigungen. Aufsichtsratsmitglieder verabreden sich mit Journalisten zu Hintergrundgesprächen nur unter der Bedingung, dass ihre Name nicht genannt werde. In Schalke wurde immer schon erobert, entmachtet, gefeuert und wieder in Ehren aufgenommen. Aber die Akteure haben diesmal auf einfache Fragen zumeist keine schlanken, sondern komplizierte Erklärungen parat.
Ist der Verein fast pleite wie der Anwalt bedeutete? Ist es „eng“ wie Tönnies sagt, oder ist alles auf einem guten Weg wie Peters signalisiert? Seine Diplom-Arbeit als Betriebswirt hat er einst über das Thema „Controlling eines Fußballvereins – am Beispiel Borussia Dortmund“ geschrieben. Sein Einstieg in die Arbeit lautete sinngemäß, der BVB werde „wie eine Frittenbude“ geführt. Das war damals, in den achtziger Jahren, visionär. Und wie geht es Schalke, dem ewigen Rivalen wirklich? Nur ein paar Zahlen für den Überblick: Schalke habe „zwischen 136 bis 140 Millionen Euro Schulden“ hat Tönnies vergangenen Donnerstag bei der „Vereinigung königsblauer Landtag“, einem interfraktionellen Zusammenschluss der Schalke Anhänger im Düsseldorfer Landtag erklärt: „Das ist eine Zahl für Erwachsene.“ Den Schulden stehe aber ein Vereinsvermögen von mehr als 400 Millionen Euro gegenüber (Stadionanlage, Immobilien, Spielerkader). Wäre das Vermögen im Fall der Fälle wirklich in dieser Größenordnung belastbar?
Der Gesamtumsatz lag 2008 bei 139 Millionen Euro, für diese Saison sieht der Wirtschaftsplan einen Umsatz von 108 bis 112 Millionen Euro vor. Neulich wurde acht Angestellten gekündigt. Durch Auftritte in der Champions League und im Uefa-Cup nahm Schalke vorige Saison etwa 30 Millionen Euro zusätzlich ein. Diese Saison spielt der Verein nicht international. Also fehlt das Geld. Sportliche Aufs und Abs gehören zum Fußball, aber müssen sie gleich so durchschlagen wie bei Schalke 04? Es gibt Merkwürdigkeiten in Serie und die merkwürdigste Geschichte ist die Geschichte des Kontos 0011771825 bei der WGZBank in Düsseldorf. Eine Anleihe in Höhe von 75 Millionen Euro hatte Schalke 2003 aufgenommen und den Treuhändern zugesichert, dass jedes halbe Jahr genau 3,787629 Euro getilgt werden. Es gibt vier Sicherungskonten, die aber unterschiedlich bedient werden. Um es zu vereinfachen: Ende August hätten auf diesen Sicherungskonten zur Anleihe genau 11,362 887 Euro sein müssen, aber das Guthaben betrug nur 3,787 Millionen Euro – und am 1. September war wieder eine Rate fällig.
Ein Bank-Mitarbeiter wies Paeffgen darauf hin, dass die vorgeschriebenen „Collections Accounts“ zur A- und B-Anleihe nicht ausreichend gefüllt seien. Dann floss Geld. Aus den Kontoauszügen ergibt sich, dass am 2. September 2009 exakt 883 265,10 Euro auf das Anleihekonto „Ticket Collection“ eingezahlt und am selben Tag wieder abgehoben wurden. Ähnliches gilt für einen Zahlungseingang in Höhe von 152 231,71 Euro auf das Anleihekonto „Media Collection“, die gleich wieder verschwanden. Ist Schalke so klamm wie ein Frittenbudenbesitzer, oder sind es normale Abbuchungen? Freundlich formuliert heißt das: Geld für den Notfall ist da, ansonsten behandelte Schalke die Anleihekonten fast so wie Girokonten.
Das kann ein Verstoß gegen Anleihebedingungen sein, wie Schechter meint, oder auch ein Symbol dafür, dass es bei Schalke noch enger zugeht, als Tönnies im Landtag sagte: „Wir liegen auf der Nase. Lasst uns wieder aufstehen.“ Der Kontenverlauf kann aber auch ein Zeichen sein, dass es eine helfende Hand gibt. Ist es die Hand von Clemens Tönnies? Ein Gremienmitglied, das vor den Spielen in der Arena immer noch inbrünstig das Vereinslied („Blau und Weiß wie lieb’ ich Dich“) anstimmt, zeigt ein Papier Paeffgens demzufolge es „nicht geklärt ist“, ob der von Schalke bei der Deutschen Fußball Liga (DFL) für die Lizenzerteilung vorgelegte Liquiditätsplan für die Saison 2009/2010 auch die Spezialitäten der WGZ-Anleihe berücksichtige. Was ist, wenn nicht?
Bald steht in Frankfurt das „Nachlizensierungs-Verfahren“ an. Schalke kratzt nach Geld. So werden bei manchen Heimspielen Stehplatzkarten verhökert, die längst verkauft sind. Nach Berechnungen des Vereins kommen pro Spiel zwischen 2000 und 4000 Stehplatz-Zuschauer nicht in die Arena und deshalb werden Karten zusätzlich verscherbelt. Schwarzkarten seien das nicht, sagt Tönnies: „Königsblau ja, aber Schwarz gibt es bei uns nicht.“ Es kursieren viele Gerüchte über Schattenhaushalte bei Transfers oder über Stundung bei Grundsteuern, die eines gemeinsam haben: Sie werden stramm dementiert. Wohin marschiert Schalke finanziell?
„Ich glaube, dass Schalke 04 – außerhalb des Spielfelds – auf einem Tiefpunkt angekommen ist“, hat der Brite Schechter vor ein paar Tagen Tönnies mitgeteilt. Der Anwalt Paeffgen hat neulich einem Aufsichtsrat, den alle nur „Kalle“ nennen, gemailt, die „Verantwortung für das Wohl des Vereins liegt jetzt in Deinen und Pfarrer Dohms Händen – wie ihr damit umgeht, ist nun Eure Verantwortung. Schalke hat eine Arena, die sich bei Regen schließt und in der es eine eigene Währung („Knappen“), eine eigene Kapelle und einen Pfarrer gibt. Vielleicht kommt bald ein Wink von oben und der Meister des Zehntelcents, Clemens Tönnies, kauft den gesamten Laden, als wäre er ein Scheich.
Printausgabe SZ - Samstag 10. Oktober 2009 - S. 36[/QUOTE]
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