Tja, der Walker hat fast alles richtig gemacht, um die Kampfwurst zu entzaubern, aber leider fehlen ihm ein gutes Kinn und eine solide boxerische Grundausbildung. Es reicht halt nicht nur zu feuern wie ein blöder, man sollte ab und an dabei auch auf die eigene Deckung achten. Eigentlich hatte er Arreola schon im Sack (schöne Kombinationen zu Kopf und Körper), wurde dann aber zu ungestüm anstatt die Attacken mit seinem Jab vorzubereiten, wie er es zuvor gemacht hat. Wenigstens war der Kampf unterhaltsam.
Traurig ist es dennoch, dass einer wie Arreola - dem jedwede Disziplin in Sachen Ernährung zu fehlen scheint - als Prospect gehandelt werden muss. Aber gut, er hat durchaus Schlagkraft und ist zäh. Das war es dann aber auch schon. Wollen wir hoffen, dass er sich zukünftig etwas zusammen reisst, dann ist er vielleicht in der Lage, ein paar interessante Kämpfe abzuliefern, viel mehr sollte man von ihm nicht erwarten.
Zu den US-"Hoffnungen": Am talentiertesten ist meiner Meinung nach - trotz der Niederlage gegen Arreola - eigentlich Chazz Witherspoon, er scheint mir jedoch etwas phlegmatisch zu sein und sein Kinn ist auch nicht gerade aus Granit. Wenn man sich die US-Prospects im Schwergewicht anschaut und sie dann versucht einzuschätzen, ist es ohenhin so, als würde man Sch.... nach Geruch sortieren. Die richtig guten Leute sucht man leider vergebens.
Ich hab einen Johnson Kampf auf dem Rechner. Gegen Jermell Barnes schien er mir was Technik und Handspeed angeht auf hohem Niveau zu sein. Und das er keinen Punch hat glaub ich auch nicht recht, man betrachte auch das Bild.
Was soll uns das Bild sagen? Ich finde es immer wieder amüsant, wenn Leute glauben, Muskelmasse ist gleich Schlagkraft. Ich habe in meinem Bekanntenkreis Bodybuilder (hier mitlesende sind natürlich nicht gemeint
), die Wladimir nicht mal ausknocken könnten, wenn er ihnen das Kinn entgegen streckt, sich nicht wehrt und sie eine unbegrenzte Anzahl von Versuchen hätten. Das beste Beispiel ist doch Sanders, der sah ja nun nicht gerade beeindruckend aus, hatte aber ordentlich Power in den Fäusten.
Für die Schlagkraft entscheidend sind Schlagtechnik, Schnelligkeit und auch die Art und Weise wie man die Muskulatur und vor allem welche man aufgebaut hat. Jemand der sich in der Muckibude den Bizeps aufgepumt hat, wird wahrscheinlich nie viel Schlagkraft haben. Bei jemanden der von klein auf Sandsäcke maltretiert und daneben auch noch lernt, richtig zuzuschlagen, ist die Chance schon wesentlich größer. Deshalb wäre ich auch vorsichtig, Boxer zu früh zum Krafttraining zu schicken. Die sollten erstmal lernen, richtig zu boxen und zuzuschlagen.
Eigentlich ist reines Krafttraining (im Sinne von Bodybuilding) für Boxer ohnehin überflüssig (zumindest so lange man nicht Gewicht zulegen will), denn wenn richtig trainiert wird, werden alle nötigen Muskelgruppen durch entsprechende Übungen ausreichend ausgebildet. Es kann natürlich nicht schaden, etwas an Geräten zu trainieren, aber man sollte vorsichtig sein und dabei nicht den reinen Muskelzuwachs im Blick haben. Das dient dann z. B. dazu, bestimmte Muskelgruppen zu trainieren, die sich sonst nur schwer trainieren lassen, was sinnvoll sein kann, um Verletzungen vorzubeugen.
Die Schlagkraft hätte ich dabei aber nicht im Blick. Wenn man die verbessern will, sollte man sich eher auf seine Schlagtechnik konzentrieren und daran arbeiten, die richtigen Stellen zu treffen. Es gibt ja mittlerweile so schöne Trainigspuppen, an denen man gut trainieren kann, punktgenau Schläge zu landen (gezielte Pratzenarbeit oder eine bemalter Sandsack tun es auch, aber die Puppen finde ich persönlich für diesen Zweck am besten). Ein Volltreffer an die Schulter wird den Gegner nicht groß jucken, einer zum Kinn oder zur Schläfe schon eher. Man kann auch trainieren, sein Gewicht besser "in den Schlag zu legen". Eine solche Technik in Extremform kann man sich z.B. bei Toney anschauen, der das ganz gut beherrscht (er hat dafür natürlich auch die nötige "Schwungmasse"
).
Aber zurück zum eigentlichen Thema: Boxer wie Estrada oder Johnson haben leider wenig Schlagkraft. Das kann man jetzt schon sagen. Wenn sie nicht mal in der Lage sind, die üblichen Aufbaugegner vorzeitig zu besiegen oder zumindest soweit zu beeindrucken, dass die sich freiwillig hinlegen, werden sie nicht plötzlich die Top-Leute umhauen. Es mangelt ihnen entweder an Schnelligkeit und Technik oder es fehlt einfach der Killerinstinkt. Mir sind jedenfalls kaum Boxer bekannt, die im Verlauf ihrer Karriere ihre KO-Quote signifikant erhöht haben (Sylvester ist z.B. eine solche "Ausnahme"). Die sinkt in der Regel, je besser die Gegner werden. Daher habe ich gerade bei Estrada eigentlich kaum Hoffnung und bei Johnson sieht es auch nicht besser aus. Man soll zwar nicht zu sehr auf den Kampfrekord schauen, aber in diesen Fällen sind die schon recht aussagekräftig.