Die Geschichte vom olympischen Stinkefinger beschreibt Jens Weißflog in seinem Buch "Weissflog - Geschichten meines Lebens" noch ein bisschen ausführlicher. Während des Probedurchgangs wusste Jens Weißflog den Grund für die Pfiffe noch nicht. Vor dem Wettkampf erfuhr er es dann:
"Einige Sätze mit meinen Betreuern geben mir einen vagen Überblick, was geschehen ist. Die norwegischen Zeitungen haben sich auf mich eingeschossen, Bredesen hat ihnen Material geliefert. 'Verdens Gang', kurz VG, ist die norwegische BILD. Sie bringt die Story meiner vermeintlichen psychologischen Kriegsführung Harada gegenüber, zitiert Bredesen, dass ich unfair gewesen sei, und so weiter."
Er schreibt aber nichts davon, dass er den Mittelfinger auch wegen der Ottesen-Geschichte bei der Vierschanzentournee gezeigt hätte, sondern nur aus Ratlosigkeit über die Reaktion des Publikums in der Probe. Und dass er die Geste später natürlich bereut hätte.
Nun, das Ende der Geschichte ist bekannt: Der Springer, der die Medien und dadurch auch die Zuschauer gegen Weißflog aufgehetzt hat, wurde belohnt und gewann die Goldmedaille, während Weißflog mit 0,5 Punkten Rückstand auf den Bronzerang Vierter wurde. Nun ja, er hat dennoch viel gewonnen in Lillehammer. Aber es ist schon ein bisschen merkwürdig, dass in der Erinnerung an Lillehammer auch meist das faire Publikum hervorgehoben und diese Episode ausgeklammert wird.
Wenn wir schon gleich bei deutschen Stinkefingern in Norwegen sind: Es gab da noch einen! Den beschreibt Jens Weißflog auch:
"Bei der Weltmeisterschaft 1997 in Trondheim zeigt Dieter Thoma der Jury nach einem Sturz den Mittelfinger, weil er mit deren Entscheidungen hinsichtlich der Anlauflänge unzufrieden war. Die Medien titel "Typisk Tysk" ("typisch deutsch") und das Team reagiert mit einer Pressekonferenz, bei der sich der Sportler entschuldigt."
Ja, das deutsch-norwegische Verhältnis war auch früher schon oft schwieig.
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Noch eine kleine Erläuterung von mir zu dem Thoma-Zwischenfall: Der passierte auf der Normalschanze; Dieter Thoma sprang damals im ersten Durchgang 100 m weit und konnte den Sprung nicht stehen. Das war der weiteste Sprung des Durchgangs. Insgesamt sprang Thoma bei diesem Wettkampf 5,5 m weiter als der spätere Goldmedaillengewinner, landete aber durch den Sturz nur auf Platz 22.