Die meisten Kommentatoren außerhalb von DAZN sprechen einfach eine andere Zielgruppe an. Wir hier im Forum sind (denke ich) klar unter dem Durchschnitt was das Alter der Zuschauer angeht, die bei ARD oder Sky zuschauen und der Großteil befasst sich intensiver mit Fußball als der durchschnittliche Zuschauer. Dadurch entstehen andere Erwartungen. Ob die Kommentatoren diese nicht erfüllen können oder wollen weiß ich nicht. Dass sie sich gegen Kritik in den sozialen Medien komplett immunisieren, weil ja auch oft Beleidigungen weit unter der Gürtellinie kommen, und dass sie dann von Kollegen bewertet werden, die ähnlich "sozialisiert" sind, da bin ich mir recht sicher.
Es gibt bspw. im Online-Journalismus ganz üble Entwicklungen. Sowohl was die Lesbarkeit, als auch was den Inhalt angeht. Aber: im Online-Journalismus kann man ganz einfach messen, was funktioniert und was nicht. Unternehmen wollen Geld verdienen und Geld gibt es nur gegen Klicks. Daher wird produziert, was funktioniert. D.h. an dieser Entwicklung tragen wir als User eine signifikante Verantwortung. In Kombination mit Googles Algorithmus, der den be all, end all im Online-Journlismus darstellt, auch für die großen Fische wie die SZ. Aber: der Algorithmus reagiert letztlich auf uns User. Von daher.
Das bittere am Sportjournalismus im Allgemeinen und Kommentatoren im Fußball im Speziellen ist, dass es keinerlei Marktforschung in dem Bereich gibt. Quelle ist da Frank Buschmann vor ein paar Jahren. Aber ich bezweifle, dass sich das geändert hat. Letztlich bedeutet das, dass vor allem nach "Gefühl" ausgewählt wird, wer kommentieren darf und wie kommentiert werden soll. Akteure wie Steffen Simon, Bela Rethy und Marcel Reif, die selber ihren Beruf nicht beherrschen (zumindest nicht mehr), haben/hatten als Chefkommentatoren eine signifikante Stimme darin, wer Karriere macht und wer nicht. Da braucht man sich über den Zustand der Branche nicht wundern. Wenn das alles jetzt durch Marktforschung abgesegnet wäre, wenn es klare Zahlen und Fakten gäbe, dass ältere, uninteressierte Leute die zahlenden Kunden sind und dass man die nicht mit zu viel Input und taktischen Analysen vergraulen darf, dann würde es wenigstens ökonomisch Sinn machen, wie beim Online-Journalismus. Ich persönlich bezweifle das sehr stark. Ich bin mir ziemlich sicher, dass es einen Hunger nach kompetenten Kommentatoren gibt, der aber nicht gestillt wird, weil man es gar nicht erst versucht. Da ist Tony Romo in der NFL ein schönes Beispiel. Da hat man sich einfach mal getraut, einem Football-Nerd (der zugegeben charismatisch und vor allem enthusiastisch ist, was enorm wichtig ist) eine der Chefexperten Rollen zu geben - und nach zwei Jahren ist er der beliebteste Experte. In den USA gibt es nämlich Marktforschung in dem Milliardengeschäft Sport ... Der Imagegewinn für den Sender ist enorm. Wobei man den Sender auch nicht zu sehr loben darf. Beim letzten Super Bowl haben sie ihn ganz offensichtlich dazu gedrängt, sich ein bisschen mit der Nerd-Sprache zurückzuhalten - heraus kam seine schlechteste Performance. Hoffentlich lernen sie daraus.
Um den Bogen zu DAZN zu schlagen: die sind ein Segen für die Branche. Denn sie lassen es zu, dass die Kommentatoren in die Tiefe gehen, taktisch analysieren und nerdig reden dürfen. Dazu der Experte an der Seite, der von elementarer Bedeutung ist. Das macht schon Hoffnung, dass sich das irgendwann durchsetzt. Sky hat ja insofern schon reagiert, als dass sie deutlich häufiger einen Experten einsetzen. Das Problem bei Sky ist viel eher die Auswahl an Experten. Bevor ich Lothar Matthäus beim schwafeln zuhöre habe ich lieber nur einen Kommentator. Hamann liefert auch kaum etwas. Immerhin ist Metzelder ganz OK. Beim Derby St. Pauli gegen HSV hatten sie Klasnic und Barbarez mit dabei. Jeweils auch bewusst Fans von einem Team. Fand ich ein nettes Experiment. Aber ich würde viel Geld wetten, dass Sky ohne die Konkurrenz von DAZN weiterhin so strukturkonservativ wie eh und je wäre.