Anfang Woche wurde bekannt, dass Sie auf das US Open verzichten. Weshalb?
Aus einem Gefühl heraus. Mir ist einfach nicht danach, unter diesen Bedingungen in die USA zu reisen. Ich bin in einem Alter und in einer Phase der Karriere, in der ich nicht alles spielen kann, nach so vielen Monaten Pause. Ich ziehe es vor, hier zu bleiben und mich auf die Sandsaison vorzubereiten.
Vor allem wegen der gesundheitlichen Lage in New York?
Es ist die generelle Situation. Drei, vier Wochen im gleichen Hotel in einer Blase bleiben zu müssen, dazu habe ich keine Lust. Und wenn man in New York weit kommt, wird es kompliziert, sofort wieder auf Sand gut zu spielen. Und dann ist immer noch offen, ob man nach der Rückkehr aus den USA eine Quarantäne machen muss. Es gibt viele offene Fragen. Und ich weiss, dass sich viele Spieler noch nicht definitiv entschieden haben.
Die Top 20 sollen mit einem US-Open-Boykott gedroht haben, falls sie in Quarantäne müssten.
Das ist eine wichtige Geschichte, über die man schon seit Monaten spricht und die noch nicht geregelt ist. Weil es die Länder sind, die entscheiden, nicht der amerikanische Verband oder die ATP.
Finden Sie es richtig, dass das US Open trotz der Corona-Pandemie ausgetragen wird?
Eher nicht. Das gehört zu den Gründen, warum ich nicht gehe. Dies ist ein kompliziertes Jahr, in allen Bereichen. Und im Sport noch etwas mehr, wenn man durch die ganze Welt reisen muss.
Wie haben Sie diese fünf Monate ohne Turniere erlebt? War das eine belastende Zeit?
Wie alle musste ich mich anpassen. Aber ich war sehr relaxt und zufrieden. Ich bin privilegiert mit meinem Leben, mit meinem Beruf und meinen Möglichkeiten. In Anbetracht von all dem Negativen, was auf der Welt geschehen ist, konnte ich sehr gut leben. Das Positivste war, dass ich viel Zeit zu Hause und mit meiner Tochter verbringen konnte.
War es schwierig, einen Trainingsplan aufzustellen, ohne zu wissen, wann und wo es wieder Turniere geben könnte? Wie gingen Sie vor?
In den ersten Wochen profitierte ich davon, dass ich mich ausruhen konnte. Ein Minimum an Körpertraining war zwar dabei. Aber ich verliess die Tenniswelt komplett, da ich wusste, dass wir länger nicht spielen würden. In den ersten Monaten schlug ich vielleicht drei Bälle. Ich machte andere Dinge, bevor ich mir ein Programm für das körperliche und tennisspezifische Training erstellte.
Erleben Sie diese Pause ganz anders als jene nach Ihrer Knieoperation?
Das lässt sich gar nicht vergleichen. Wenn du verletzt bist, hast du dauernd das Gefühl, dass du etwas verpasst. Aber jetzt müssen alle pausieren, und jeder nutzt diese Zeit auf seine Art. Das erlaubt einem, viel ruhiger zu sein.
Die Zeit läuft, und Sie sind mit 35 Jahren der älteste Top-50-Spieler nach Federer. Haben Sie nie das Gefühl, dass Sie möglicherweise eines der letzten guten Jahre Ihrer Karriere verlieren?
Ich sehe das anders. Denn ich hatte ja das Glück, schon eine ganze Karriere gemacht zu haben. Ich habe Erfolg gehabt, habe Grand Slams und vieles mehr gewonnen. Ich habe deshalb keinen Druck, noch etwas erreichen zu müssen. Natürlich bin ich sehr nahe am Ende, aber das stresst mich überhaupt nicht. Momentan spielt niemand, und ich weiss nicht, für wen die Situation unangenehmer ist – die eher Jüngeren, die versuchen, grosse Turniere zu gewinnen, oder die eher Älteren. Persönlich habe ich aus dieser Pause jedenfalls sehr viel Positives herausgeholt.
Spielten Sie deshalb auch keine Schaukämpfe?
Ja. Weil ich Lust hatte, aus dem Tennis rauszukommen. Viele Spieler klagen seit Jahren, sie hätten zu viele Turniere und zu wenig Zeit für sich. Und wenn dann die erste Pause kommt, haben alle Lust, Exhibitions zu spielen. Das ist etwas widersprüchlich.
Hat Ihnen das Tennis nie gefehlt?
Bisher nicht. Aber wenn die Turniere wieder losgehen, wird das anders sein. Dann wird mir alles fehlen – die Emotionen, der Stress, das Publikum, die Nervosität vor dem Match, die Gefühle danach…
Was dachten Sie, als Sie die Bilder der Adria-Tour von Novak Djokovic sahen, auf der sich mehrere Personen mit dem Coronavirus ansteckten?
Da lachten doch alle. Er hatte ja die Regeln seiner Regierung befolgt. Aber klar, er ist die Nummer 1 der Welt, er müsste ein gutes Beispiel abgeben und etwas mehr aufpassen, was er macht. Aber ich habe ihm keine Lektion zu erteilen.
Hatten Sie nie vor, in den USA zu spielen?
Eine Weile überlegte ich es mir schon, als es schien, dass es noch weitere Turniere geben könnte, zum Beispiel in Washington. Aber diese Idee liess ich rasch fallen und schaue nun, dass ich für die Sandsaison bereit bin.
Werden Sie in Rom Ihr erstes Turnier bestreiten?
Ich plane, mit Wildcards davor noch zwei Challenger-Turniere zu spielen, das erste übernächste Woche in Prag. Weil ich so lange nicht gespielt habe, brauche ich etwas Spielpraxis.
Überlegten Sie in den vergangenen Monaten nie, ob dies ein guter Moment für den Rücktritt sein könnte?
Nein, nie. Nicht während einer solchen Pause. Ich spiele noch gut, fühle mich gut, mache noch sehr starke Resultate. Meine Planung läuft noch für drei Jahre.
Das heisst, dass Sie bis 2022 spielen wollen?
(lacht) Wenn Sie ein Datum geben wollen…. Klar, im Prinzip würde ich gerne noch lange spielen. Ich habe schon immer langfristig geplant. Natürlich könnte es sein, dass ich vorher aufhöre. Das Leben kann sich rasch ändern.
Könnte es sein, dass diese Pause Ihre Karriere sogar verlängert?
Über solche Fragen denke ich nicht viel nach. Ich versuche einfach, Tag für Tag das Beste herauszuholen.
Sie waren in Melbourne im Januar ziemlich krank. Haben Sie auch schon einen Corona-Test gemacht?
Schon mehrere, regelmässig. Negativ. In Melbourne hatte ich zwar alle Symptome, aber es war etwas anderes.
Würden Sie in Rom und Paris lieber mit oder ohne Zuschauer spielen?
Wenn ich spiele, dann auch, um das Publikum und die Atmosphäre zu spüren. Aber wir sind in einem komplizierten Jahr, und das Wichtigste ist, ein Maximum an Sicherheitsvorkehrungen zu treffen.
Denken Sie, dass diese Pandemie die Sport- und Tenniswelt stark verändern wird?
Sie wird die ganze Welt verändern. Es war ein Schlag für viele Bereiche, und das Tennis gehört dazu. Es ist eine der letzten Sportarten, die zur Normalität zurückkehren können. Gezwungenermassen, weil die Spieler aus der ganzen Welt kommen und überall herumreisen, Woche für Woche. Man zieht von Stadt zu Stadt, von Land zu Land, es hat immer viele Leute. In Bezug auf diese Krise ist Tennis, der Sport, den es am schlimmsten getroffen hat.